Entscheidungsstichwort (Thema)

Sprungrevision. Zustimmung. Niederschrift. Beifügen. Gerichtsakten. Werbeanlage. Baugrenze

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn der Kläger und der Beklagte der Einlegung der Sprungrevision in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zugestimmt haben und die Zustimmung in der Niederschrift über die Sitzung protokolliert ist, muss der Revisionsschrift keine beglaubigte Niederschrift beigefügt werden.

Ist im Bebauungsplan eine Baugrenze festgestellt, so dürfen nicht nur Gebäude und Gebäudeteile, sondern auch alle anderen baulichen Anlagen (hier: Werbeanlagen) diese grundsätzlich nicht überschreiten.

 

Normenkette

VwGO § 134 Abs. 1 S. 3; BauNVO § 23 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

VG Bayreuth (Urteil vom 26.10.2000; Aktenzeichen B 2 K 99.1115)

 

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 26. Oktober 2000 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist ein Unternehmen der Außenwerbung. Sie beantragte im Juli 1999 bei der beklagten Stadt Bayreuth eine Baugenehmigung für die Errichtung von “zwei mal zwei EURO-Tafeln”. Für das Baugrundstück besteht kein qualifizierter Bebauungsplan. Ein einfacher Bebauungsplan setzt eine Straßenbegrenzungslinie und eine davon um etwa 10 m abgesetzte vordere Baugrenze fest. Das Baugrundstück ist im Flächennutzungsplan der Beklagten als Gewerbegebiet dargestellt.

Die Beklagte lehnte den Bauantrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Regierung von Oberfranken als unbegründet zurück, da das Aufstellen von Werbetafeln außerhalb von festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen unzulässig sei. Der dagegen gerichteten Klage mit dem Antrag,

die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide die Genehmigung für vier EURO-Tafeln in stets widerruflicher Weise zu erteilen,

gab das Verwaltungsgericht statt. Die Entscheidung ist im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Bebauungsplan der Beklagten erfülle für den Bereich des Baugrundstücks nicht die nach § 30 Abs. 1 BauGB benannten Voraussetzungen eines qualifizierten Bebauungsplans. Das Vorhaben sei daher nach § 34 BauGB zu beurteilen. Die tatsächliche Umgebungsbebauung weise das Gebiet als ein faktisches Gewerbegebiet aus. In diesem seien die Werbetafeln als Hauptnutzung zulässig. Die Werbeanlagen verstießen auch nicht gegen Festsetzungen des Bebauungsplans. Zwar befänden sich die geplanten Werbeanlagen außerhalb der vorderen Bebauungsgrenze. Die sich aus § 23 Abs. 2 und 3 BauNVO ergebende standortbeschränkende Wirkung der Baulinien und Baugrenzen richteten sich aber nur gegen Gebäude oder Gebäudeteile. Die Werbeanlagen seien keine “Gebäude” im Sinne des § 23 BauNVO. Das Gericht folge in dieser Frage der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. VGH München, Urteil vom 25. November 1998 – 26 B 96.3165 – BRS 60 Nr. 133 = UPR 1999, 115 = GewArch 1999, 174). Andere – auch bauordnungsrechtliche – Hindernisse stünden dem Vorhaben nicht entgegen.

Mit ihrer vom vorinstanzlichen Gericht zugelassenen Sprungrevision bekämpft die Beklagte das erstinstanzliche Urteil und verteidigt ihren bisherigen Standpunkt. Sie beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin tritt dem Revisionsvorbringen entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist zulässig und begründet. Das erstinstanzliche Urteil verletzt revisibles Recht. Das Erstgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, der Klägerin eine widerrufliche Baugenehmigung zur Errichtung von Werbetafeln zu erteilen.

