Entscheidungsstichwort (Thema)

Organisation arbeitsteiliger Herstellung. Feststellung von Werkmängeln. Gewährleistungsansprüche. Verjährung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Werkunternehmer, der das Werk arbeitsteilig herstellen lässt, muss die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das Werk bei Ablieferung mangelfrei ist. Unterlässt er dies und wäre der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden, verjähren Gewährleistungsansprüche des Bestellers wie bei arglistigem Verschweigen des Mangels. Das gilt unabhängig davon, ob der Werkvertrag ein Bauwerk oder ein anderes Werk betrifft (Fortführung von BGH v. 12.3.1992 - VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318 = MDR 1992, 675).

 

Normenkette

BGB § 638 Abs. 1 (in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung)

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg (Urteil vom 28.02.2003; Aktenzeichen 7 U 144/02)

LG Halle (Saale)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das am 28.2.2003 verkündete Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Naumburg aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger hatte auf Grund einer entsprechenden Vereinbarung mit F. B. dessen durch einen Unfall beschädigten Pkw zu reparieren, behindertengerecht auszustatten und zu lackieren. Bestimmte Reparaturarbeiten, u.a. das Richten der Fahrzeugkarosserie, übertrug der Kläger durch entgeltlichen Vertrag der Beklagten, die ihrerseits die Autohaus Ba. GmbH beauftragte. Im Rahmen eines von F. B. angestrengten Beweissicherungsverfahrens stellte der beauftragte Sachverständige u.a. fest, dass trotz der von dem Autohaus durchgeführten Reparaturarbeiten die Rahmenlängsträger einen starken Knick aufwiesen.

Der Kläger, der das Fahrzeug von der Beklagten im April 1998 zurückerhalten hatte, wurde wegen mangelhafter Ausführung der durch das Autohaus vorgenommenen Reparatur zur Zahlung von 5.945,81 EUR an F. B. verurteilt. Diesen Betrag (nebst Zinsen) verlangt der Kläger mit seiner am 4.7.2002 beim LG eingereichten und am 11.7.2002 zugestellten Klage nunmehr von der Beklagten.

Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das OLG hat dieses Urteil abgeändert und die Klage wegen der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede abgewiesen.

Der Kläger verfolgt sein Zahlungsbegehren mit der Revision weiter. Die Beklagte tritt diesem Rechtsmittel entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die vom Berufungsgericht zugelassene und auch sonst zulässige Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht ist mangels gegenteiligen Vortrags des Klägers davon ausgegangen, dass die Beklagte die behaupteten Mängel des Werks, das sie dem Kläger schuldete, nicht erkannt hat. Es hat deshalb den nach § 638 Abs. 1 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (a.F.) zu verlängerter Verjährungsfrist führenden Ausnahmetatbestand eines arglistigen Verschweigens eines Werkmangels durch den Unternehmer für nicht gegeben erachtet. Daran - so führt das Berufungsgericht weiter aus - ändere auch die höchstrichterliche Rechtsprechung nichts, wonach bei Verlagerung der Herstellung des Werks auf einen Subunternehmer der Werkunternehmer wie ein arglistig Handelnder zu behandeln sein könne, wenn es ihm bei richtiger Organisation möglich gewesen wäre, den Mangel zu entdecken. Denn diese Rechtsprechung sei bei arbeitsteiliger Herstellung eines Bauwerks sachgerecht, weil insoweit besondere und gesteigerte Überwachungs- und Prüfungspflichten bestünden. Im Streitfall, in dem der Subunternehmer nur mit einer einzelnen Aufgabe betraut worden sei, sei das Bestehen einer solchen gesteigerten Prüfungs- und Überwachungspflicht jedoch nicht zu erkennen.

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

2. Arglistig verschweigt, wer sich bewusst ist, dass ein bestimmter Umstand für die Entschließung des Vertragsgegners von Erheblichkeit ist, und nach Treu und Glauben verpflichtet ist, diesen Umstand mitzuteilen, ihn aber gleichwohl nicht offenbart (BGHZ 62, 63 [66]). Ist ein Werkmangel betroffen, setzt das an sich Kenntnis vom Mangel voraus (Soergel in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 638 Rz. 32, m.w.N.). Diese Kenntnis muss allerdings nicht der Unternehmer selbst haben. Da er gem. § 278 BGB für Verhalten von Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, reicht es aus, wenn die Kenntnis vom Mangel bei einer der Personen vorhanden ist, derer sich der Unternehmer im Hinblick auf seine Offenbarungspflicht bedient (BGHZ 62, 63 [66]). Das sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, die in der Literatur weitgehend Zustimmung gefunden hat, diejenigen Hilfspersonen, die der Unternehmer mit der Ablieferung des Werks an den Besteller betraut hat oder die für den Unternehmer dabei mitgewirkt haben, sowie Personen, die vom Unternehmer (auch) mit der Prüfung des Werks auf Mangelfreiheit betraut sind, wenn allein deren Wissen und ihre Mitteilung den Unternehmer in den Stand versetzen, seine Offenbarungspflicht gegenüber dem Besteller zu erfüllen (BGH v. 12.3.1992 - VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318 [320] = MDR 1992, 675; BGHZ 62, 63 [68]; BGHZ 66, 43 [45]).

