Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Freier Warenverkehr. Rein innerstaatlicher Sachverhalt. Lebensmittelsicherheit. Grundsatz der Risikoanalyse. Vorsorgeprinzip -Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die die Herstellung und das Inverkehrbringen aminosäurehaltiger Nahrungsergänzungsmittel verbieten. Situation, in der die Erteilung einer befristeten Ausnahmegenehmigung von diesem Verbot in das Ermessen der nationalen Behörde gestellt ist

 

Normenkette

AEUV Art. 34-36; Verordnung (EG) Nr. 1925/2006, Nr. 178/2002 Art. 6-7

 

Beteiligte

Queisser Pharma

Queisser Pharma GmbH & Co. KG

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

Die Art. 6 und 7 der Verordnung Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die das Herstellen oder Behandeln bzw. das Inverkehrbringen eines Nahrungsergänzungsmittels mit Aminosäuren verbietet, sofern nicht hierfür eine im Ermessen der nationalen Behörde liegende Ausnahmegenehmigung erteilt wird, entgegenstehen, wenn diese Rechtsvorschrift auf eine Risikoanalyse gestützt ist, die nur bestimmte Aminosäuren betrifft, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. In jedem Fall sind diese beiden Artikel dahin auszulegen, dass sie einer solchen nationalen Rechtsvorschrift entgegenstehen, wenn diese vorsieht, dass die Ausnahmen von dem Verbot nach dieser Vorschrift selbst dann nur befristet zugelassen werden können, wenn die Unbedenklichkeit eines Stoffes nachgewiesen ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Braunschweig (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Juni 2015, in dem Verfahren

Queisser Pharma GmbH & Co. KG

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter E. Juhász und C. Vajda sowie der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Queisser Pharma GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Meisterernst,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und B. Beutler als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Grünheid und E. Manhaeve als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Juli 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. 2002, L 31, S. 1), der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln (ABl. 2006, L 404, S. 26) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 108/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 (ABl. 2008, L 39, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1925/2006) sowie der Art. 34 bis 36 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Queisser Pharma GmbH & Co. KG (im Folgenden: Queisser Pharma) und der Bundesrepublik Deutschland wegen eines Antrags auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Verbot der Herstellung und des Vertriebs eines die Aminosäure L-Histidin enthaltenden Nahrungsergänzungsmittels.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 178/2002

Rz. 3

Art. 1 der Verordnung Nr. 178/2002 definiert deren Ziel und Anwendungsbereich wie folgt:

„(1) Diese Verordnung schafft die Grundlage für ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit des Menschen und die Verbraucherinteressen bei Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung der Vielfalt des Nahrungsmittelangebots, einschließlich traditioneller Erzeugnisse, wobei ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts gewährleistet wird. In ihr werden einheitliche Grundsätze und Zuständigkeiten, die Voraussetzungen für die Schaffung eines tragfähigen wissenschaftlichen Fundaments und effiziente organisatorische Strukturen und Verfahren zur Untermauerung der Entscheidungsfindung in Fragen der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit festgelegt.

(2) Für die Zwecke von Absatz 1 werden in dieser Verordnung die allgemeinen Grundsätze für Lebensmittel und Futtermittel im Allgemeinen und für die Lebensmittel- und Futt...

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