Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch nach Anfechtungsgesetz auf Duldung der Zwangsvollstreckung auch bei Zuschlag an den Dritten bei Zwangsversteigerung

 

Leitsatz (amtlich)

Begründet die Übertragung eines dem Schuldner gehörenden Grundstücks an einen Dritten einen Anspruch des Gläubigers auf Duldung der Zwangsvollstreckung nach dem Anfechtungsgesetz, so bleibt dieser Anspruch auch dann bestehen, wenn dem Dritten später das Grundstück in der Zwangsversteigerung zugeschlagen worden ist.

 

Normenkette

AnfG §§ 1, 11; ZVG § 90

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 24.10.2002; Aktenzeichen 13 U 46/02)

LG Verden (Aller)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Celle v. 24.10.2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Durch notarielles Schuldanerkenntnis v. 13.8.1999 verpflichtete sich der Ehemann der Beklagten, an die Klägerin 873.232,05 DM in 36 monatlichen Raten, beginnend im November 1999, zu zahlen. Wegen dieser Forderung unterwarf er sich persönlich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Der Schuldner hat in der Folgezeit lediglich 44.714,45 DM an die Klägerin bezahlt. Diese hat am 17.4.2000 einen fruchtlos verlaufenen Vollstreckungsversuch unternommen.

Am 7.2.2000 übertrug der Schuldner das ihm in B. gehörende Hausgrundstück mit notariellem Vertrag an die Beklagte, die am 16.3.2000 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde.

Die Klägerin hat diese Grundstücksübertragung angefochten und Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück begehrt. Das LG hat der Klage wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung stattgegeben. Während des Berufungsrechtszuges wurde das Grundstück auf Antrag einer Grundschuldgläubigerin versteigert und der Beklagten gegen ein Bargebot von 28.500 EUR zugeschlagen. Dingliche Rechte im Gesamtbetrag von 136.093,65 EUR blieben als Teil des geringsten Gebots bestehen. Das Berufungsgericht hat daraufhin die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin dürfe nicht in das Grundstück vollstrecken, weil die Beklagte dieses letztlich durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung in nicht anfechtbarer Weise erworben habe. Die Beklagte sei nunmehr Eigentümerin infolge dieses Zuschlags, nicht auf Grund des Vertrages mit ihrem Ehemann.

II.

Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision mit Erfolg. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch ist nicht deshalb unbegründet, weil der Beklagten das bereits im Vertragswege zu Eigentum erworbene Grundstück später im Versteigerungsverfahren zugeschlagen worden ist.

1. Im Streitfall kommt das Anfechtungsgesetz v. 5.10.1994 zur Anwendung, weil die angefochtene Rechtshandlung nach dem 31.12.1998 vorgenommen wurde (§ 20 Abs. 1 AnfG).

2. Die Anfechtungsklage ist zulässig (§ 2 AnfG). Die Klägerin hat gegen den Schuldner einen fälligen Anspruch und durch dessen notarielles Schuldanerkenntnis einen vollstreckbaren Titel erlangt. Der von ihr unternommene Zwangsvollstreckungsversuch ist fruchtlos verlaufen; unstreitig hat der Schuldner kein Vermögen, das zur Befriedigung der titulierten Forderung ausreicht.

3. Im Wege der Gläubigeranfechtung kann der Kläger verlangen, dass ihm das zur Verfügung gestellt wird, was durch eine anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist, soweit er es zu seiner Befriedigung benötigt (§ 11 Abs. 1 S. 1 AnfG). Einen solchen Anspruch macht die Klägerin im Streitfall geltend.