a) Würde man einschränkungslos auf das Erfordernis der Kenntnis des Unternehmers oder besagter Hilfspersonen abstellen, könnte der Unternehmer sich freilich der verlängerten Haftung entziehen, indem er die Herstellung des Werks durch Dritte erledigen lässt, ohne deren Arbeitsleistung und deren Ergebnis entweder selbst zu überprüfen oder sich hierzu eines anderen zu bedienen, und indem er auch bei der Ablieferung des Werks niemand hinzuzieht. Überträgt der Unternehmer - wie hier die Beklagte - die Werkleistung einem Subunternehmer zur eigenverantwortlichen Ausführung, wäre diese Möglichkeit eröffnet, wenn der Subunternehmer sich entsprechend verhielte. Der Zeitraum, über den eine Haftung des Unternehmers wegen eines Mangels des von ihm geschuldeten Werks in Betracht kommt, wäre also davon abhängig, ob der Unternehmer das Werk als Alleinunternehmer herstellt oder arbeitsteilig herstellen lässt und wie die arbeitsteilige Herstellung unternehmerseits organisiert ist. Das ist nicht in Einklang zu bringen mit der sonstigen Regelung der Mangelhaftung beim Werkvertrag. Denn danach kommt es nicht darauf an, ob derjenige, der sich zur Herstellung eines Werks verpflichtet, dieses auch selbst herstellt oder unter Hinzuziehung Dritter herstellen lässt. Eine Verlagerung der Herstellung ändert insb. nichts daran, dass dem Besteller gegenüber allein der Unternehmer für die fehlerfreie Herstellung des Werks zu sorgen hat. Bei arbeitsteiliger Herstellung tritt deshalb zu der Hauptpflicht aus dem Werkvertrag die Pflicht hinzu, diesen Herstellungsprozess angemessen zu überwachen und das Werk vor Abnahme zu überprüfen. Mit diesem Pflichtenkatalog würde der Unternehmer sich in Widerspruch setzen, wenn er aus der arbeitsteiligen Herstellung und deren Organisation die oben erörterten Vorteile ziehen könnte. Es ist deshalb eine von der Intention des Gesetzes her gebotene Auslegung des § 638 Abs. 1 BGB a.F., den Unternehmer, der tatsächlich keine positive Kenntnis vom Mangel seines Werks hat, wie eine Person zu behandeln, die diese Kenntnis besitzt, wenn er die organisatorischen Voraussetzungen nicht geschaffen hat, dass von ihm oder einem der oben genannten Erfüllungsgehilfen sachgerecht beurteilt werden kann, ob das Werk bei Ablieferung mangelfrei ist, und bei entsprechender Organisation der Mangel von ihm oder einer dieser besagten Personen entdeckt worden wäre.

b) Diese Konsequenz ist vom VII. Zivilsenat des BGH in der Entscheidung v. 12.3.1992 (BGH v. 12.3.1992 - VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318 = MDR 1992, 675), auf die sich der Kläger ggü. der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede gestützt und deren Heranziehung das Berufungsgericht auch erwogen hat, zwar in einem Fall herausgearbeitet worden, in dem der Unternehmer ein Bauwerk arbeitsteilig hatte herstellen lassen. Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, hat diese Rechtsprechung Berechtigung jedoch nicht nur bei Verträgen aus diesem Bereich. Es geht entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht um eine gesteigerte Prüfungs- und Überwachungspflicht, wie sie bei arbeitsteiliger Herstellung gerade das Baurecht kennzeichnet, sondern darum, es nicht unternehmerischer Gestaltung zu überlassen, innerhalb welcher der im Gesetz genannten Fristen der Besteller wegen etwaiger Mängel des Werks Gewährleistungsansprüche geltend machen kann, ohne sich der Verjährungseinrede auszusetzen. Eine derartige Gestaltung kommt unabhängig vom Gegenstand des Werkvertrags in Betracht. Die erörterte Auslegung von § 638 Abs. 1 BGB a.F. muss daher bei allen Werkverträgen die Anwendung dieser Vorschrift bestimmen.

