Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassungsanspruch betreffend Abbildung eines Polizeibeamten im Dienst

 

Leitsatz (amtlich)

Die Veröffentlichung der Abbildung eines Polizeibeamten im Dienst kann dessen Persönlichkeitsrechte auch bei einer Verwendung im Rahmen einer Presseberichterstattung verletzen, wenn der Beamte unschwer identifiziert werden kann, ein besonderes Informationsinteresse gerade an seiner Person nicht besteht und die Veröffentlichung den Beamten in nachvollziehbarer Weise zur Zielscheibe verbaler oder tätlicher Angriffe machen kann.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; KunstUrhG §§ 22-23

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Urteil vom 07.07.2020; Aktenzeichen 3 O 393/19)

 

Tenor

1. Das angefochtene Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 7. Juli 2020 wird auf die Berufung der Beklagten hin teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, jeweils vollstreckbar an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen, ohne Einwilligung des Klägers Bildnisse des Klägers vom Polizeieinsatz vom 19. November 2016 in E. ("Wildschwein-Jagd") in jeglicher Form zu verbreiten und/oder öffentlich zur Schau zu stellen, sofern der Kläger auf den Bildnissen identifizierbar ist und dies wie in den - diesem Urteil jeweils in Ablichtung beigefügten - Anlagen K1 bis K4 zur Klageschrift und in den Anlagen zur Berufungsbegründung Bl. 334 und 336 d. A. geschieht.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Verbreitung der im Klageantrag zu Ziffer 1 genannten Bildnisse entstanden ist oder noch entstehen wird.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.393,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung der Beklagten sowie die Berufung des Klägers werden zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 81 % und die Beklagte zu 19 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger wegen des Unterlassungstenors aber nur gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 10.000 EUR. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung von Zahlungsansprüchen durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils für die jeweils andere Partei vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren sowie der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren werden auf bis zu 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger ist Polizeibeamter. Er nahm im November 2016 an einem Einsatz in E. teil, weil dort Gefahr von einer aggressiven Wildschweinrotte ausging. Nachdem es nicht geglückt war, die Tiere durch einen Jäger mit Betäubungspfeilen zu betäuben, setzte die Polizei - nicht allerdings der Kläger selbst - Maschinenpistolen ein. Eines der Tiere wurde getötet. Während des Einsatzes wurde - neben vielen anderen Bildern - ein Foto gefertigt, das den Kläger mit einer Maschinenpistole in den Händen zeigt. Wegen der Einzelheiten wird auf das diesem Urteil als Anlage beigefügte Foto Bezug genommen. Die Beklagte, die den Online-Auftritt der Bild-Zeitung betreibt, verwendete dieses Foto ohne Einwilligung des Klägers in verschiedenen Veröffentlichungen, unter anderem als Foto eines Online-Artikels über den Einsatz, als Startbild eines Videos sowie in der Übersicht "Top-Videos". Das Ereignis selbst war Gegenstand einer breiten Berichterstattung auch in anderen Medien.

Der Kläger begehrt insbesondere die Unterlassung der Veröffentlichung dieses Fotos, soweit er darauf identifizierbar ist, die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten sowie deren Verurteilung zur Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Geldentschädigung.

Der Kläger behauptet, dieses Foto habe Verbreitung auch in nichtöffentlichen Bereichen des Internets gefunden, wo es weiterhin von dortigen Teilnehmern abgerufen werden könne. Er sei aufgrund der Veröffentlichung des Fotos und des Videos von vielen Seiten auf den Polizeieinsatz angesprochen und teilweise geradezu angefeindet worden. Das Foto sei auch in geschlossenen Benutzergruppen im Internet aufgetaucht, die von gewaltbereiten Salafisten betrieben würden, unter anderem in Form der als Anlage K 10 vorgelegten Fotomontage, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird. Er habe eine dienstliche Warnung erhalten, dass deshalb ein Anschlag auf ihn drohen könne. Er ist der Auffassung, die Geldentschädigung aufgrund der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts sei insbesondere unter Berücksichtigung s...

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