1. Die eingelegte Sprungrevision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt worden. Die besonderen Voraussetzungen der Sprungrevision sind gewahrt (§ 134 Abs. 1 und 2 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Sprungrevision in seinem Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das BVerwG ist an die Zulassung gebunden (vgl. § 134 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

Die Klägerin und die Beklagte haben der Sprungrevision zugestimmt (vgl. § 134 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Zustimmung ergibt sich – bei gebotener Auslegung der abgegebenen Erklärungen – aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem vorinstanzlichen Gericht. Es ist zulässig, dass die Zustimmung bereits vor Erlass des Urteils gegeben wird (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1988 – BVerwG 5 C 9.85 – BVerwGE 81, 81 ≪82≫; Beschluss vom 25. November 1992 – BVerwG 4 C 16.92 – NVwZ-RR 1993, 219).

Die Zustimmung des anderen Teils ist der Revisionsschrift gemäß § 134 Abs. 1 Satz 3 VwGO beizufügen. Die Beklagte hat der Revisionsschrift zwar lediglich eine formlose Abschrift über die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht beigefügt. Das führt indes nicht zur Unzulässigkeit der Sprungrevision. Allerdings muss nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu dem wörtlich mit § 134 Abs. 1 Satz 3 VwGO übereinstimmenden § 161 Abs. 1 Satz 3 SGG in einem derartigen Falle zumindest eine vom erstinstanzlichen Gericht beglaubigte Niederschrift vorliegen (BSG [GS] – BSGE 12, 234; BSG, Urteil vom 4. Mai 1996 – 6 RKa 20/92 – NVwZ 1996, 104). Das ist hier nicht geschehen. Gleichwohl bedarf es keiner Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 RsprEinG. Zwar sind § 134 Abs. 1 S. 3 VwGO und § 161 Abs. 1 S. 3 SGG textidentisch. Der jeweilige Regelungszusammenhang, in den diese Bestimmungen gestellt sind, ist jedoch unterschiedlich. Die Sprungrevision ist im sozialgerichtlichen Verfahren unmittelbar beim Revisionsgericht einzulegen (vgl. § 164 Abs. 1 S. 1 SGG). Dies entspricht §§ 553 Abs. 1, 566a Abs. 1 ZPO. Daher soll dem Revisionsgericht – ohne Kenntnis der Akten des vorinstanzlichen Verfahrens – eine Prüfung der Zulässigkeit der eingelegten Sprungrevision ermöglicht werden. Der Verfahrensablauf ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anders ausgestaltet (vgl. Pietzner, in: Schoch u.a., VwGO, § 134 Rn. 16). Hier ist der Einlegungsort regelhaft das vorinstanzliche Gericht (vgl. § 139 Abs. 1 S. 1 VwGO). Nur die Revisionsbegründung muss beim Revisionsgericht eingereicht werden (vgl. § 139 Abs. 2 S. 2 VwGO). Das erstinstanzliche Gericht legt im Falle der Sprungrevision die Akten dem Revisionsgericht vor. Hierdurch wird das Bundesverwaltungsgericht in die Lage versetzt, die Zulässigkeit der Sprungrevision zu prüfen. Werden dem Bundessozialgericht die Akten des Sozialgerichts innerhalb der Revisionseinlegungsfrist vorgelegt, genügt dies übrigens auch nach der Rechtsprechung dieses Gerichts, wenn die übermittelten Akten die protokollierte Zustimmungserklärung enthalten (BSG, Urteil vom 11. Juni 1992 – 4 RA 3/92 – SozR 3-1500 § 161 Nr. 2 S. 4; Urteil vom 4. Mai 1994 – 6 RKa 20/92 – NVwZ 1994, 104).

2. Die Revision ist auch begründet. Das klägerische Vorhaben verstößt gegen Festsetzungen des Bebauungsplans der Beklagten.

