Entscheidungsstichwort (Thema)

Schutzgesetzcharakter des § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden kann.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2; WpHG § 32 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 04.01.2006; Aktenzeichen 5 O 267/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.02.2008; Aktenzeichen XI ZR 170/07)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 4.1.2006 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Wiesbaden wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Es wird auf den Tatbestand in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, in dem der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Ergänzend wird ausgeführt:

Mit der Berufung macht der Beklagte geltend, dass er als Geschäftsführer der Firma X. mbH (künftig: Fa. X GmbH) nicht persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden könne, denn es handele sich bei dieser Firma nicht um ein Wert-papierdienstleistungsunternehmen i.S.d. §§ 32 Abs. 2 Nr. 1, 2, 2 Abs. 4 WpHG. Die Vorschrift des § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG stelle auch kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB dar. Ein Beratungsfehler sei nicht nachgewiesen worden. Dem Kläger sei ein Mitverschulden anzulasten, denn aus den Wertpapierbestellungen sei für ihn klar ersichtlich gewesen, dass nur Aktien einer einzigen Aktiengesellschaft erworben werden sollten.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt, das Urteil des LG Wiesbaden vom 4.1.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet und musste deshalb zurückgewiesen werden.

Der Kläger kann gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG von dem Beklagten verlangen, dass er den für den Erwerb der Aktien investierten Betrag i.H.v. 51.552,90 EUR sowie einen weiteren Betrag i.H.v. 272,60 EUR im Wege des Schadensersatzes erstattet.

Nach § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG ist es den Geschäftsführern von Wertpapierdienstleis-tungsunternehmen verboten, Kunden des Unternehmens den Ankauf von Finanzinstrumenten zu empfehlen, wenn und soweit die Empfehlung nicht mit den Interessen des Kunden übereinstimmt. Die Frage, ob diese Vorschrift ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB darstellt, ist bislang in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden worden. Der BGH hat ausgeführt, dass die Verbote der §§ 31 ff. WpHG zwar in erster Linie aufsichtsrechtlichen Zielen dienten, jedoch die Frage, ob es sich um Schutzgesetze handelt, bisher nicht entschieden, sondern ausdrücklich offen gelassen (vgl. BGH v. 7.5.2002 - XI ZR 197/01, BGHReport 2002, 732 = MDR 2002, 1135 = NJW 2002, 2703; v. 8.3.2005 - XI ZR 170/04, MDR 2005, 937 = BGHReport 2005, 918 m. Anm. Allmendinger = AG 2005, 475 = NJW 2005, 1579). Nach der in der Literatur ganz überwiegend vertretenen Auffassung ist die Bestimmung des § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB anzusehen (vgl. Assmann/Koller, WpHG, 4. Aufl., vor § 31 Rz. 17, m.z.w.N.). Die Literatur begründet ihre Auffassung zunächst mit dem Zweck der Vorschrift. Die Vorschrift habe nicht allein aufsichtsrechtlichen Charakter, sondern solle auch und gerade dazu dienen, den Anlegerschutz zu verbessern (Hopt, ZHR 159 (1995), 158). Sinn und Zweck des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes und des darin enthaltenen Wertpapierhandelsgesetzes sei die Funktionsfähigkeit der deutschen Börsen zu sichern und die Attraktivität und internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland zu verbessern (Finanzausschuss, BT-Drucks. 12/7918). Die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland sei von einer Erweiterung des Anlegerschutzes abhängig, denn die Kapitalmärkte lebten vom Vertrauen der Anleger (Hopt, ZHR 159 (1995) 159). Ein effektiver Anlegerschutz könne nur in der Weise erreicht werden, dass den Regelungen der §§ 31 ff. BGB Schutzgesetzcharakter zugunsten der Kunden der Wertpapierdienstleistungsunternehmen beigemessen werde. Auch systematische Erwägungen sprächen für diese Auffassung. So begründe das Wertpapierhandelsgesetz auch an anderen Stellen Verhaltensregeln. § 15 Abs. 6 WpHG enthalte die Vorschrift, dass der Emittent, der gegen seine Verpflichtung aus § 15 Abs. 1-4 WpHG verstößt, einem anderen nur unter den Voraussetzungen der §§ 37b und 37c des Gesetzes zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet sei. Obwohl eine gleichartige Vorschrift auch bei §§ 31 ff. WpHG denkbar wäre, wenn man dort ebenfalls individuelle Schadensersatzpflichten hätte beschränken wollen, sei eine dem § 15 Abs. 6 WpHG entsprechende Regelung nicht in die §§ 31 ff. WpHG...

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