Leitsatz (amtlich)

1. Der vorläufige Verwalter ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wird ohne eine ausdrückliche Anordnung des Insolvenzgerichts nicht Besitzer des Vermögens des Schuldners oder auch nur einzelner Vermögensgegenstände.

2. Die Entscheidung über die Rückgabe der Mietsache nach fristloser Kündigung wegen im Eröffnungsverfahren aufgelaufener Zahlungsrückstände obliegt auch bei einer vorläufigen Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt weiter dem Schuldner; Erklärungen des vorläufigen Verwalters im Hinblick auf das Mietverhältnis haben für den Schuldner allenfalls den Charakter von Empfehlungen (Anschluss an BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, MDR 2002, 1454 = BGHReport 2002, 953 = ZInsO 2002, 819).

 

Normenkette

InsO §§ 21-22; BGB § 543

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Aktenzeichen 4 O 428/02)

 

Tenor

Der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Verden vom 31.10.2002 wird auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten vom 14.11.2002 dahingehend geändert, dass der Verfügungskläger die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Der Verfügungskläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 2.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Verfügungskläger ist Insolvenzverwalter in dem am 1.9.2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W.-GmbH, die für ihren Geschäftsbetrieb Gewerberäume von der Verfügungsbeklagten gemietet hatte. Mit Beschluss vom 26.6.2002 war der Verfügungskläger zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der W.-GmbH bestellt worden, wobei das Insolvenzgericht angeordnet hatte, dass Verfügungen der Schuldnerin und Antragstellerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sein sollten. Nachdem der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin im Eröffnungsverfahren zunächst fortgeführt worden war, beschlossen der Verfügungskläger und der Geschäftsführer der Schuldnerin während des Eröffnungsverfahrens, den Geschäftsbetrieb am 31.8.2002 einzustellen und die Arbeitnehmer der Schuldnerin von diesem Zeitpunkt an freizustellen. Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens der Schuldnerin sollten zunächst in den gemieteten Räumen bleiben, um diese einer späteren Verwertung zuzuführen. Nachdem die Schuldnerin auch während des Eröffnungsverfahrens einschließlich der Zeit der vorläufigen Verwaltung keinen Mietzins mehr an die Verfügungsbeklagte gezahlt hatte, übergab deren Komplementär am 29. oder 30.8.2002 dem Geschäftsführer die fristlose Kündigung und forderte diesen zur Herausgabe der Mieträume auf. Dieser Aufforderung kam der Geschäftsführer der Schuldnerin, der allerdings den Zutritt zu den gemieteten Räumen behalten sollte, sogleich durch Übergabe seines Generalschlüssels an den Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten nach.

Als ein Mitarbeiter des Verfügungsklägers am 4.9.2002 die Geschäftsräume betrat, fand er dort die früheren Arbeitnehmer der Schuldnerin vor, die erklärten, nunmehr von der Verfügungsbeklagten beschäftigt zu werden und für diese zu arbeiten. Da die Aufforderung des Mitarbeiters des Verfügungsklägers, diese Tätigkeit in den gemieteten Räumen unverzüglich zu beenden, nicht befolgt wurde, stellte der Verfügungskläger am 6.9.2002 den Antrag, die Mieträume an ihn herauszugeben. Eine entsprechende Verfügung erließ das LG am 9.9.2002 im Beschlussverfahren ohne mündliche Verhandlung.

Im Verfahren über den Widerspruch der Verfügungsbeklagten gegen diese einstweilige Verfügung haben die Parteien u.a. über die Frage gestritten, ob der Geschäftsführer der Schuldnerin während des Eröffnungsverfahrens berechtigt war, die Kündigung der Verfügungsbeklagten entgegen zu nehmen und die Räume an diese herauszugeben. In der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2002 haben die Parteien sodann die Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Verfügungsbeklagte zuvor erklärt hatte, die Räume nicht mehr zu nutzen und bereit zu sein, die Schlüssel zu dem Mietobjekt wieder an den Verfügungskläger herauszugeben.

Mit Beschluss vom 31.10.2002 hat das LG die Kosten des einstweiligen Verfahrens überwiegend der Verfügungsbeklagten auferlegt, weil diese – mit Ausnahme eines vom Mietvertrag nicht mehr umfassten Reifenlagers, das für das Beschwerdeverfahren keine Rolle spielt – bei Entscheidung in der Hauptsache mutmaßlich unterlegen wäre. Im Hinblick auf die Bestellung des Verfügungsklägers als vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt sei es ohne jede rechtliche Wirkung gewesen, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin die Kündigung des Vertrages durch den Komplementär der Verfügungsbeklagten akzeptiert und die gemieteten Räume herausgegeben habe. Die Verfügungsbeklagte begründet ihre gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde u.a. mit der Auffassung, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin berechtigt gewesen sei, ohne den Verfügungskläger zu handeln. Verbotene Eigenmacht bei der Wiedererlangung des Besitzes der gemieteten Räume habe deshalb auch nicht vorgelegen.

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