Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu folgender Frage eingeholt:

Erfaßt die für die Untersuchung frischen Fleisches für den Inlandsmarkt gemäß der nach der Richtlinie des Rates 88/409/EWG vom 15. Juni 1988 anzuwendenden Richtlinie 64/433/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 in der Fassung der Richtlinie 89/662/EWG vom 11. Dezember 1989 geltende Pauschalgebühr nach Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 in Verbindung mit der Entscheidung 88/408/EWG des Rates vom 15. Juni 1988 auch die Kosten einer im Einzelfall erforderlichen bakteriologischen Untersuchung?

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin schlachtet im Schlachthof des Beklagten Jungrinder. Der Beklagte zog sie für amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchungen im Januar 1991 zu Gebühren heran. Die Parteien streiten noch über die Berechtigung des Beklagten, für bakteriologische Untersuchungen gesonderte Gebühren zu erheben. Das Berufungsgericht hat die Klage gegen den Gebührenbescheid vom 1. Februar 1991 insoweit abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Die Erhebung von Gebühren für die bakteriologischen Untersuchungen falle nicht unter die nach § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG verbindliche Verbotsnorm des Art. 5 Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG des Rates vom 15. Juni 1988. Bakteriologische Untersuchungen gehörten nicht zu den Schlachttier- und Fleischuntersuchungen nach der Richtlinie 64/433/EWG. Sie seien keine Schlachttieruntersuchungen, weil sie nicht am lebenden Tier, sondern nach der Schlachtung vorgenommen würden. Sie gehörten auch nicht zu den obligatorischen Fleischuntersuchungen. Die gemeinschaftsrechtlichen Pauschalgebühren würden nicht für solche Untersuchungen erhoben, die nicht zwingend vorgeschrieben seien. So liege es bei bakteriologischen Untersuchungen, weil sie nur in Verdachtsfällen durchzuführen seien. Da diese Untersuchungen durch den verdächtigen Zustand eines Tieres ausgelöst würden und einem bestimmten Verursacher angelastet werden könnten, habe keine Veranlassung bestanden, die dafür anfallenden Kosten dem gemeinschaftsrechtlich geregelten Gebührenbereich zuzuordnen. Sie könnten deshalb durch gesonderte Gebühren allein aufgrund nationalen Rechts ausgeglichen werden. Der angefochtene Gebührenbescheid finde seine Rechtsgrundlage in dem einschlägigen und insoweit beanstandungsfreien Landes- und Kommunalrecht.

Nach Abschluß des Berufungsverfahrens sind das Landesrecht und die der Gebührenerhebung zugrundeliegende Satzung des Kreises mit Rückwirkung zum 1. Januar 1991 geändert worden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Verfahren ist auszusetzen, weil gemäß Art. 234 Abs. 1 und 3 EG-Vertrag von dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eine Vorabentscheidung einzuholen ist.

1. Das nationale Recht trifft für die im Januar 1991 durchgeführten Untersuchungen folgende Regelungen:

a) Das Bundesrecht bestimmt in § 24 des Fleischhygienegesetzes (FlHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 1987 (BGBl I S. 649):

(1) Für die Amtshandlungen nach diesem Gesetz und den zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften werden kostendeckende Gebühren und Auslagen erhoben.

(2) Die nach Absatz 1 kostenpflichtigen Tatbestände werden durch Landesrecht bestimmt. Die Gebühren sind nach Maßgabe der Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch und Geflügelfleisch (ABl EG Nr. L 32 S. 14) zu bemessen …

Durch das Gesetz zur Änderung veterinärrechtlicher, lebensmittelrechtlicher und tierzuchtrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 1992 (BGBl I S. 2022), das insoweit zum 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist, wurde § 24 Abs. 2 FlHG dahin gehend ergänzt, daß vor den Worten „zu bemessen” eingefügt wurde:

und der auf Grund dieser Richtlinie erlassenen Rechtsakte der Organe der Europäischen Gemeinschaft.