c) Erst bei der Anwendung von § 638 Abs. 1 BGB a.F. nach Maßgabe der erörterten Auslegung können sich Unterschiede ergeben. Denn die Frage nach der richtigen Organisation beim Unternehmer kann unterschiedlich zu beantworten sein, je nach dem welches Werk hergestellt werden sollte. Insoweit ist eine fallbezogene Prüfung notwendig. So wird der Unternehmer, der ein schwierig herzustellendes Werk abzuliefern hat, für andere Maßnahmen der Überwachung und Prüfung zu sorgen haben als der Unternehmer, der ein einfaches Produkt, dieses aber massenweise herzustellen hat. Angesichts der Bindung der Vertragsparteien an Treu und Glauben ist Maßstab für die insoweit anzustellende fallbezogene Prüfung, welche organisatorischen Vorkehrungen von einem sich seiner Verpflichtung zur Ablieferung des Werks in mangelfreiem Zustand bewussten und hierauf bedachten Unternehmer unter den Umständen des konkreten Falls erwartet werden können und ihm zuzumuten sind, um, obwohl er das Werk nicht allein hergestellt hat, beurteilen zu können, ob es bei Ablieferung mangelfrei ist. Das ist eine Frage der Abwägung; sie lässt sich deshalb im Streitfall nicht mit dem bloßen Hinweis des Berufungsgerichts beantworten, die Beklagte habe keine komplette Fahrzeugvermessung geschuldet. Das angefochtene Urteil kann mithin keinen Bestand haben.

3. Entgegen der Meinung der Revision kann der Senat nicht zu Gunsten des Klägers in der Sache durchentscheiden. Eine Verurteilung der Beklagten kommt - wie ausgeführt - nur unter zwei Voraussetzungen in Betracht: Die Beklagte muss die zu erwartende und zumutbare Organisation des Herstellungsprozesses und der Überprüfung unterlassen haben. Es muss ferner davon ausgegangen werden können, dass die Mängel, deretwegen der Kläger Gewährleistung begehrt, bei richtiger Organisation von der Beklagten oder einer der insoweit als deren Erfüllungsgehilfen in Betracht kommenden Person entdeckt worden wären. Für beide Voraussetzungen ist der Kläger darlegungs- und im Bestreitensfalle beweispflichtig, weil er sich darauf beruft, dass die im Gesetz geregelte Ausnahme von der normalen gesetzlichen Verjährungsfrist eingreift ("sofern nicht ..."). Ggf. streiten für den Kläger jedoch dargelegte oder unstreitige Indizien. So hat der BGH anerkannt, dass aus einem gravierenden Mangel an besonders wichtigen Gewerken oder aus einem besonders auffälligen Mangel an weniger wichtigen Bauteilen der Schluss auf eine mangelhafte Organisation von Überwachung und Überprüfung gerechtfertigt sein kann (BGH v. 12.3.1992 - VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318 [322] = MDR 1992, 675). Für die weitere Voraussetzung voraussichtlicher Kenntniserlangung auf Seiten des Unternehmers gilt insoweit nichts anderes.

Hinsichtlich der danach sich auch im Streitfall stellenden Fragen fehlen bislang jedoch ausreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht musste sich von seinem Rechtsstandpunkt aus gesehen nicht damit befassen, was sich im Hinblick auf die beiden genannten Voraussetzungen aus dem unstreitigen Sachverhalt und dem Vorbringen des Klägers ergibt; in dem angefochtenen Urteil fehlen deshalb insoweit auch jegliche Feststellungen. Das LG hat zwar angenommen, die Beklagte sei der Pflicht zur Überprüfung der Arbeiten ihres Subunternehmers nicht nachgekommen, hat aber nicht ausgeführt, auf Grund welcher festgestellten Tatsachen es zu dieser Annahme gekommen ist. Mangels tatrichterlicher Aufklärung entscheidungserheblicher Fragen muss der Rechtsstreit deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1288761

NJW 2005, 893

BGHR 2005, 341

BauR 2005, 438

BauR 2005, 550

EBE/BGH 2005, 5

IBR 2005, 80

ZAP 2005, 444

DAR 2005, 82

BauRB 2005, 99

JbBauR 2006, 348

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