2.1 Nach den tatrichterlichen Feststellungen enthält der Bebauungsplan für den Bereich, in dem sich das Baugrundstück befindet, eine vordere (straßenseitige) Bebauungsgrenze. Die vorgesehenen Werbeanlagen befinden sich außerhalb dieser Bebauungsgrenze. Die vom vorinstanzlichen Gericht angenommene “Ausnahme” nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO besteht nicht. Die Vorschrift ist vielmehr auf alle baulichen Anlagen anzuwenden (ebenso VGH Mannheim, Beschluss vom 28. September 1998 – 8 S 2068/98 – BRS 60 Nr. 132; König, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 1999, § 23 Rn. 4; vgl. auch Sarnighausen, in: UPR 1994, 330 ≪332/333≫). Der vom vorinstanzlichen Gericht aus der Textfassung gezogene Umkehrschluss ist sachlich nicht gerechtfertigt. Darin liegt der revisible Rechtsverstoß. Der gegenteiligen Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist nicht zu folgen (vgl. VGH München, Urteil vom 25. November 1998 – 26 B 96.3165 – BRS 60 Nr. 133 = UPR 1999, 115 = GewArch 1999, 174). Im Einzelnen:

Bauplanerische Festsetzungen können aus städtebaulichen Gründen die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen bestimmen. Dazu ermächtigt § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB. Derartige Festsetzungen legen fest, welche Flächen des Grundstücks durch bauliche Anlagen nicht überbaut werden dürfen. Dass dies nicht allein für Gebäude, sondern für alle baulichen Anlagen gilt, folgt unmittelbar aus § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB, wird aber auch in § 29 Abs. 1 BauGB vorausgesetzt. § 23 Abs. 1 Satz 1 BauNVO wiederholt verordnungsrechtlich die Möglichkeit dieser Festsetzung und bestimmt zugleich die planerischen Instrumente, mit denen das Ziel der Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB erreicht werden kann. Danach können die überbaubaren Grundstücksflächen durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. Aus der in § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB enthaltenen Gegenüberstellung von ”überbaubaren” und “nicht überbaubaren” Grundstücksflächen ergibt sich des Weiteren, dass außerhalb der festgesetzten Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen liegende Grundstücksflächen – vorbehaltlich der in § 23 Abs. 2 Sätze 2 und 3, Abs. 3 Sätze 2 und 3 und Abs. 5 BauNVO normierten Sachverhalte – nicht bebaubar sind. § 23 Abs. 5 S. 1 BauNVO bestätigt diese abschließende Regelung, wenn der Verordnungstext mit dem Ausdruck der “nicht überbaubaren Grundstücksfläche” ersichtlich an die Ausdrucksweise der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage anknüpft (vgl. nunmehr § 2 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. c BauGB 1987).

Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese Grenze nicht überschreiten (§ 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO). Das bundesrechtliche Bauplanungsrecht enthält keine Erläuterung des Begriffs des Gebäudes. Ob aus diesem Grunde ein Rückgriff auf eine Begriffsbestimmung der Landesbauordnung zulässig ist, erscheint recht zweifelhaft, ist indes im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO regelt seinem Wortlaut nach allerdings nur, dass Gebäude und Gebäudeteile die Baugrenze nicht überschreiten dürfen. Er sagt seinem Wortlaut nach nichts darüber aus, ob andere bauliche Anlagen als “Gebäude” die festgesetzte Baugrenze überschreiten dürfen. Ein derartiger lediglich auf den Wortlaut gestützter Umkehrschluss darf indes aus inhaltlichen Gründen nicht gezogen werden. Das ergeben die Textgeschichte, der systematische Zusammenhang, in den die Vorschrift gestellt ist, und die Zielsetzung bauplanerischer Festsetzungen.