Zu den Amtshandlungen im Sinne des § 24 FlHG gehören die amtlichen Untersuchungen nach § 1 FlHG.

b) Das Verfahren für die amtlichen Untersuchungen ist in der Verordnung über die hygienischen Anforderungen und amtlichen Untersuchungen beim Verkehr mit Fleisch (Fleischhygiene-Verordnung – FlHV –) vom 30. Oktober 1986 (BGBl I S. 1678), hier anzuwenden in der Fassung der Verordnung vom 11. März 1988 (BGBl I S. 303), geregelt. Zu den amtlichen Untersuchungen im Sinne dieser Verordnung zählt nach ihrem § 2 die Fleischuntersuchung einschließlich der bakteriologischen Fleischuntersuchung. Die Fleischuntersuchung ist gemäß § 5 Abs. 2 FlHV nach der Anlage 1 Kapitel II durchzuführen. Nach § 5 Abs. 3 FlHV erfolgt in ihrem Rahmen zusätzlich u.a. eine bakteriologische Untersuchung gemäß Anlage 1 Kapitel III Nr. 3, sofern das geschlachtete Tier nicht aufgrund sonstiger Feststellungen als genußuntauglich zu beurteilen ist. Die genannte Anlage umschreibt die Umstände näher, unter denen das Fleisch bakteriologisch zu untersuchen ist.

c) Das hinsichtlich seiner Regelungen über Satzungen für Amtshandlungen nach dem Fleischhygienegesetz rückwirkend zum 1. Januar 1991 in Kraft getretene nordrhein-westfälische Gesetz über die Kosten der Fleisch- und Geflügelfleischhygiene (Fleisch- und Geflügelfleischhygienekostengesetz – FlGFlHKostG NW –) vom 16. Dezember 1998 (GV. NRW. S. 775, ber. GV. NRW. 1999 S. 62) bestimmt in § 1, daß die Kreise und kreisfreien Städte durch Satzung die Erhebung von Gebühren u.a. aufgrund von § 24 FlHG regeln. In § 2 werden als kostenpflichtige Tatbestände die nach dem Fleischhygienegesetz durchzuführenden Untersuchungs- und Überwachungsmaßnahmen bezeichnet und das zuständige Ministerium zum Erlaß einer Rechtsverordnung zur Bestimmung der kostenpflichtigen Tatbestände ermächtigt. § 3 verpflichtet zur Beachtung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen. § 4 bestimmt, daß grundsätzlich nur die Erhebung der Gebühr in Höhe der gemeinschaftsrechtlichen Pauschalbeträge zulässig ist und daß Gebühren in gemeinschaftsrechtlich zugelassener abweichender Höhe betriebsbezogen erhoben werden dürfen. Nach § 5 werden die Gebührensätze für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung einschließlich der Hygienekontrollen und der bakteriologischen Fleischuntersuchung je Tier, unterschieden nach Tierart, bemessen.

d) Die Verordnung zur Ausführung des Fleisch- und Geflügelfleischhygienekostengesetzes vom 6. Mai 1999 (GV. NRW. S. 156), geändert durch Verordnung vom 27. September 1999 (GV. NRW. S. 563), die, soweit hier von Bedeutung, rückwirkend am 1. Januar 1991 in Kraft getreten ist, bestimmt in § 1 Abs. 1 die kostenpflichtigen Tatbestände, für die – nach Ansicht des Verordnungsgebers – die Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 in der jeweils geltenden Fassung eine Gemeinschaftsgebühr vorsieht, und in § 1 Abs. 2 die kostenpflichtigen Tatbestände, für die keine Gemeinschaftsgebühren vorgesehen sind. Zu letzteren werden in dieser Verordnung bakteriologische Fleischuntersuchungen gerechnet.

