Entscheidungsstichwort (Thema)

Jahresabschluss, Grundsatz der Bilanzwahrheit, Verbuchung eines Aktienverkaufserlöses

 

Leitsatz (amtlich)

Die Grundsätze der Bilanzwahrheit und der Vorsicht im Sinne von Art. 2 Abs. 3 bzw. Art. 31 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel [50 Absatz 2 Buchstabe g AEUV] über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen in der durch die Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2003 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer Buchungsmethode nicht entgegenstehen, wonach eine Gesellschaft, die ein Aktienoptionsrecht ausgibt, den Veräußerungspreis dieser Option in dem Geschäftsjahr, in dem diese Option ausgeübt wird, oder am Ende der Laufzeit dieser Option als Ertrag verbucht.

 

Normenkette

EWGRL 660/78 Art. 31 Abs. 1 Buchst. c

 

Beteiligte

Immo Chiaradia

Immo Chiaradia SPRL

Docteur De Bruyne SPRL

Belgischer Staat

 

Verfahrensgang

Cour d appel de Mons (Belgien) (Beschluss vom 03.08.2016; Abl.EU 2016, Nr. C 410/5)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Richtlinie 78/660/EWG ‐ Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen ‐ Grundsatz der Bilanzwahrheit ‐ Grundsatz der Vorsicht ‐ Gesellschaft, die eine Aktienoption ausgibt und den Veräußerungspreis dieser Option in dem Geschäftsjahr, in dem diese Option ausgeübt wird, oder am Ende der Laufzeit dieser Option verbucht“

In den verbundenen Rechtssachen C-444/16 und C-445/16

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel de Mons (Berufungsgericht Mons, Belgien) mit Entscheidungen vom 3. August 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 8. August 2016, in den Verfahren

Immo Chiaradia SPRL (C-444/16),

Docteur De Bruyne SPRL (C-445/16)

gegen

État belge

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Juhász, des Richters C. Vajda (Berichterstatter) und der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Immo Chiaradia SPRL und der Docteur De Bruyne SPRL, vertreten durch J.-J. Vandenbroucke, avocat,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Støvlbæk und N. Gossement als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssachen zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel [50 Absatz 2 Buchstabe g AEUV] über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (ABl. 1978, L 222, S. 11) in der durch die Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2003 (ABl. 2003, L 178, S. 16) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 78/660).

Rz. 2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Immo Chiaradia SPRL bzw. der Docteur De Bruyne SPRL einerseits und dem belgischen Staat andererseits über die von den Klägerinnen der Ausgangsverfahren für die Steuerjahre 2006 bzw. 2008 geschuldete Körperschaftsteuer.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 78/660 heißt es:

„… ist es erforderlich, dass hinsichtlich des Umfangs der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben in der Gemeinschaft gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften hergestellt werden“.

Rz. 4

Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 78/660 lautet:

„Der Jahresabschluss hat ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln.“

Rz. 5

Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 78/660 sieht vor:

„Als Rückstellungen sind ihrer Eigenart nach genau umschriebene Verbindlichkeiten auszuweisen, die am Bilanzstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts unbestimmt sind.“

Rz. 6

Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 78/660 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die Bewertung der Posten im Jahresabschluss folgende allgemeine Grundsätze gelten:

c) Der Grundsatz der Vorsicht muss in jedem Fall beachtet werden. Das bedeutet insbesondere:

aa) Nur die am Bilanzstichtag realisierten Gewinne werden ausgewiesen.

bb) Es müssen alle Risiken berücksichtigt werden, die in dem betreffenden Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr entstanden sind, selbst wenn diese Risiken erst zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Aufstellung der Bilanz bekannt geworden sind.

cc) Wertminderungen sind unabhängig davon zu berücksichtigen, ob das Geschäftsjahr mit einem Gewinn oder einem Verlust abschließt.

d) Aufwendungen und Erträge für das Geschäftsjahr, auf das sich der Jahresabschluss bezieht, müssen berücksichtigt werden, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Ausgabe oder Einnahme dieser Aufwendung oder Erträge.

e) Die in den Aktiv- und Passivposten enthaltenen Vermögensgegenstände sin...

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