Entscheidungsstichwort (Thema)

sofortige Beschwerde

 

Verfahrensgang

AG Passau (Aktenzeichen Gs 817/05)

 

Nachgehend

OLG München (Beschluss vom 28.10.2005; Aktenzeichen 34 Wx 124/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde gegen die den polizeilichen Gewahrsam bestätigende richterliche Entscheidung v. 07.05.2005 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Beschwerdeführer beantragt die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Freiheitsentziehung am 07.05.2005.

Am 07.05.2005 fand im Stadtgebiet Passau eine Vielzahl von Gedenkveranstaltungen anlässlich „60 Jahre Kriegsende” statt. Eine dieser Veranstaltungen war ab 9.30 Uhr im Rahmen der Enthüllung des Straßenschildes „Arthur-Prasgalla-Steig” in Passau-Hacklberg, Glockenstraße, geplant. Zu dieser Veranstaltung wurden amerikanische Kriegsveteranen und KZ-Überlebende erwartet.

In der Glockenstraße in Passau-Hacklberg hielt sich der Beschwerdeführer zusammen mit … auf. Beide trugen Transparente mit folgenden Aufschriften: „Amerika, no thank you, wir fordern ein Ende des amerikanischen Kulturimperialismus in Deutschland und Europa” und „Good bye Amerika, wir fordern den Abzug der noch verbliebenen 70.000 amerikanischen Besatzungssoldaten aus Deutschland”. Zwischen dem Beschwerdeführer und den Anwesenden entstand sofort eine Diskussion. Die ausländischen Gäste äußerten ihr Unverständnis über die gezeigten Transparente.

Die Beamten der Zivilen Einsatzgruppe versuchten deeskalierend einzuschreiten. … bestand aber darauf, sich überall mit Transparenten aufstellen zu dürfen. Er sah sich nicht veranlasst, seinen Standort zu wechseln. Der Beschwerdeführer und … wurden daraufhin in Gewahrsam genommen. Es erfolgte eine Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß Art. 18, 66 Ziff. 2 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz.

Der telefonisch informierte Bereitschaftsrichter des Amtsgerichts Passau bestätigte die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung bis zum Ende der Veranstaltung um 12.00 Uhr. Der Beschwerdeführer wurde am 07.05.2005 um 12.00 Uhr nach Aushändigung einer Rechtsbehelfsbelehrung aus dem polizeilichen Gewahrsam entlassen.

Gegen diese Ingewahrsamnahme wendet sich der Beschwerdeführer mit Schreiben v. 31.05.2005 (eingegangen am selben Tage). Er hält die Maßnahme für unverhältnismäßig. Ein Platzverweis hätte aus seiner Sicht völlig ausgereicht.

Das Amtsgericht Passau hat das Schreiben des Beschwerdeführers als sofortige Beschwerde ausgelegt und nach Nichtabhilfe das Verfahren dem Landgericht Passau zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beschwerdekammer hat den Beschwerdeführer zum Beschwerdeverfahren angehört und die dem Beschwerdeführer ausgehändigte Rechtsbehelfsbelehrung bei der Polizeiinspektion Passau eingeholt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde gegen die Ingewahrsamnahme ist (zumindest) unbegründet.

1. Die sofortige Beschwerde gegen die richterlich bestätigte Ingewahrsamnahme (gemäß Art. 18 I PAG) ist statthaft.

Das Rechtsmittel ist auch nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus den Gewahrsam nicht wegen weggefallener Beschwer oder prozessualer Überholung unzulässig (BVerfG NJW 1997, 2163). Bei einer polizeilichen Ingewahrsamnahme liegt regelmäßig ein berechtigtes Feststellungsinteresse wegen des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs vor (BayObLG, BayVBl 1998, 410), was die Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde rechtfertigt.

2. Nach der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die Beschwerdefrist auch gewahrt.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers gilt keine einmonatige Frist zur Einlegung des Rechtsmittels. Art. 18 II PAG kommt nicht zur Anwendung. Art. 18 II PAG regelt nur das gerichtliche Verfahren für den Fall, dass die Freiheitsentziehung beendet wurde, bevor eine gerichtliche Entscheidung erging. Im vorliegenden Fall wurde unverzüglich die Ingewahrsamnahme durch den zuständigen Richter am Amtsgericht bestätigt und dessen Entscheidung dem Beschwerdeführer mitgeteilt.

Eine sofortige. Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts hätte somit innerhalb einer Frist von zwei Wochen eingelegt werden müssen (Art. 18 I, III 3 PAG i.V.m. §§ 3 S. 2, 7 FEZG; § 22 I FGG). Die Beschwerdeschrift v. 31.05.2005 (eingegangen am selben Tage) gegen die Ingewahrsamnahme am 07.05.2005 war folglich verspätet.

Der Beschwerdeführer trägt aber in einem ergänzenden Schreiben vom 21.07.2005 vor, dass die auf der Polizeiinspektion erhaltene Rechtsbehelfsbelehrung eine Frist von einem Monat ausweist. Dieses Schreiben kann als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgelegt werden. Der Antrag ist auch begründet.

unter IV. Nummer 1 enthält die Rechtsbehelfsbelehrung den Hinweis, dass gegen die richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung die sofortige Beschwerde statthaft ist. Die Dauer der Frist und der Fristbeginn sind der Rechtsbehelfsbelehrung aber nicht ausreichend genug zu entnehmen. Es kann folglich nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer unverschuldet aufgrund dieses Umstands die Frist versäumt ...

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