Leitsatz (amtlich)

1. Die für ein Stromversorgungsunternehmen bestellte Grunddienstbarkeit für eine Überlandfernleitung hat ihren Zweck endgültig verloren, wenn entsprechend der Anordnung im öffentlich-rechtlichen Raumordnungsverfahren die Leitung in andere Flächen verlegt und die Leitung nebst Masten im bisherigen Verlauf beseitigt sind. Der Grundeigentümer hat dann Anspruch auf Bewilligung der Löschung der Grunddienstbarkeit.

2. Der Grundeigentümer kann grundsätzlich die Entfernung der funktionslos gewordenen Leitung nebst allen Bestandteilen, also auch der Fundamente der Leitungsmasten, von demjenigen verlangen, der die Anlage hält und durch dessen maßgebenden Willen der sein Eigentum beeinträchtigende Zustand aufrecht erhalten wird (Anschluss an BGH v. 24.1.2003 - V ZR 175/02, BGHReport 2003, 477 = NJW-RR 2003, 953 = NZM 2003, 772). Der Beseitigungsanspruch besteht aber nur in den Grenzen der §§ 242, 226 BGB und setzt eine wesentliche Beeinträchtigung voraus. Daran fehlt es, wenn Leitung und Masten vollständig und die Fundamente der Masten bis in eine Tiefe von 1,50 m entfernt sind, für die Beseitigung der in größerer Tiefe befindlichen Fundamentreste von 3 Masten Kosten von mindestens 25.000 Euro entstehen, andererseits von dem Verbleiben der Fundamentreste im Boden nur auf 0,0083 % der Ackerfläche Beeinträchtigungen der Vegetation zu befürchten wären und sich das Stromversorgungsunternehmen verpflichtet hat, für solche Beeinträchtigungen ggf. Ersatz zu leisten.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 19.12.2003; Aktenzeichen 8 O 257/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung ihres weiter gehenden Rechtsmittels wird das am 19.12.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG Hannover teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, ggü. dem Grundbuchamt beim AG W. zum Grundbuch von G. Bl. ... folgende Willenserklärung abzugeben: "Wir bewilligen die Löschung der Last."

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits aus beiden Rechtszügen haben die Klägerin 90 % und die Beklagte 10 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Abgabe einer Willenserklärung ggü. dem Grundbuchamt gerichtet auf Löschung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sowie die vollständige Entfernung von Betonfundamenten auf ihrem Grundstück, die aus einer früheren Stromfernleitung der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin stammen. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des LG (S. 2-6, Bl. 109-113 d.A.) Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin auf Löschung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit bestehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Insbesondere sei die beschränkte persönliche Dienstbarkeit infolge des zwischenzeitlichen Entfernens der Leitung im oberirdischen Bereich und in einer Tiefe bis zu 1),50 m im Erdreich nicht durch dauernden Vorteilswegfall erloschen. Das sei nämlich nur der Fall, wenn die Dienstbarkeit keinen erlaubten Vorteil für irgendjemanden mehr biete. Da § 1019 BGB auf die beschränkt persönliche Dienstbarkeit wegen fehlender Verweisung in § 1090 Abs. 2 BGB unanwendbar sei, sei nicht auf einen Vorteil i.S.d. § 1019 BGB abzustellen. Vielmehr genüge jeder eigene oder fremde Vorteil, an dessen Erreichung ein rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse bestehe, wobei sogar eine bloße Annehmlichkeit genüge. Im vorliegenden Fall liege die Belassung der Fundamente im Boden wegen der erheblichen, zur Höhe von 25.000 Euro unstreitigen Beseitigungskosten im wirtschaftlichen Interesse der Beklagten.

Ein Anspruch der Klägerin auf Beseitigung der Fundamente bestehe selbst dann nicht, wenn man einen Anspruch der Klägerin auf Löschung der Dienstbarkeit bejahe. Denn das Beseitigungsverlangen der Klägerin sei jedenfalls als rechtsmissbräuchlich anzusehen, weil die Beseitigung der Fundamente nur mit unverhältnismäßigem, nach Abwägung der Interessen der Beteiligten der Beklagten jedenfalls billigerweise nicht zuzumutenden Aufwendungen verbunden sei. Denn selbst wenn man den Vortrag der Klägerin hinsichtlich der Störung des Wasserhaushalts und verminderter Ernteerträge als richtig zugrunde lege, sei insgesamt durch das Verbleiben der Fundamentreste im Erdreich eine so geringfügige Fläche be...

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