In letzter Zeit häufen sich die Schäden durch sturmbedingtes Ablösen von Gebäudeteilen. Hier haben die Hausbesitzer fast immer schlechte Karten: Ob Dachantenne[1], Dachgrenzmauer[2], Dachziegel[3] oder Dachpappe eines Flachdachs[4] – in keinem Fall konnten sie den Entlastungsbeweis antreten, da sie nach Auffassung der Gerichte nicht alle zumutbaren Sicherungsmaßnahmen und Überprüfungen vorgenommen hatten.

Außergewöhnliche Naturereignisse

Nur bei außergewöhnlichen Naturereignissen wie Blitzschlag, heftiger Wolkenbruch usw. wird im Allgemeinen das Ablösen von Gebäudeteilen nicht auf fehlerhafte Errichtung oder unzureichende Wartung des Gebäudes zurückzuführen sein. Anders liegt der Fall bei – auch besonders starken – Sturmböen. Ein Hausbesitzer muss auch ungewöhnliche, aber mögliche Sturmstärken in seine Betrachtung einbeziehen und entsprechende Vorsorge für die Festigkeit der Gebäudeteile treffen.[5]

Rechtsprechung

Wie schwierig die Frage der Beweiserleichterung und Widerlegung des Anscheinsbeweises im Rahmen des § 836 BGB zu beurteilen ist, zeigen die unterschiedlichen Gerichtsentscheidungen, die durch den schweren Sturm "Lothar" im Jahr 1999 verursachte Schadensfälle betreffen. Manche Gerichte meinen, die bei diesem "Jahrhundertsturm" gemessenen Windgeschwindigkeiten von über 150 km/h seien (ausnahmsweise) geeignet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern.[6]

Inzwischen mehren sich allerdings solche "Jahrhundertstürme". Daher wird überwiegend die Auffassung vertreten, ein derartiger Orkan stelle kein Naturereignis dar, dem auch ein fehlerfrei errichtetes oder sorgfältig unterhaltenes Gebäude nicht standzuhalten vermag.[7] Das gilt insbesondere, wenn lediglich einzelne Orkanböen auftreten.[8]

 
Hinweis

Windstärke maßgeblich

Allerdings kristallisiert sich als Grundsatz der Rechtsprechung heraus, dass ein den Hausbesitzer entlastendes außergewöhnliches Naturereignis anerkannt wird bei Windstärken ab einem mittleren Bereich von 14 Beaufort (von 17 möglichen Stufen).[9]

[1] OLG Köln, Urteil v. 31.7.1991, 2 U 17/91, VersR 1992 S. 1018.
[2] BGH, Urteil v. 7.10.1975, VI ZR 103/74, VersR 1976 S. 66.
[3] OLG Frankfurt, Urteil v. 5.7.1991, 25 U 27/91, NJW-RR 1992 S. 164; OLG Düsseldorf, Urteil v. 20.3.1992, 22 U 120/91, NJW-RR 1992 S. 1440.
[5] BGH, Urteil v. 23.3.1993, VI ZR 176/92, NJW 1993 S. 1782; BGH, Urteil v. 7.10.1975, VI ZR 103/74, VersR 1976 S. 66.
[7] LG Offenburg, Urteil v. 4.12.2001, 1 S 117/01, NJW-RR 2002 S. 596; LG Baden-Baden, Urteil v. 26.4.2002, 2 S 14/02, VersR 2003 S. 517 (Leitsatz); OLG Koblenz, Urteil v. 5.7.2002, 10 U 251/02, VersR 2003 S. 517 (Leitsatz); OLG Köln, Urteil v. 5.2.2004, 12 U 112/03, VersR 2005 S. 512.
[8] LG Hanau, Urteil v. 5.10.2012, 9 O 280/12, BeckRS 2013, 22176; AG Dachau, Urteil v. 2.9.2008, 3 C 748/08, NZM 2009 S. 456.
[9] OLG Stuttgart, Urteil v. 23.11.2016, 4 U 97/16, NJW-RR 2017 S. 793; LG Flensburg, Urteil v. 29.4.2016, 1 S 63/15, VersR 2017 S. 236; LG Dortmund, Urteil v. 27.4.2017, 11 S 72/16, BeckRS 2017, 118230 m. w. N..

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