e) Die Satzung des Kreises Neuss über die Erhebung von Gebühren für Amtshandlungen nach dem Fleischhygienerecht vom 10. Juni 1999 (am 16. Juni 1999 in den durch Hauptsatzung bestimmten Zeitungen bekanntgemacht), die, soweit hier erheblich, ebenfalls rückwirkend zum 1. Januar 1991 in Kraft getreten ist, für zurückliegende Zeiträume jedoch Übergangsbestimmungen enthält, sieht für 1991 außer der Pauschalgebühr für Fleischuntersuchungen in Übereinstimmung mit früheren Satzungen eine Gebühr für die bakteriologische Untersuchung in Höhe von DM 45,00 je Tier vor.

2. Gegen die Gültigkeit dieses nationalen Rechts, die auch hinsichtlich des nach Abschluß des Berufungsverfahrens erlassenen Landesrechts durch den beschließenden Senat zu prüfen ist (BVerwGE 66, 178 ≪179≫; Urteil vom 20. Februar 1990 – BVerwG 1 C 30.86 – Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 47, S. 21), bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

Der Bundesgesetzgeber hat es in Ausübung seiner Gesetzgebungsbefugnis (Art. 71, 74 Abs. 1 Nr. 20 GG) durch § 24 Abs. 2 FlHG dem Landesgesetzgeber überlassen, kostenpflichtige Tatbestände zu bestimmen. Dies bezieht sich nicht nur auf die Festlegung der gebührenpflichtigen Sachverhalte, sondern auch auf die Festlegung der Gebühr der Höhe nach, und zwar mit der bundesrechtlichen Vorgabe, daß die landesrechtlich zu regelnden Gebühren nach Maßgabe der von der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Rechtsakte über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von Fleisch zu bemessen sind. Dazu gehört auch für die vor dem 1. Januar 1993 geltende Fassung des Fleischhygienegesetzes die Entscheidung des Rates 88/408/EWG (vgl. Urteil vom 29. August 1996 – BVerwG 3 C 7.95 – BVerwGE 102, 39 ≪41≫).

Das Landesrecht durfte sich unter den vorliegenden Umständen nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben Rückwirkung beimessen (BVerfGE 13, 261 ≪271≫; 30, 367 ≪385≫; 94, 241 ≪258≫; 95, 64 ≪86≫; 97, 67 ≪78≫). Die zuständigen Normgeber waren befugt, die insbesondere wegen der Verflechtung des nationalen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht unklar gewordene Rechtslage einer Bereinigung zu unterziehen. Die betroffenen Betriebe mußten schon aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen und bundesrechtlichen Vorgaben gemäß § 24 FlHG mit der Erhebung von Gebühren für amtliche Fleischuntersuchungen rechnen. Dem Prinzip des Vertrauensschutzes ist durch Beibehaltung der früheren Gebührensätze Rechnung getragen worden; ein weitergehendes Vertrauen darauf, für in Anspruch genommene kostenpflichtige Amtshandlungen deswegen, weil die früheren Rechtsgrundlagen vorrangigem Recht nicht entsprochen haben mögen, keine Gebühren entrichten zu müssen, ist nicht schutzwürdig.

Das nationale Recht rechtfertigt den angefochtenen Gebührenbescheid, wenn das Gemeinschaftsrecht die Kosten für bakteriologische Untersuchungen nicht erfaßt und deswegen die Erhebung einer besonderen Gebühr für diese Untersuchungen aufgrund nationalen Rechts nicht hindert. Insbesondere ist daraus, daß § 2 FlHV als amtliche Untersuchung die Fleischuntersuchung „einschließlich der bakteriologischen Fleischuntersuchung” benennt und die bakteriologische Fleischuntersuchung nach § 5 Abs. 3 FlHV „im Rahmen der Fleischuntersuchung” durchzuführen ist, nicht abzuleiten, die (pauschale) Gebühr für die Fleischuntersuchung berücksichtige auch die Kosten für die bakteriologische Untersuchung, denn die Fleischhygiene-Verordnung regelt keine Gebührenfragen.

