Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwertbarkeit von Zeugenaussagen aus einem anderen Rechtsstreit. Umfang der Aufsichtspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schriftliche Aussagen sowie Protokolle über die Aussagen von Zeugen in einem anderen Verfahren können im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, wenn die beweispflichtige Partei dies beantragt hat und nicht eine Partei zum Zwecke des unmittelbaren Beweises die Vernehmung des Zeugen beantragt hat.

2. Einer Urkunde über die frühere Vernehmung eines Zeugen in einem anderen Verfahren kommt regelmäßig ein geringerer Beweiswert zu als dem unmittelbaren Zeugenbeweis. Eine Verwertung polizeilicher Vernehmungsprotokolle aus einem Ermittlungs- oder Strafverfahren im Wege des Urkundenbeweis ist dann nicht zulässig, wenn es sich um Protokolle handelt, die aus Verfahrensgründen nicht verwertet werden dürfen (z.B. wegen unterlassener Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht).

3. Welche Maßnahme der nach § 832 Abs. 1 BGB Aufsichtpflichtige im Rahmen seiner gesetzlichen oder durch Vertrag übernommenen Verpflichtungen zu ergreifen hat, um zu einer Entlastung zu gelangen, kann nur unter Würdigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (Anschluss an BGH, Urteil vom 24. März 2009, VI ZR 199/08, NJW 2009, 1954).

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Entscheidung vom 31.03.2009; Aktenzeichen 8 O 59/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.03.2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg

- Az: 8 O 59/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beklagten, Eltern des am 06.09.1999 geborenen N… S…, werden von der Klägerin wegen der Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht im Zusammenhang mit einem nach klägerischer Behauptung von N… S… am 05.09.2007 gelegten Brand auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Nach der Darstellung der Klägerin, die an der Katholischen Grundschule in der H…straße in D… Dachdeckerarbeiten durchgeführt hatte und zu diesem Zweck Baumaterialien auf dem Schulhof gelagert hatte, soll der damals fast 8 Jahre alte N… S… mittels eines Feuerzeuges die auf dem Schulhof gelagerten Baumaterialien in Brand gesetzt haben. Den Brandschaden hat die Klägerin mit 14.672,28 € beziffert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und Beiziehung der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft die Beklagten antragsgemäß als Gesamtschuldner zur Zahlung von 14.672,28 € nebst gesetzlichen Zinsen seit dem 11.09.2008 verurteilt. Diese Entscheidung hat es im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen begründet:

Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass N… S… die Baumaterialien der Klägerin in Brand gesetzt und damit widerrechtlich zerstört habe. Hierbei hat sich das Landgericht auf die Bekundungen der Zeugen N… B…, N… G… und der Zeugin L… gestützt (GA 116 - 119 oben). Für die Täterschaft des N… S… spreche auch dessen polizeiliche Vernehmung sowie die seiner Schwester V…. Der Inhalt der diesbezüglichen Protokolle sei zulässigerweise Gegenstand der Beweisaufnahme, ohne dass es einer persönlichen Vernehmung der Zeugen bedurft habe (i.E. GA 119).

Die insoweit darlegungsbelasteten Beklagten hätten trotz Hinweises nicht ausreichend dargelegt, dass sie ihre Aufsichtspflicht gegenüber N… erfüllt hätten oder der Schaden auch bei gehöriger Erfüllung der Aufsichtspflicht eingetreten wäre (GA 120). Sie hätten bereits nicht dargelegt, dass überhaupt irgendeine Art von Beaufsichtigung des N… stattgefunden habe. Zwar sei es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn sich ein Kind im Grundschulalter in der Nähe seines Wohnhauses unbegleitet in ein ihm bekanntes Jugendzentrum begebe und dort unter Betreuung den Nachmittag verbringe. Erforderlich sei jedoch bei einem 7-8 jährigen, dass entweder eine durchgehende Betreuung durch das Jugendzentrum gewährleistet sei oder aber - im Fall dass diese fehle - ein zeitlicher Rahmen mit der Möglichkeit der Kontrolle durch die Eltern gesetzt worden sei. Eine ausreichende Wahrnehmung der elterlichen Aufsichtspflicht liege dann nicht vor, wenn das Grundschulkind, wenn auch teilweise unter Betreuung, im Übrigen den ganzen Nachmittag sich selbst überlassen werde. Von einem solchen Fall ist das Landgericht mit näherer Begründung (GA 120ff) ausgegangen.

Auf der Grundlage der Aussage des Zeugen N… in Zusammenhang mit den vorgelegten Rechnungen und Stundenzetteln hat das Landgericht es als erwiesen erachtet, dass die von der Klägerin aufgelisteten Kosten ursächlich aufgrund des Brandes entstanden seien (i.E. GA 121).

Gegen diese Entscheidung richtet die Berufung der Beklagten, mit der diese die Abänderung des landgerichtlichen Urteils und Abweisung der Klage erstreben. Zur Begrün...

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