§ 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO wurde durch die Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung – BauNVO) vom 26. Juni 1962 (BGBl I S. 429) geschaffen. Ermächtigungsgrundlage war seinerzeit § 2 Abs. 10 des Bundesbaugesetzes – BBauG – vom 23. Juni 1960 (BGBl I S. 341). Dieses ermächtigte in § 2 Abs. 10 Nr. 1 Buchst. c, durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Festsetzung in Bebauungsplänen über die Bauweise sowie die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen zu erlassen. Zu diesem Zeitpunkt – also 1962 – hatte § 9 Abs. 1 BBauG 1960 eine etwas andere Fassung als der gegenwärtige § 9 Abs. 1 BauGB. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BBauG 1960 setzte der Bebauungsplan “das Bauland und für das Bauland” unter anderem “die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stelle der baulichen Anlagen” fest. Aufgrund dieser begrenzenden Festsetzungsmöglichkeit war die Anwendung der Baunutzungsverordnung 1962 für die nicht “im Bauland” liegenden Festsetzungen der Nrn. 2 bis 16 des § 9 Abs. 1 BBauG 1960 ausgeschlossen. Für diesen Bereich konnte es folglich auch keine überbaubaren Grundstücksflächen geben. Dies macht es erklärlich, dass in der Vorstellung des Verordnunggebers der Baunutzungsverordnung 1962 nur eine Bebauung von Bauland in Betracht kommen konnte und damit als regelungsbedürftig angesehen wurde. Das waren typischerweise eben nur “Gebäude”. Da dem Verordnunggeber eine weitere Spezifizierung der jeweiligen Art oder Nutzung des “Gebäudes” für die Frage der Überbauung “im Bauland” als unerheblich erschien, hatte er auch keinen Anlass gesehen, der unterscheidenden Umschreibung von Gebäudetypen und anderen baulichen Anlagen besondere Aufmerksamkeit zu widmen, um damit mittelbar den Inhalt von Baulinien, Baugrenzen und Bebauungstiefen eingrenzend zu regulieren.

Für den Verordnunggeber des Jahres 1962 war vielmehr wichtig, in § 23 Abs. 2 und 3 BauNVO in Ergänzung der Vorgabe des § 23 Abs. 1 BauNVO gerade den planerischen Unterschied zwischen Baulinien und Baugrenzen zu bestimmen und damit zugleich deren Besonderheit gegenüber den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen herauszustellen. Deren “konkurrierende” Zielsetzung war ihm wohl bewusst (vgl. arg. e § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO). Wie § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO erkennen lässt, sah es der Verordnunggeber des Jahres 1962 aus bauplanungsrechtlicher Sicht ferner als ausreichend an, die baulichen Anlagen hinsichtlich der Überbaubarkeit von Grundstücksflächen in “Gebäude” und “Nebenanlagen im Sinne des § 14” aufzuteilen. Aus dieser Sicht kommt dem in § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO enthaltenen Bezug auf “Gebäude” keine konstitutive, sondern nur erläuternde Bedeutung des Begriffs der “Baugrenze” in ähnlicher Weise zu, wie dies in § 23 Abs. 2 Satz 1 BauNVO für den Begriff der Baulinie geschehen ist. Der Verordnunggeber hat in § 23 Abs. 3 Satz 3 BauNVO dieses Verständnis mittelbar bestätigt. Er eröffnet durch Bezugnahme auf § 23 Abs. 2 Satz 3 BauNVO die Möglichkeit, abweichende Regelungen nach Art und Umfang auch für die Baugrenze zu bestimmen. Das gibt einen vernünftigen Sinn vor allem dann, wenn der Verordnunggeber voraussetzt, dass sich die allgemeine Regelung des § 23 Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO nicht nur auf Gebäude oder Gebäudeteile bezieht.