Läßt dagegen das Gemeinschaftsrecht die Erhebung einer besonderen Gebühr für die bakteriologische Untersuchung nicht zu, kann auch die entgegenstehende Regelung der landesrechtlichen Verordnung vom 6. Mai 1999 nicht zu ihrer Zulässigkeit führen. Die in § 4 FlGFlHKostG NW getroffene Regelung, daß Abweichungen von den gemeinschaftsrechtlichen Pauschalgebühren (nur) betriebsbezogen zulässig sind, schließt es aus, die Gebühr für die bakteriologische Fleischuntersuchung als Erhöhung der Pauschalgebühr anzusehen. Die Gebühr wird nicht betriebsbezogen erhoben.

3. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt daher davon ab, ob das Gemeinschaftsrecht, an das die Bundesländer bei der Gebührenbestimmung gemäß § 24 Abs. 2 FlHG gebunden sind, die Erhebung einer besonderen Gebühr für die bakteriologische Fleischuntersuchung zuläßt.

4. Das Gemeinschaftsrecht enthält folgende hier einschlägige Normen:

a) Über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch bestehen folgende Bestimmungen:

aa) Die Richtlinie des Rates vom 29. Januar 1985 über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch und Geflügelfleisch (ABl Nr. L 32, S. 14) – RL 85/73/EWG – bestimmt, daß die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, daß ab 1. Januar 1986 bei der Schlachtung von den in Art. 1 Abs. 2 genannten Tieren, u.a. von Haustieren der Gattung Rinder, eine Gebühr erhoben wird, um die Kosten zu decken, die durch die Schlachttier- und Fleischuntersuchungen und Hygienekontrollen entstehen. Nach Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie legt der Rat auf Vorschlag der Kommission die jeweilige pauschale Höhe der Gebühren sowie Einzelheiten und Grundsätze der Durchführung der Richtlinie und die Ausnahmen fest. Nach Art. 2 Abs. 2 können die Mitgliedstaaten einen höheren Betrag erheben als in Absatz 1 vorgesehen, sofern die erhobene Gesamtgebühr je Mitgliedstaat die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet.

bb) Die Entscheidung des Rates vom 15. Juni 1988 über die Beträge der für die Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch zu erhebenden Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73/EWG (ABl Nr. L 194, S. 24) – Entscheidung 88/408/EWG – legt in Art. 1 die Beträge der Gebühren, die von den Mitgliedstaaten für die in näher bezeichneten Richtlinien, u.a. der Richtlinie des Rates 64/433/EWG, „vorgesehenen Untersuchungen und Hygienekontrollen” von frischem Fleisch zu erheben sind, sowie Einzelheiten und Grundsätze der Durchführung der Richtlinie 85/73/EWG fest. Die Entscheidung bestimmt in Art. 2 Abs. 1 als durchschnittlichen Pauschalbetrag für die Gebühren nach Art. 1 bei Jungrindern 2,50 ECU/Tier. Nach Art. 2 Abs. 2 der Entscheidung dürfen die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen die Pauschalbeträge auf den Stand der tatsächlichen Untersuchungskosten senken bzw. anheben. Dabei müssen sie von den im Anhang niedergelegten Grundsätzen ausgehen. Nach Anhang Nr. 2 kann als Voraussetzung für eine Anhebung der pauschalen Leitgebühr z.B. erhöhter Untersuchungsaufwand durch besondere Uneinheitlichkeit der Schlachttiere hinsichtlich Alter, Größe, Gewicht und Gesundheitszustand gelten. Nach Art. 5 der Entscheidung tritt der Betrag nach Art. 2 an die Stelle jeder anderen Abgabe oder Gebühr, die für die Untersuchungen und Hygienekontrollen gemäß Art. 1 erhoben wird. Die Protokollerklärung des Agrarrates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung 88/408/EWG vom 24. Januar 1989 (BAnz 1989, 901) macht die Rahmenbedingungen bekannt, die der Bemessung der Gebührenhöhe in Art. 2 der Entscheidung durch den Agrarrat zugrunde gelegt und zu Protokoll gegeben worden sind. Der Rat und die Kommission erinnern u.a. daran, daß die durchschnittlichen Pauschalbeträge unter Zugrundelegung bestimmter durchschnittlicher Untersuchungszeiten berechnet wurden, z.B. bei Rindern einer Zeit von acht Minuten, bei Kälbern von vier Minuten und 50 Sekunden.

