Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechungswirkung im Kostenfestsetzungsverfahren. Voraussetzungen für eine Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrensüber das Vermögen des Kostenschuldners bei gleichzeitigem Vorliegen einer rechtskräftigen Kostengrundentscheidung zu Gunsten des Schuldners

 

Leitsatz (amtlich)

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners führt gemäß § 240 ZPO zur Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens. Dies gilt auch, wenn eine rechtskräftige Kostengrundentscheidung zu Gunsten des Schuldners vorliegt und lediglich über die Höhe der zur erstattenden Kosten zu entscheiden ist. In diesem Fall kommt das Kostenfestsetzungsverfahren einem „Aktivprozess” des Schuldners gleich. Der Insolvenzverwalter muss insoweit ebenfalls die Möglichkeit haben, sich zunächst einen Überblick über das Verfahren zu schaffen und dessen Aufnahme zu prüfen.

 

Normenkette

ZPO § 240; InsO § 27; RPflG § 11 Abs. 1; ZPO § 104 Abs. 3,, § 567

 

Verfahrensgang

AG Lemgo (Aktenzeichen 14 K 57/10)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist.

Der Schuldnerin werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 731,14 EUR auferlegt

 

Tatbestand

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die nach Aufhebung des Zwangsversteigerungsverfahrens – entsprechend der Kostengrundentscheidung vom 19. November 2010 (Bl. 97 f. d.A.) – von der Gläubigerin der Schuldnerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 731,14 EUR festgesetzt.

Gegen diesen ihr am 10. Januar 2011 zugestellten Beschluss wendet sich die Gläubigerin mit ihrer am 20. Januar 2011 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Ihr Rechtsmittel begründet sie im Wesentlichen damit, dass am 26. Oktober 2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden sei. Der trotz der Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO erlassene Kostenfestetzungsbeschluss sei nichtig.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß den § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 ZPO statthafte und im Übrigen bedenkenfrei zulässige sofortige Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg.

Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben. Das Amtsgericht hat bei seiner Entscheidung nicht bedacht, dass das Kostenfestsetzungsverfahren infolge des am 26. Oktober 2010 über das Vermögen der Schuldnerin eröffneten Insolvenzverfahrens (Ag E3 – Az. 10 IN 102/10) gemäß § 240 ZPO i.V.m. § 27 InsO unterbrochen ist. Nach höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung gilt die Unterbrechungswirkung ebenso für das Kostenfestsetzungsverfahren (zu vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2005 – Az. XII ZB 195/04; OLG München in ZIP 2003, 2318; OLG Stuttgart in ZIP 1998, 2066; OLG Hamm, Beschl. v. 16. August 2004 – Az. 23 W 188/04; KG Berlin, Beschl. v. 18. Januar 2007 – Az. 19 WF 244/06), welches ein selbständiges Verfahren darstellt und vorliegend einem Aktivprozess der Schuldnerin gleichkommt. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird dem Gemeinschuldner grundsätzlich die Verfügungsbefugnis über sein gesamtes Vermögen entzogen und zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung auf den Verwalter übertragen. Der Verlust der Verfügungsbefugnis hat zur Folge, dass der materielle Rechtsträger auch die Prozessführungsbefugnis verliert (zu vgl. Zöller, ZPO, 27. Aufl., vor § 50, Rdnr. 21 m.w.N.). Sinn der gesetzlich in § 240 ZPO vorgesehenen Unterbrechungswirkung ist es, dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit zu geben, sich auf den Rechtsstreit einzurichten. Dies trifft in gleicher Weise auf die Führung eines Kostenfestsetzungsverfahrens zu. Auch wenn hier der Kostenerstattungsanspruch der Schuldnerin aufgrund der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung des Amtsgerichts vom 19. November 2010 bereits feststeht, ist über dessen Höhe erst im Kostenfestsetzungsverfahren zu entscheiden. Auch insoweit muss der Verwalter zunächst die Gelegenheit haben, sich über das Verfahren einen Überblick zu verschaffen und dessen Aufnahme zu prüfen. Eine Fortsetzung des Verfahrens ohne Beteiligung des Insolvenzverwalters scheidet aus.

Von diesen Grundsätzen ausgehend, hätte das Amtsgericht nicht mehr über die Höhe der festzusetzenden Kosten entscheiden dürfen. Die gleichwohl während des Verfahrensstillstandes ergangene Entscheidung ist jedoch nicht nichtig, sondern nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur lediglich mit dem allgemein zulässigen Rechtsmittel anfechtbar (vgl. beispielhaft BGH, Beschl. v. 31. März 2004 – Az. XII ZR 167/00; BGH Beschl. v. 21. Juni 1995 – Az. VIII ZR 224/94; Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschl. v. 2. Dezember 2009 – Az. 6 W 122/09; Zöller, a.a.O., § 240, Rdnr. 3). Dabei kann der Verstoß gegen § 240 ZPO von jeder Partei, mithin auch von der Gegenpartei geltend gemacht werden (zu vg...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge