Der durch den Betrieb von Gast- und Vergnügungsstätten Lärm- und Geruchsbelästigungen ausgesetzte Nachbar ist nicht auf den Rechtsschutz nach öffentlichem Recht beschränkt, sondern kann einen solchen auch nach Zivilrecht geltend machen.

Als Anspruchsgrundlage für einen nachbarrechtlichen Abwehranspruch gegen Lärm- und Geruchsbelästigungen kommt für den Nachbar als Eigentümer eines diesen Einwirkungen ausgesetzten Wohnhauses die sog. Eigentumsstörungsklage (§§ 1004 Abs. 1, 906 Abs. 1 BGB) und als Mieter oder Pächter die sog. Besitzstörungsklage (§§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1, 906 Abs. 1 analog BGB) in Betracht.

Der Anspruch richtet sich gegen den sog. "Störer". Damit ist nicht nur der Eigentümer einer Gast- oder Vergnügungsstätte gemeint. Störer ist vielmehr auch ein Pächter, der für die Betriebsführung verantwortlich ist.[1]

Voraussetzung für die Geltendmachung eines auf diese Vorschriften gestützten Anspruchs ist zunächst, dass nicht nur für die Vergangenheit wesentliche Beeinträchtigungen durch Lärm und Gerüche zu verzeichnen waren, sondern derartige Beeinträchtigungen auch für die Zukunft zu erwarten sind. Das bedeutet mit anderen Worten ebenso wie nach öffentlichem Recht, dass es sich um Einwirkungen von längerer Dauer handeln muss und damit nur gelegentliche Belästigungen, die für die Zukunft nicht mehr zu erwarten sind, außer Betracht bleiben.

Mit der Eigentums- bzw. Besitzstörungsklage können nur wesentliche Einwirkungen der genannten Art abgewehrt werden. Unwesentliche Beeinträchtigungen sind dagegen nicht abwehrbar. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit orientieren sich die Zivilgerichte an den gleichen Standards der Zumutbarkeit von Lärm- und Geruchsbelästigungen wie die Verwaltungsgerichte. Das bedeutet für Lärmbelästigungen, dass im Regelfall durch die Lärmrichtwerte der TA Lärm als sog. normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB die Grenze zwischen zumutbaren und unzumutbaren Lärmeinwirkungen für die Wohnnachbarschaft eines Gast- oder Vergnügungsstättenbetriebs markiert wird. Bei Geruchsbelästigungen orientieren sich auch die Zivilgerichte an Anlage 7 zur TA Luft.[2]

Eine entscheidende Rolle beim nachbarrechtlichen Abwehranspruch spielt noch die Frage, ob die Nutzung des "störenden" Grundstücks als ortsüblich oder als nicht ortsüblich anzusehen ist. Ist eine wesentliche Beeinträchtigung des Nachbarn nämlich auf eine nicht ortsübliche Grundstücksnutzung des "Störers" zurückzuführen, genügt schon diese "gebietsfremde" Nutzungsart, um einen nachbarrechtlichen Abwehranspruch zu begründen. Geht die wesentliche Beeinträchtigung hingegen von einer ortsüblichen Benutzung des "Störergrundstücks" aus, kann sie nur dann abgewehrt werden, wenn sie vom "Störer" durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden könnte, was in der Regel der Fall sein wird. Bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit orientieren sich die Zivilgerichte an der bauplanungsrechtlichen Situation in der näheren Umgebung des "störenden" Betriebs und der sich aus der BauNVO ergebenden unterschiedlichen Schutzwürdigkeit der Nachbarschaft.[3]

Weil die Auswahl unter den mit dem nachbarrechtlichen Abwehranspruch verfolgten geeigneten Abwehrmaßnahmen nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich dem "Störer" überlassen bleiben muss, kann sich der Urteilstenor und damit auch der Klageantrag auf die Vornahme "geeigneter Maßnahmen" beschränken, durch die für das Grundstück/die Wohnung des Klägers wesentliche Beeinträchtigungen durch Einwirkungen bestimmter Art verhindert werden.[4]

Wegen des bei nachbarrechtlichen Abwehrklagen eher niedrigen Streitwerts kann im Allgemeinen von der Zuständigkeit der Amtsgerichte ausgegangen werden.

[2] Bis 1.12.2021 an der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL), die als Orientierungs- und Entscheidungshilfe herangezogen wurde; siehe hierzu oben Kap. 3.2.

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