cc) Die Richtlinie des Rates vom 15. Juni 1988 mit Hygienevorschriften für Fleisch für den Inlandsmarkt und zur Festlegung der gemäß der Richtlinie 85/73/EWG für die Untersuchung dieses Fleisches zu erhebenden Gebühren (ABl Nr. L 194, S. 28) – RL 88/409/EWG – bestimmt, daß der Betrag der Gebühren nach Art. 2 der Entscheidung 88/408/EWG auch auf nunmehr ebenfalls vorgeschriebene Untersuchungen von im Inland vermarktetem Fleisch anzuwenden ist.

b) Die Untersuchung frischen Fleisches von Rindern ist für den hier maßgebenden Zeitraum wie folgt geregelt:

aa) Die Richtlinie des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit frischem Fleisch (ABl Nr. 121, S. 2012/64) – RL 64/433/EWG –, hier anzuwenden in der Fassung der Richtlinie vom 7. Februar 1983 (ABl Nr. L 59, S. 10) – RL 83/90/EWG – und der nachfolgenden Änderungen einschließlich der Richtlinie vom 11. Dezember 1989 (ABl Nr. L 395, S. 13) – RL 89/662/EWG –, bezieht sich nach ihrem Art. 1 Abs. 1 auf den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit frischem Fleisch, das von Haustieren u.a. der Gattung Rinder stammt. Nach Art. 2 ist frisches Fleisch im Sinne dieser Richtlinie Fleisch, das nicht zum Zwecke der Haltbarmachung – außer mit Kälte – behandelt worden ist. Nach Art. 3 Abs. 1 trägt jeder Mitgliedstaat dafür Sorge, daß aus seinem Hoheitsgebiet in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates nur frisches Fleisch versandt wird, das näher umschriebenen Anforderungen entspricht. Dazu gehört, daß es nach Anhang I Kapitel VII einer Fleischuntersuchung durch einen amtlichen Tierarzt unterzogen worden ist. Die Fleischuntersuchung umfaßt die Besichtigung des geschlachteten Tieres, das Durchtasten bestimmter Organe, das Anschneiden von Organen und Lymphknoten, die Prüfung auf Abweichung der Konsistenz, der Farbe, des Geruchs und ggf. des Geschmacks sowie „erforderlichenfalls Untersuchungen … im Laboratorium”. Darüber hinaus sind bestimmte systematische Untersuchungen vorzunehmen, u.a. bei über sechs Wochen alten Rindern auf Cysticerose.

bb) Die bereits angeführte Richtlinie 88/409/EWG sieht in Art. 2 vor, daß die Mitgliedstaaten die notwendigen Bestimmungen einführen, um zu gewährleisten, daß spätestens ab 1. Januar 1991 (Art. 6 Abs. 1) sämtliches im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates erzeugte und dort zur Vermarktung bestimmte frische Fleisch einer Untersuchung u.a. nach Maßgabe des Kapitels VII des Anhangs I der Richtlinie 64/433/EWG unterzogen wird.