Die in § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO eröffnete Nutzung der wegen einer vorhandenen Baugrenze nicht überbaubaren Grundstücksfläche bestätigt diese Deutung. Der Verordnunggeber wollte eine bauliche Anlage “vor der Baugrenze” im Bauland allenfalls dann und nur dann zulassen, wenn eine der Hauptnutzung zugeordnete Nebenanlage in Betracht kam. Die damit verbundene Abweichung von der Festsetzung der Nichtüberbaubarkeit war für ihn in der Tat ohne weiteres hinnehmbar: Zum einen war die Reichweite der Nebenanlage bereits durch § 14 BauNVO funktional begrenzt. Ein Widerspruch zur Eigenart des festgesetzten Baugebietes konnte zum anderen über § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unterbunden werden. Des Weiteren erforderte eine Entscheidung nach § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO eine Ermessensentscheidung, an welcher die Gemeinde gemäß §§ 31 Abs. 1, 36 Abs. 1 BBauG 1960 zu beteiligen war. Endlich konnte die Gemeinde die Möglichkeit des § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO planerisch ausschließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 1998 – BVerwG 4 B 2.98 – Buchholz 406.12 § 23 BauNVO Nr. 2 = NVwZ 1998, 1066). Diese Erwägungen gelten entsprechend auch für die gemäß § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO bauplanerisch zugelassenen baulichen Anlagen, die nach landesrechtlichem Bauordnungsrecht in den Abstandsflächen zugelassen werden können. Auch diese sind regelhaft von untergeordneter Bedeutung. Will die Gemeinde über den Regelungsbereich des § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO hinaus eine bauliche Nutzung außerhalb einer festgesetzten Baugrenze zulassen, kann sie dies gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 BauNVO im Bebauungsplan festlegen.

Mit der Entstehungsgeschichte und der systematischen Stellung der Vorschrift stimmt die Zielsetzung des § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO überein und verbietet ebenfalls einen Umkehrschluss. Die Unterscheidung zwischen bebaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksflächen hat ihren Sinn in der Steuerung der städtebaulichen Infrastruktur. Im Plangebiet sollen nicht überbaubare Grundstücksflächen als Freiflächen festgesetzt werden. § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB gibt der Gemeinde i.V.m. § 23 BauNVO ein Mittel in die Hand – ähnlich der Festsetzung der Bauweise, der Stellung der baulichen Anlage, der Bebauungstiefe, der Größe, der Breite und der Tiefe von Baugrundstücken, ferner der Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung –, die städtebauliche Siedlungsstruktur unabhängig von der konkreten Nutzung nach ihren Vorstellungen zu bestimmen. § 23 BauNVO ist daher aus der Zielsetzung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB auszulegen. Danach ist die Festsetzung von Baugrenzen geeignet, die von der Gemeinde gewünschte “offene Bauweise” zu unterstreichen. Dieses Ziel würde unterlaufen, wenn eine bauliche Anlage, welche bauplanerisch weder “Gebäude” noch “Nebenanlage” ist, als Hauptnutzung “vor der Baugrenze” ohne weiteres zulässig wäre. Die Rechtspraxis hatte keinen Anlass, eine andere Auslegung des § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO anzunehmen.

2.2 Das angegriffene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO liegen nicht vor. Das klägerische Vorhaben ist nach Maßgabe der tatrichterlichen Feststellungen nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zu beurteilen. Das von der Klägerin beabsichtigte Vorhaben stellt als Fremdwerbung eine eigenständige gewerbliche Hauptnutzung dar (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992 – BVerwG 4 C 27.91 – BVerwGE 91, 234; Urteil vom 15. Dezember 1994 – BVerwG 4 C 19.93 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 173 = NVwZ 1995, 897). Eine Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO ist eine Außenwerbung nur “an der Stätte der Leistung” (BVerwG, Beschluss vom 8. März 1995 – BVerwG 4 B 34.95 – BRS 57 Nr. 176). Das ist nach den Feststellungen des vorinstanzlichen Gerichts nicht gegeben. Die Klägerin hat dergleichen nicht einmal angedeutet.

Die Klägerin trägt gemäß § 154 Abs. 1 die Kosten des gesamten Verfahrens.

 

Unterschriften

Berkemann, Heeren, Halama, Rojahn, Jannasch

 

Fundstellen

Haufe-Index 1336759

BauR 2001, 1698

ZfBR 2001, 558

BRS 2002, 344

DVBl. 2001, 1468

DVBl. 2001, 1845

UPR 2002, 105

FSt 2002, 538

FuBW 2002, 140

FuHe 2002, 205

LL 2002, 200

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