Leitsatz (amtlich)

1. Veräußert eine Bank fremde Zertifikate zu einem über den Einkaufspreis liegenden Festpreis im Wege des Eigengeschäfts nach § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG, liegt keine aufklärungspflichtige Rückvergütung im Sinne der kick back-Rechtsprechung des BGH vor. Erbringt sie hingegen Wertpapierdienstleistungen i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 WpHG, gehört es zu einer objektgerechten Anlageberatung, den Kunden darüber zu informieren, dass und in welcher Höhe sie finanzielle Zuwendungen von dem Emittenten erhält. Dies gilt auch bei einer Festpreisvereinbarung.

2. Eine kurzfristige Einbuchung bei der Bank qualifiziert den Veräußerungsvorgang nach nicht als Eigengeschäft i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 2 WpHG. Wartet die Bank zunächst die Order ihrer Kunden ab und besorgt sie anschließend die bestellten Wertpapiere beim Emittenten, liegt ein Dreiecksverhältnis im Sinne der Entscheidungen des BGH vom 27.9.2011 (XI ZR 178/10 und XI ZR 182/10, NJW 2012, 66 = WM 2011, 2268 = ZIP 2011, 2237) und damit eine Wertpapierdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 WpHG vor.

3. Bietet die Bank ein Anlageprodukt eines Emittenten an, der erkennbar zur selben Unternehmensgruppe gehört, entspricht diese Sachlage einem Eigengeschäft im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 WpHG.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 07.02.2011; Aktenzeichen 9 O 1024/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das das Urteil des LG Dresden, Az. 9 O 1024/10, vom 7.2.2011 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.200 EUR Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus den Beteiligungen der Klägerin an den 10 Zertifikaten der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. mit der Bezeichnung "Step-Up Express Zertifikat" (ISIN DE000A0S7D50) nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab 11.6.2010 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an die Klägerin 837,52 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab 11.6.2010 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Rechte aus der Beteiligung der Klägerin an den unter Ziff. 1. genannten Zertifikaten der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. mit der Bezeichnung "Step-Up Express Zertifikat" (ISIN DE000A0S7D50) in Verzug befindet.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 86 % und die Beklagte 14 % zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Klägerin 84 % und die Beklagte 16 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird zugelassen, soweit die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz (oben I.1-3) verurteilt wurde. Im Übrigen wird sie nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 62.195,59 EUR festgesetzt (§§ 47, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO).

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte, die bis 2010 als XYX AG & Co. KGaA firmierte und zur amerikanischen C. gehörte, Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend.

Am 24.10.2005 fand zwischen den Klägerin und dem Zeugen B., einem Mitarbeiter der Beklagten, in einer Filiale der XY in Dresden ein Kundengespräch statt. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt alleinstehend und hatte kein regelmäßiges Einkommen. Sie verfügte bei der XY über ein Tagesgeldkonto, ein Girokonto und ein Wertpapierdepot, in welchem sich Pharmafonds befanden. Weiterhin unterhielt sie bei der N. ein Depot mit Zertifikaten. In der Vergangenheit hatte sie im Zusammenhang mit Anlagegeschäften, die über einen freien Anlagevermittler getätigt wurden, erhebliche Verluste zu verzeichnen.

Bei dem Erstgespräch am 24.10.2005 unterzeichnete die Klägerin einen Eröffnungsantrag für ein Wertpapierdepot und einen Antrag auf Abschluss eines Rahmenvertrages, der der Klägerin ermöglichen sollte, bestimmte von der Beklagten angebotene Dienstleistungen und Produkte rund um die Uhr auch per Telefon oder Online Banking in Anspruch zu nehmen (Anlage B 2 = Anlagenband I Bekl.).

Am 24.11.2005 kam es zu einem erneuten Termin zwischen der Klägerin und dem Zeugen B. Anlässlich dieses Gesprächs wurde bezüglich der Klägerin ein Risikoprofil (Anlage B 3 = Anlagenband I Bekl.) erstellt. Die Klägerin wurde darin mit der Strategie konservativ und einem "Risikoanteil" von maximal 35 % erfasst.

Auf der Grundlage eines weiteren Gesprächs am 10.3.2006 erwarb die Klägerin ein Zertifikat "ABN AMRO Bank N.V. BASK. LKD. CT. V. 06" zu einem Kurswert von 10.300 EUR (Anlage B 6 = Anlagenband I Bekl.; Anlage K 1 = Bl. 19 d.A.). Ferner erfolgte e...

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