Durch Gebäudeaufstockung könnten in Deutschland Tausende neue Wohnungen geschaffen werden – und das Potenzial wird immer größer, wie neue Studien verdeutlichen. Zudem wäre Nachverdichtung klimafreundlicher als neues Bauland zu erschließen.

Allein im Rhein-Main-Gebiet könnten durch die Aufstockung von Gebäuden 250.000 neue Wohnungen entstehen. Neues Bauland zu erschließen, sei nur begrenzt möglich und nicht mit den deutschen Klimaschutzzielen vereinbar, erklärte der Vorsitzende des Eigentümerverbands Haus & Grund Hessen, Christian Streim. Durch Aufstockungen könnten neue Wohnungen ohne jeglichen Flächenverbrauch und teure Erschließungsarbeiten entstehen.

Der Verbandschef berief sich bei den Schätzungen nach eigenen Angaben auf wissenschaftliche Daten von Professor Karsten Tichelmann von der Technischen Universität (TU) Darmstadt. Demnach werde das beschriebene Potenzial größer, während die Diskrepanz zwischen vorhandenem Wohnraumangebot und der stetig wachsenden Nachfrage. Es sei an der Zeit, das brachliegende Potenzial in Hessen für neuen Wohnraum ohne jeglichen Flächenverbrauch, Versiegelung und Erschließung zu nutzen.

Aufstockung von Bestandshäusern: Günstiger als Neubau

Vor allem für private Bauherren stelle die Aufstockung eine attraktive Alternative zum Neubau eines Hauses dar: "Sie erfordert weniger Baumaterial, das derzeit knapp und teuer ist, und senkt zudem den Energiebedarf des darunter liegenden Gebäudes", ergänzte Streim. Gefördert werden könnte das Potenzial in Hessen durch folgende Maßnahmen, die auch Blaupause für Deutschland sein könnten:

  • Baugenehmigungsfiktion: Nach vollständigem Vorliegen der Antragsunterlagen hat die Behörde 2 Monate Zeit, um über den Antrag zu entscheiden. Nach dieser Zeit gilt der Antrag auch ohne Entscheidung als genehmigt.
  • Zentrale Anlaufstelle: Eine Einrichtung bietet in technisch-rechtlichen Fragen zum Bauantrag Unterstützung für alle, die aufstocken wollen.
  • Dachgeschossausbauten können ohne Baugenehmigung erfolgen.
  • Entfall der Stellplatzablöse für Aufstockungen und Dachgeschossausbau.
  • Fördertopf für Aufstockungen und Dachgeschossausbau in Kommunen "mit angespannten Wohnungsmärkten".
  • Dauerhafter Wegfall mietpreisregulierender- und kündigungsbeschränkender Vorschriften bei neuem Wohnraum, der durch Aufstockung und Dachgeschossausbau entstanden ist.

Berlin: Bis zu 8.000 Wohnungen durch Aufstockung

Auch die Wohnungsnot in Berlin könnte durch Aufstockung wesentlich gelindert werden. Das Potenzial beträgt zwischen 430.000 und 510.000 Quadratmeter Geschossfläche – das entspricht 7.000 bis 8.000 Wohnungen mit einer Wohnfläche von 50 Quadratmetern, wie eine Analyse von Syte, Probis, Price Hubble und Liwood zeigt. Die größten Potenziale böten die Bezirke Neukölln (bis zu 1.167 Wohnungen), Tempelhof-Schöneberg (bis zu 906 Wohnungen) und Pankow (bis zu 834 Wohnungen).

"Die Aufstockung und Sanierung von bestehenden Gebäuden bietet die Möglichkeit, ohne weitere Bodenversiegelung zusätzlichen innerstädtischen Wohnraum zu schaffen", sagte Matthias Zühlke, Gründer und CEO von Syte. Identifiziert wurden Bestandsgebäude mit Flachdach und gering geneigtem Dach, die ein oder mehr Geschosse weniger als ihre Nachbarbebauung aufweisen. Zusätzlich mussten die Gebäude auf Grundstücken mit Wohn- oder gemischter Nutzung liegen und durften nicht mehr als 7 Geschosse haben – Grund ist die Berliner Hochhausrichtlinie.

Daran, dass Aufstockung gegenüber Neubau die nachhaltigere Alternative ist, erinnerte auch Stefan Stenzel, Leiter der Projektentwicklung bei Liwood: "Während zur Herstellung von Beton große Mengen an Energie benötigt und entsprechend viel CO2 ausgestoßen wird, speichert Holz Kohlenstoff." Aus energetischer Perspektive verbessere das Aufsetzen eines neuen Dachgeschosses zusätzlich die Effizienz deutlich, insbesondere bei unsanierten Bestandsgebäuden.

Trotz der gestiegenen Baukosten zeige das Mietpotenzial nach Aufstockung, dass sich für Bestandshalter der Ausbau weiterhin rentiere, sagte Christian Crain, Geschäftsführer Deutschland bei Price Hubble. Er schätzt die erzielbaren Kaltmieten zwischen 14,50 EUR pro Quadratmeter in zentrumsfernen Lagen bis hin zu 28,00 EUR pro Quadratmeter in der Innenstadt. Bei entsprechender Förderung durch die Stadt Berlin könne so auch preisgünstiger Mietwohnungsbau geschaffen werden.

Nachverdichtung sei auch aus städtebaulicher Perspektive die kostengünstigere Variante, so Moritz Koppe, CEO von Probis. Baukostensenkend wirkten dabei unter anderem die kurze Planungs- und Bauzeit. Da in der Regel nach § 34 BauGB gebaut werde, entfalle ein langwieriger Planungsprozess.

Baurecht schmälert Potenzial von Aufstockungen

Dass die Rahmenbedingungen auf kommunaler Ebene sowie auf Landes- und Bundesebene baurechtlich attraktiver werden müssten, um das große Potenzial von Gebäudeaufstockungen zu heben, fordert auch die Wohnungswirtschaft seit Jahren.

So sollten etwa die Regelungen zu Abstandsflächen und Ausgleichsmaßnahmen, zu Stellplatzpflichten und zum Brandschutz flexibler...

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