5. Dem Gemeinschaftsrecht läßt sich nicht mit der für eine abschließende Entscheidung durch den beschließenden Senat hinreichenden Eindeutigkeit entnehmen, ob die Pauschalgebühr den Aufwand abdeckt, der durch die bakteriologische Fleischuntersuchung ausgelöst wird. Bakteriologische Untersuchungen gehören zu den Untersuchungen im Laboratorium, die nach Anhang 1 Kapitel VII der Richtlinie 64/433/EWG in der hier maßgebenden Fassung „erforderlichenfalls” durchzuführen sind. Nach Art. 1 der Entscheidung 88/408/EWG werden in dieser Entscheidung die Beträge der Gebühren festgesetzt, die von den Mitgliedstaaten für die in der Richtlinie 64/433/EWG „vorgesehenen” Untersuchungen zu erheben sind. Zweifelhaft ist, ob auch die nur in bestimmten Verdachtsfällen vorgeschriebene und dann einen nicht unerheblichen Aufwand verursachende bakteriologische Fleischuntersuchung zu den im Sinne der Entscheidung 88/408/EWG „vorgesehenen” Untersuchungen gehört oder ob damit nur die stets erforderlichen Untersuchungen des frischen Fleisches gemeint sind. Das gilt auch für die Untersuchung des – wovon hier mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist – für den Inlandsmarkt bestimmten Fleisches. Zwar heißt es in Art. 4 RL 88/409/EWG, daß der in Art. 2 der Entscheidung 88/408/EWG geregelte Gebührenbetrag auf gemäß Art. 2 dieser Richtlinie i.V.m. Kapitel VII des Anhangs I der Richtlinie 64/433/EWG erzeugtes und untersuchtes Fleisch Anwendung findet. Dem insoweit von Art. 1 der Entscheidung 88/408/EWG abweichenden Wortlaut der Vorschrift ist aber kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Sinn und Zweck der Art. 2 und 4 der Richtlinie 88/409/EWG besteht darin, die für den innergemeinschaftlichen Handel bestimmten Regelungen weitgehend auf den Inlandsmarkt zu erstrecken. Die für den Inlandsmarkt geltenden Vorschriften sind daher im vorliegenden Zusammenhang in derselben Weise auszulegen und anzuwenden wie die Vorschriften für den innergemeinschaftlichen Markt. Die dargelegte Problematik stellt sich folglich auch hier.

Die aufgezeigte Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet. Außer dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im vorliegenden Verfahren vertritt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Auffassung, daß neben der Gemeinschaftsgebühr aufgrund nationalen Rechts eine besondere Gebühr für die bakteriologische Fleischuntersuchung erhoben werden dürfe (Beschluß vom 18. Januar 2000 – OVG 11 K 5275/98 –), weil diese Untersuchung nicht Teil der obligatorischen Fleischuntersuchung sei und deswegen nicht unter die harmonisierte gemeinschaftsrechtliche Gebührenregelung falle. Diese Auffassung liegt auch der oben erwähnten Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über die Kosten der Fleisch- und Geflügelfleischhygiene der Ministerin für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen zugrunde. Demgegenüber vertritt z.B. das Verwaltungsgericht Trier (Urteil vom 9. Juni 1998 – VG 2 K 166/98.TR –) die Meinung, daß die Pauschalgebühr auch die Kosten der bakteriologischen Fleischuntersuchung erfaßt.

Den bisherigen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften über Gebühren für Amtshandlungen im Zusammenhang mit der Untersuchung frischen Fleisches läßt sich für die dargelegte Frage des Gemeinschaftsrechts keine Antwort entnehmen. Namentlich befassen sich die Urteile vom 10. November 1992 – Rs C-156/91 – (Slg. 1992 I, 5567 = NJW 1993, 315) und vom 9. September 1999 – Rs C-374/97 – (EuZW 2000, 22) nicht mit der aufgeworfenen Frage. Unter diesen Umständen ist der Senat verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs einzuholen.

 

Unterschriften

Meyer, Gielen, Mallmann, Hahn, Groepper

 

Fundstellen

Haufe-Index 565892

GewArch 2000, 384

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