a) Hat der Schuldner den streitbefangenen Vermögensgegenstand nicht durch Veräußerung, Weggabe oder Aufgabe, also durch einen von seinem Willen mindestens mitbestimmten Rechtsakt, verloren, kommt ein Anspruch nach dem Anfechtungsgesetz allerdings nicht in Betracht. Beruht der Vermögensverlust des Schuldners auf einem hoheitlichen Rechtsakt, so handelt es sich um einen Sachverhalt, den das Anfechtungsgesetz grundsätzlich nicht erfasst. Eine Klage nach §§ 3, 11 AnfG kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht darauf gestützt werden, dass der Gegner ein Grundstück des Schuldners im Wege des Zuschlags in der Zwangsversteigerung erworben hat (BGH, Urt. v. 15.5.1986 - IX ZR 2/85, MDR 1986, 1022 = ZIP 1986, 926 [927]; Huber, AnfG, 9. Aufl., § 1 Rz. 17 f.). Der Zuschlag in der Zwangsversteigerung ist ein öffentlich-rechtlicher Eigentumsübertragungsakt, durch den der Ersteher das Eigentum originär, nicht abgeleitet vom Schuldner, erwirbt (BGH v. 4.7.1990 - IV ZR 174/89, BGHZ 112, 59 [61] = MDR 1990, 990). In einem solchen Falle fehlt es an einer in §§ 3, 11 Abs. 1 AnfG umschriebenen Rechtshandlung des Schuldners (BGH, Urt. v. 15.5.1986 - IX ZR 2/85, MDR 1986, 1022 = ZIP 1986, 926 [927]). Unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger einen entsprechenden Eigentumsverlust des Schuldners gleichwohl anfechten kann, wenn jener in kollusivem Zusammenwirken mit dem Anfechtungsgegner den Vermögensverlust durch hoheitlichen Rechtsakt veranlasst hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 25.11.1964 - VIII ZR 289/62, JZ 1965, 139 [140]; Urt. v. 15.5.1986 - IX ZR 2/85, MDR 1986, 1022 = ZIP 1986, 926 [928]), kann dahingestellt bleiben, weil die Klägerin einen entsprechenden Sachverhalt nicht vorgetragen hat.

b) Das Berufungsgericht hat indes nicht beachtet, dass der Schuldner im Streitfall das Eigentum nicht durch Hoheitsakt verloren, sondern rechtsgeschäftlich auf die Beklagte übertragen hat. Der Vermögensverlust ist daher in seiner Person durch eine Rechtshandlung eingetreten, wie sie von § 11 Abs. 1 AnfG beschrieben wird. Nur auf diese Tatsache stützt sich der von der Klägerin erhobene, im Falle einer vorsätzlichen Benachteiligung gem. § 3 Abs. 1 S. 1 AnfG entstandene Anspruch. Dieser ist nicht dadurch erloschen, dass das Eigentum der Beklagten sich auf Grund eines zeitlich nachfolgenden Geschehens nunmehr auf den Zuschlagsbeschluss gründet.

§ 11 Abs. 1 AnfG stellt nicht darauf ab, wie der Anfechtungsgegner den streitbefangenen Gegenstand letztlich erworben hat. Maßgeblich ist vielmehr, auf welche Weise der Schuldner ihn verloren hat. Derjenige, der in einer von §§ 3 ff. AnfG beschriebenen Weise etwas erlangt hat, muss dem dadurch benachteiligten Gläubiger den früher dem Schuldner gehörenden Gegenstand so zur Verfügung stellen, als wäre er noch Teil von dessen Vermögen (BGH v. 7.6.1988 - IX ZR 144/87, BGHZ 104, 356 [357] = MDR 1988, 858; v. 8.7.1993 - IX ZR 116/92, BGHZ 123, 183 [185] = MDR 1994, 203; v. 13.7.1995 - IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314 [322] = MDR 1996, 412). Ein auf diesem Wege entstandener Anspruch erlischt auf Grund nachfolgender Ereignisse i.d.R. selbst dann nicht, wenn der Empfänger nicht mehr in der Lage ist, dem Gläubiger den erhaltenen Gegenstand zur Verfügung zu stellen; in diesem Fall hat er Wertersatz zu leisten (vgl. Huber, AnfG, 9. Aufl., § 11 Rz. 37 ff.). Selbst der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung haftet jedenfalls in Höhe der Bereicherung fort (§ 11 Abs. 2 AnfG). Dies folgt auch daraus, dass im Gläubigeranfechtungsrecht allein der reale Geschehensablauf maßgeblich ist (BGH v. 7.6.1988 - IX ZR 144/87, BGHZ 104, 356 ff. = MDR 1988, 858; v. 21.1.1993 - IX ZR 275/91, BGHZ 121, 179 [187] = MDR 1993, 526). Das die Gläubigeranfechtung begründende Handeln kann daher durch nachfolgendes Geschehen in seiner Wirkung grundsätzlich nicht beeinträchtigt werden, solange die Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs auf das Schuldnervermögen fortdauert.

