Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherverträge. Missbräuchliche Klauseln. An eine Fremdwährung gebundenes Hypothekendarlehen. Klausel über die Festlegung des Wechselkurses zwischen den Währungen. Auswirkungen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel. Befugnis des Richters, missbräuchlichen Klauseln durch den Rückgriff auf allgemeine zivilrechtliche Klauseln abzuhelfen. Beurteilung des Verbraucherinteresses. Fortbestand des Vertrags ohne missbräuchliche Klauseln

 

Normenkette

Richtlinie 93/13/EWG

 

Beteiligte

Dziubak

Kamil Dziubak

Justyna Dziubak

Raiffeisen Bank International AG

 

Tenor

1. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass er es einem nationalen Gericht nicht verwehrt, gemäß seinem innerstaatlichen Recht nach Feststellung der Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln eines an eine Fremdwährung gekoppelten Darlehensvertrags mit einem unmittelbar an den Interbankensatz der betreffenden Währung gebundenen Zinssatz zu der Auffassung zu gelangen, dass dieser Vertrag ohne diese Klauseln keinen Fortbestand haben kann, weil ihr Wegfall dazu führen würde, dass sich der Hauptgegenstand dieses Vertrags seiner Art nach ändert.

2. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass zum einen die Folgen für die Situation des Verbrauchers, die sich aus der Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrags als Ganzes ergeben, wie sie im Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C-26/13, C:2014:282), genannt werden, anhand der zum Zeitpunkt des Rechtsstreits bestehenden oder vorhersehbaren Umstände zu beurteilen sind und zum anderen für diese Beurteilung der vom Verbraucher in dieser Hinsicht zum Ausdruck gebrachte Wille entscheidend ist.

3. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass er einer Schließung von Lücken eines Vertrags, die durch den Wegfall der darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln entstanden sind, allein auf der Grundlage von allgemeinen nationalen Vorschriften, die die in einem Rechtsgeschäft zum Ausdruck gebrachten Wirkungen auch nach den Grundsätzen der Billigkeit oder der Verkehrssitte bestimmen und bei denen es sich weder um dispositive Bestimmungen noch um Vorschriften handelt, die im Falle einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbar sind, entgegensteht.

4. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass er das Gericht daran hindert, missbräuchliche Klauseln in einem Vertrag beizubehalten, wenn ihr Wegfall dazu führen würde, dass dieser Vertrag für unwirksam erklärt wird, und es der Auffassung ist, dass diese Feststellung der Unwirksamkeit nachteilige Auswirkungen für den Verbraucher hätte, sofern er einer Beibehaltung der Klauseln nicht zugestimmt hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Okregowy w Warszawie (Bezirksgericht Warschau, Polen) mit Entscheidung vom 26. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 16. April 2018, in dem Verfahren

Kamil Dziubak,

Justyna Dziubak

gegen

Raiffeisen Bank International AG, prowadzący działalność w Polsce w formie oddziału pod nazwą Raiffeisen Bank International AG Oddział w Polsce, ehemals Raiffeisen Bank Polska SA,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), der Richter F. Biltgen, J. Malenovský und C. G. Fernlund sowie der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn und Frau Dziubak, vertreten durch A. Plejewska, adwokat,
  • der Raiffeisen Bank International AG, prowadzący działalność w Polsce w formie oddziału pod nazwą Raiffeisen Bank International Ań Oddział w Polsce, ehemals Raiffeisen Bank Polska SA, vertreten durch R. Cebeliński und I. Stolarski, radcowie prawni,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brandon als Bevollmächtigten im Beistand von A. Howard, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Ruiz García und M. Siekierzyńska als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Mai 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2, Art. 4, Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Kamil Dziubak und Frau Justyna Dziubak (im Folgenden: Kreditnehmer) auf der einen Seite und der Raiffeisen Bank International AG, prowadzący działalność w Polsce w formie oddziału pod nazwą Raiffeisen Bank International AG Oddział w Polsce, ehemals Raiffeisen Bank Polska SA (im Folgenden: Raiffei...

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