Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafrecht/Nebenstrafrecht: Publizitätspflicht. Insiderinformtion. Veröffentlichungspflicht. Insiderhandel. Insider. Vorstandswechsel. Vorstand. Wechsel. Vorstandsrücktritt. Ad-hoc-Mitteilung. Leichtfertiger Verstoß gegen Veröffentlichungspflicht bei Insiderinformationen im Wertpapierhandelsrecht. Beginn der Publizitätspflicht bei feststehendem Vorstandswechsel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Publizitätspflicht beginnt bereits dann, wenn der Bereich interner Willensbildung sich zu einer konkreten Tatsache verdichtet hat und das Ergebnis dieses Willensbildungsprozesses gegenüber einem Entscheidungsträger des Unternehmens als konkrete Tatsache objektiv nach außen zu Tage tritt.

2. Die Frage, "wie" der Aufsichtsrat mit der beabsichtigten Amtsniederlegung unternehmerisch und rechtlich umgeht, ist für die bereits entstandene Publizitätspflicht des Unternehmens über das "ob" der Amtsniederlegung unerheblich.

3. Diese "neuen" Entscheidungen über das "wie" können nach Abschluss des internen Willensbildungsprozesses, wenn sie objektiv erkennbar nach außen treten, jeweils für sich "neue" publizitätspflichtige Tatsache darstellen.

 

Normenkette

WpHG §§ 13, 15, 39 Abs. 2 Nr. 5

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 15.08.2008; Aktenzeichen 7411 Js-OWi 233764/07 WI)

 

Gründe

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat gegen die Betroffene, vertreten durch deren Vorstand, gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 30 Abs. 1 und Nr. 4, Abs. 4 OWiG wegen leichtfertigen Verstoßes gegen die Veröffentlichungspflicht von Insiderinformationen gemäß §§ 13, 15, 39 Abs.2 Nr. 5 lit. a WpHG in der Fassung vom 28.10.2004 bis 31.10.2007 ein Geldbuße von 200.000 € festgesetzt. Von diesem Vorwurf hat das Amtsgericht die Betroffene freigesprochen. Das von der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat Erfolg.

I.

Der erhobene Vorwurf gegen die Betroffene betrifft im Wesentlichen die Frage, ab wann die Tatsache, dass der damalige Vorstandsvorsitzenden Prof. A aus dem Unternehmen ausscheiden wollte, feststand oder zumindest hinreichend wahrscheinlich i.S.d. § 13 Abs. 1 WpHG war und damit als Insiderinformation veröffentlichungspflichtig. Das Amtsgericht hat den Freispruch unter Darlegung des Verfahrensgangs und der wechselseitigen Rechtsansichten, ohne jedoch ausreichend eigene Feststellungen zu treffen, im Ergebnis mit Hinweis auf die "ungeklärte Rechtslage" (UA 7) mit einem unvermeidbaren Verbotsirrtum begründet.

Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

Die Voraussetzungen für die Annahme eines Verbotsirrtum liegen schon aus Rechtsgründen nicht vor, da der angefochtenen Entscheidung nicht entnommen werden kann, dass die Betroffene überhaupt einem Irrtum unterlegen ist, und auf welchen konkreten Auskünften dieser Irrtum beruhen soll. Ob die Betroffene verpflichtet gewesen wäre, das Ausscheiden des damaligen Vorstandsvorsitzenden Prof. A aus dem Unternehmen zum 31. Dezember 2005 schon vor dem Aufsichtsratsbeschluss vom 28. Juli 2005 bekannt zu geben, ist mangels hinreichender Feststellung durch das Amtsgericht, für das Rechtsbeschwerdegericht nicht prüfbar, zumal die pauschale Bezugnahme (§ 267 StPO) auf den Bußgeldbescheid, in der vorgenommenen Art und Weise unzulässig ist (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Bezugnahme 1, 3; BGH NStZ-RR 2000, 304). Die Sache muss daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.

II.

Die mitgeteilten Rechtansichten der Beteiligten geben Anlass zu folgendem Hinweis:

Die §§ 13, 15 WpHG beruhen auf der durch die im Anlegerschutzverbesserungsgesetzt vom 1. Juli 2004 (BGBl. I, S.2630) umgesetzten Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG sowie der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG mit dem Ziel, den Missbrauch von Insiderwissen durch führzeitige Informationspflichten zu vermeiden. Nach dem insoweit neu gefassten Gesetzeswortlaut erstreckt sich die unverzügliche Veröffentlichungspflicht von Insiderinformationen i.S.d. § 13 WphG nicht mehr wie in der bis 29. Oktober 2004 gültigen Fassung nur auf die Ergebnisse abgeschlossener Entscheidungsprozesse, sondern gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG n.F. schon auf konkrete interne Informationen die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten werden. Damit sind auch Umstände aus dem Vorfeld einer Entscheidung erfasst, wie z.B. Pläne, Vorhaben und Absichten einer Person, wenn diese internen Informationen im Falle ihres Bekanntwerdens geeignet sind, den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen, was dann der Fall ist, wenn die Informationen von einem verständigen Anleger bei seinen Anlageentscheidung berücksichtigt würden. Davon sind nicht veröffentlichungspflichtige subjektive Wertungen und Gerüchte abzugrenzen, zumal der Markt durch sie gerade nicht beeinflusst werden soll (vgl. Begr. RE BT-Drucks 15/3174 S. 34).

Bezogen auf den vorliegenden "Vorstandswechsel", bedeutet dies, dass es für die Publizitätspflicht des...

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