Leitsatz (amtlich)

Es stellt schon ein Ablösen eines Bauteils im Sinne von § 836 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, wenn es zu einer "physikalischen Veränderung" des Bauteils kommt. Hierzu reicht es aus, dass das Bauteil in seinem inneren Zusammenhalt beeinträchtigt wird, sofern eine mechanische Veränderung des Teils stattgefunden hat. So liegt der Fall, wenn eine Dachrinne unter Eis- und Schneelast ihre ursprüngliche Position verlässt, indem sie den Abstand zur Dachtraufe vergrößerte und sich zur Straßenseite neigt.

 

Orientierungssatz

Die Beschädigung durch einen Eisblock, der aus einer Dachrinne fällt, weil sie unter seinem Gewicht nach vorne gebogen wurde, ist grundsätzlich gemäß § 836 Abs. 1 BGB ersatzpflichtig.

 

Verfahrensgang

AG Flensburg (Entscheidung vom 15.09.2010; Aktenzeichen 67 C 50/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15.09.2010, Az.: 67 C 50/10, wird auf ihre Kosten nach einem Streitwert von 969,44 EUR zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Fahrzeugs.

In F. hatte es seit Beginn des Jahres 2010 ergiebige Schneefälle gegeben. Auf dem Dach des Hauses S.-straße 22 in F., dessen Hausverwalterin die Beklagte ist, lag Schnee. Eiszapfen hatten sich nicht gebildet.

Die Klägerin stellte am Abend des 02.02.2010 ihren Pkw Opel Corsa vor dem Hausgrundstück S.-straße 22 ab. Am Nachmittag des 03.02.2010 löste sich vom Dach des Hauses S.-straße 22 ein Eisblock und fiel auf den Pkw der Klägerin. Der Eisblock hatte sich während der Vortage in der Dachrinne gebildet. Die Dachrinne war unter dem Gewicht der Eis- und Schneemaßen nach vorne gebogen und konnte den Eisblock nicht mehr halten, der sich dann aufgrund seines Eigengewichts aus der Dachrinne löste und auf das Fahrzeug fiel.

Die Klägerin forderte die Gebäudeversicherung erfolglos zum Schadensersatz auf. Die Aufwendungen zur Behebung der Fahrzeugschäden betrugen 4.348,05 EUR, die Tätigkeit ihres zur Rechtsverfolgung beauftragten Anwalts kostete sie 446,13 EUR.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe den Zustand der Dachrinne nicht überprüft. Die schwarze Färbung des Eises stamme von Blättern, die nicht aus der Dachrinne entfernt worden seien. Die Beklagte hätte wegen des wochenlangen Schneefalls und der Steilheit des Daches erkennen müssen, dass die Dachrinne des Hauses übermäßig stark beansprucht werde und sie diese, wie es aber erst nach dem Unfall geschehen sei, überprüfen und entlasten müsse. Sie hat gemeint, die Beklagte sei jedenfalls verpflichtet gewesen, durch Warnschilder auf die Gefahr hinzuweisen.

Die Klägerin hat ursprünglich von der Beklagten und von der Gebäudeversicherin den Ersatz des gesamten Fahrzeugschadens begehrt.

Sie hat nach Begleichung des Fahrzeugschadens durch die Fahrzeugversicherin ihre Klage gegen die Gebäudeversicherin zurückgenommen und zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 300,00 EUR Selbstbeteiligung für die Fahrzeugschadenversicherung nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.03.2010 zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Höherstufungsschaden, der ihr aus der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung bei der Provinzial AG aufgrund des Schadensfalls vom 03.02.2010 entstanden ist bzw. noch in Zukunft entstehen wird, zu erstatten,

und an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 446,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem ersten Tag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, das Dach des Hauses S.-straße 22 werde einmal im Monat einer Sichtkontrolle durch ihre Mitarbeiter unterzogen. Dabei seien keine Besonderheiten festgestellt worden, insbesondere seien in der Dachrinne kein Eis und Schnee erkennbar gewesen. Der Schadensverlauf sei untypisch und nicht vorhersehbar gewesen, so dass eine weitergehende Kontrollpflicht nicht bestanden habe.

Das Amtsgericht hat der Klage mit den zuletzt gestellten Anträgen entsprochen. Der Klägerin stehe als Eigentümerin des beschädigten Pkws gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 836, 838 BGB zu. Die Beklagte hafte als Gebäudeunterhaltungspflichtige im Sinne von § 838 BGB für den am Fahrzeug der Klägerin eingetretenen Schaden wie der Grundstückseigentümer.

Der Schaden sei durch die Ablösung der Dachrinne, die Teil des Gebäudes sei, entstanden. Als Ablösung im Sinne von § 836 Abs. 1 Satz 1 BGB sei jede unwillkürliche Aufhebung einer Verbindung eines Teils vom Ganzen zu verstehen, die zuvor durch die sachgerechte Einfügung des Werkteils hergestellt worden sei. Es müsse sich nicht notwendigerweise ein Gebäudeteil vollständig vom Ganzen trennen. Es reiche aus, wenn sich ein Gebäudeteil teilweise loslöse, lockere oder in sich löse oder wenn es nur in seinem inneren Zusammenhang oder Zusammenhalt beeinträchtigt werde. Hierfür reichten auch Aufwärts- und...

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