Leitsatz (amtlich)

1. Der Erlass eines Teilurteils ist unzulässig, wenn sich durch die Möglichkeit einer abw. Entscheidung im Instanzenzug die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ergeben kann. Diese Gefahr besteht, wenn das LG dem Grunde nach ein Leistungsverweigerungsrecht ggü. einem unstreitigen Sicherheitseinbehalt verneint, während das Berufungsgericht ein solches bejahen könnte, was ggf. ggü. der gesamten – einschl. der in erster Instanz noch anhängigen – Klageforderung bestünde.

2. § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B bestimmt die vorzeitige Fälligkeit des Sicherheitseinbehalts. Der Auftraggeber kann die Auszahlung dieses einbehaltenen und nicht auf ein Sperrkonto gezahlten Sicherheitsbetrages verweigern, wenn und soweit ihm bereits ein Leistungsverweigerungsrecht wegen erkannter Mängel zusteht.

 

Normenkette

ZPO § 301; VOB/B § 17 Nr. 6 Abs. 3; BGB § 320

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 94 O 13/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Aufhebung des Vorbehaltsteilurteils des LG Berlin vom 6.6.2001 – 94 O 13/01 – die Sache an das LG auch zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Beklagte erteilte der Klägerin im Sommer 1999 den Auftrag zur Sanierung von zehn Altbauten mit 222 Wohnungen in B.-F.

Die Parteien bezogen die VOB/B ein und vereinbarten zur Sicherung der Erfüllung der Gewährleistungspflichten der Klägerin einen Sicherheitseinbehalt von 5 % der Auftragssumme.

Nach ihrer Kündigung des Vertrages wies die Beklagte bei der Prüfung der Schlussrechnung der Klägerin vom 27.9.2000 einen Betrag von 1.009.849,74 DM als Sicherheitseinbehalt aus. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 9.1.2001 auf, bis zum 19.1.2001 nachzuweisen, dass dieser Betrag auf ein Sperrkonto eingezahlt worden sei, was die Beklagte ablehnte.

Die Beklagte rechnet gegen die Werklohnforderungen der Klägerin auf mit angeblichen Gegenansprüchen wegen Vertragsstrafe i.H.v. 1.009.849,74 DM und wegen Verzugsschadens i.H.v. 750.000 DM. Sie macht ein Leistungsverweigerungsrecht im Werte von inzwischen 12.280.335 Euro (= 24.018.247 DM) wegen nicht vertragsgerecht erbrachter Leistungen geltend.

Die Klägerin, die mit ihrer Klage vor allem ihre restliche Vergütung von knapp 12 Mio. DM begehrt, hat u.a. beantragt, die Beklagte durch Vorbehaltsteilurteil zu verurteilen, an sie 1.009.849,74 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das LG hat der Klage mit diesem Antrag durch Vorbehaltsteilurteil vom 6.6.2001 bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben und das Urteil unter den Vorbehalt der Entscheidung über die von der Beklagten in diesem Rechtsstreit bis dahin geltend gemachte Aufrechnung mit Gegenansprüchen wegen Vertragsstrafe i.H.v. 1.009.849,74 DM und wegen Verzugsschadens i.H.v. 750.000 DM gestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 302 Abs. 1 ZPO lägen vor. Die Klägerin habe einen fälligen Anspruch gem. § 631 Abs. 1 BGB i.V.m. mit dem Werkvertrag und § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B. Ein Zurückbehaltungsrecht stehe der Beklagten nicht mehr zu, weil bereits bestehende Mängelbeseitigungsansprüche der Beklagten die Rechtsfolge des § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B nicht wieder aushebeln könnten.

Die Beklagte rügt: Das Teilurteil sei unzulässig. Es habe wegen des Umfangs der Leistungsverweigerungsrechte die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bestanden. Sie habe auch ggü. dem unstreitigen Schlussrechnungssaldo auf § 320 Abs. 1 BGB gestützte Leistungsverweigerungsrechte. Diese hätten Vorrang vor der Obliegenheit zur Hinterlegung des Gewährleistungseinbehalts. Bei voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten für Erfüllungs- und Gewährleistungsmängel von nunmehr insgesamt 12.380.335 Euro sei die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen offensichtlich.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das LG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin erwidert, wegen der Regelung des § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B könne die Beklagte sich auf Leistungsverweigerungsrechte nicht berufen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat Erfolg.

Unter Aufhebung des angefochtenen Vorbehaltsteilurteils ist die Sache an das LG zurückzuverweisen, weil das Verfahren des ersten Rechtszuges an einem wesentlichen Mangel leidet, § 539 ZPO a.F.

I. Das Vorbehaltsteilurteil ist ein unzulässiges Teilurteil, da die Voraussetzungen des § 301 ZPO nicht vorliegen.

1. Das Teilurteil ist wegen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen unzulässig (vgl. BGH v. 20.7.2001 – V ZR 170/00, MDR 2001, 1433 = BGHReport 2001, 977 = NJW 2002, 302 [303] m.w.N.). Sich widersprechende Entscheidungen sind insb. zu befürchten bei einem ggü. dem vollen Anspruch bestehenden Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 BGB (vgl. Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 301 ZPO Rz. 9). Ist wegen einer Gege...

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