Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristablauf nach Einlegung der Berufung beim unzuständigen Gericht

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 05.12.2002; Aktenzeichen 32 C 3294/01-41)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des AG Frankfurt am Main vom 5.12.2002 - 32 C 3294/01-41 - wird verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat die mit Urteil vom 5.12.2002, zugestellt am 11.12.2002, erfolgte erstinstanzliche Klagabweisung durch das AG durch fristgemäß eingelegte Berufung zum LG angefochten. Dort hat sich in der mündlichen Verhandlung vom 23.9.2003 über die Berufung ergeben, dass im Hinblick auf § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG eine funktionelle Berufungszuständigkeit des OLG bestehen könnte. Das LG hat daraufhin auf entsprechenden Antrag das Berufungsverfahren an das OLG verwiesen.

II. Die Berufung ist unzulässig.

1. Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass seine Zuständigkeit im Berufungsverfahren nicht gegeben war. Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH nach Schweizer Recht, die ihren Hauptsitz im Kanton Zürich hat und in Deutschland lediglich über eine Niederlassung verfügt. Deren Eintragung im Handelsregister besagt für sich genommen nichts über ihre rechtliche Selbständigkeit (§ 13 HGB; vgl. auch BGH NJW 1998, 1322). Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten liegt mithin im Ausland (§ 17 ZPO), so dass die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG dem Wortlaut nach gegeben sind. § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG, kann auch nicht einschränkend ausgelegt werden. Mit der Vorschrift hat der Gesetzgeber für Sachen mit Auslandsberührung eine neue Zuständigkeit der OLG zur Entscheidung über Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der AG eingeführt, im Übrigen aber an der Zuständigkeit der LG gem. § 72 GVG festgehalten. Mit der Sonderzuweisung sollte der Internationalisierung des Rechts und dem dadurch begründeten Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch eine obergerichtliche Rechtssprechung Rechnung getragen werden. Mit dem formellen Anknüpfen an den allgemeinen Gerichtsstand einer Partei im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit sollte eine einfache und sichere Abgrenzung der Berufungszuständigkeit zwischen LG und OLG geschaffen werden (BT-Drucks. 14/6036, 118 f.). Die Rechtsmittelzuständigkeit nach § 119 GVG ist daher formal zu verstehen; sie greift auch dann ein, wenn sich im Einzelfall keine besonderen Fragen des internationalen Privatrechts stellen (so ausdrücklich BGH v. 19.2.2003 - IV ZB 31/02, MDR 2003, 707 = BGHReport 2003, 635 = NJW 2003, 1672 [1673]; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 119 GVG Rz. 5).

2. Daraus folgt, dass vorliegend die Berufung zum LG unzulässig war, weil sie nicht nach § 519 Abs. 1 ZPO bei dem nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG zuständigen Berufungsgericht eingereicht wurde.

a) Die Frage, ob das LG verpflichtet war, die Berufung noch am Tage ihres Eingangs an das zuständige OLG weiterzuleiten, um die Berufungsfrist zu wahren (vgl. dazu BVerfG v. 20.6.1995 - 1 BvR 166/93, NJW 1995, 3173; BGH v. 19.2.2003 - IV ZB 31/02, MDR 2003, 707 = BGHReport 2003, 635 = NJW 2003, 1672 [1673]), kann hier dahinstehen, weil das LG im Zeitpunkt des Eingangs der Berufung seine fehlende Entscheidungszuständigkeit noch nicht erkennen konnte. Die spätere Verweisung, die wohl auf einer analogen Anwendung von § 17 a Abs. 2 GVG beruht (vgl. dazu Wolf in MünchKomm/ZPO, Aktualisierungsband, 2. Aufl., § 119 GVG Rz. 7), hat den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift beim zuständigen Gericht nicht mehr gewährleisten können, weil bereits im Zeitpunkt des Verweisungsbeschlusses die Berufungsfrist seit etwa 10 Monaten abgelaufen war. Durch den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift bei einem unzuständigen Gericht wird jedoch auch bei Weiterverweisung an das zuständige Gericht die inzwischen abgelaufene Berufungsfrist nicht gewahrt (BGH v. 9.12.1999 - III ZR 73/99, MDR 2000, 326 = NJW 2000, 1574). Die insoweit für das Kartellverfahren geltenden Sonderregeln sind nicht übertragbar, weil die Bestimmung der Zuständigkeit für das Berufungsverfahren nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG nicht mit vergleichbaren Unsicherheiten wie das Kartellverfahren belastet ist (BGH v. 9.2.2003 - IV ZB 31/02, MDR 2003, 707 = BGHReport 2003, 635 = NJW 2003, 1672 [1673]; vgl. dazu auch BGH v. 30.5.1978 - KZR 12/77, NJW 1978, 2096; v. 9.12.1999 - III ZR 73/99, MDR 2000, 326 = NJW 2000, 1574).

b) Die Berufungsfrist hätte die Klägerin danach nur dann wahren können, wenn sie innerhalb der Frist des § 234 ZPO einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und innerhalb der Antragsfrist die versäumte Prozesshandlung nachgeholt hätte (§§ 233, 236 ZPO).

Vorliegend fehlt es an entsprechenden Anträgen: Weder hat die Klägerin Berufung zum OLG eingelegt noch einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

Die Frist zur Wiedereinsetzung ist abgelaufen. Die zweiwöchige Frist des § 234 ZPO beginnt mit dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist (Abs. 2). Diese Frist ...

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