Folglich ist es rechtlich unerheblich, ob das Zwangsversteigerungsverfahren ebenso verlaufen wäre, wenn der Schuldner Grundstückseigentümer geblieben wäre. Lediglich gedachte Geschehensabläufe haben auf die Rechtswirkungen des einmal eingetretenen Anfechtungstatbestandes keinen Einfluss. Vielmehr ist es eine Frage wertender Beurteilung, inwieweit ein hypothetischer Kausalverlauf die an sich gegebene Haftung des Anfechtungsgegners auszuschließen oder einzuschränken vermag (BGH v. 7.6.1988 - IX ZR 144/87, BGHZ 104, 356 [360] = MDR 1988, 858). Wäre der Schuldner bis zum Zuschlag Grundstückseigentümer geblieben, hätte die Klägerin im Range nach den dinglichen Gläubigern Befriedigung aus dem Grundstück suchen können. Dies hätte in gleicher Weise gegolten, wenn auch in jenem Falle der Beklagten als Meistbietender das Grundstück zugeschlagen worden wäre. Danach gibt es unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen rechtlich tragenden Grund dafür, den Anspruch nach §§ 3, 11 AnfG nur deshalb zu versagen, weil sich das der Beklagten zunächst vertraglich eingeräumte Eigentum nunmehr auf einen öffentlich-rechtlichen Erwerbsakt stützen kann.

c) Ist infolge des notariellen Vertrages v. 7.2.2000 ein Anspruch der Klägerin auf Duldung der Zwangsvollstreckung begründet worden, hat er sich durch den Zuschlagsbeschluss v. 15.5.2002 auch nicht in einen Wertersatzanspruch verwandelt. Der Primäranspruch geht nur dann in einen Wertersatzanspruch über, wenn dem Anfechtungsgegner die Erfüllung der ihm gem. § 11 Abs. 1 S. 1 AnfG obliegenden Verpflichtung unmöglich geworden ist (Huber, AnfG, 9. Aufl., § 11 Rz. 37). Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie im Insolvenzanfechtungsrecht (vgl. dort Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 143 Rz. 73 ff.; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 37 Rz. 85). Die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks. Durch dessen Erwerb in der Zwangsversteigerung ist sie weder rechtlich noch tatsächlich gehindert, für die Klägerin die Zugriffslage wieder herzustellen, die für sie bestand, solange das Grundstück dem Schuldner gehörte (vgl. Huber, AnfG, 9. Aufl., § 11 Rz. 17). Die Beklagte hat daher, sofern der mit dem Schuldner am 7.2.2000 geschlossene notarielle Vertrag die in § 3 AnfG normierten Voraussetzungen erfüllt, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden.

III.

Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts erfordert die Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 ZPO); denn eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich.

1. Das erstinstanzliche Urteil bejaht eine Gläubigerbenachteiligung durch den Vertrag v. 7.2.2000 sowie einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die entsprechende Kenntnis der Beklagten. Die Beklagte hat die tatrichterliche Würdigung streitiger entscheidungserheblicher Tatsachen mit der Berufung angegriffen. Die insoweit erforderlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht nunmehr nachzuholen haben.

2. Soweit die Beklagte vorrangige Grundpfandrechte Dritter abgelöst hat, ist sie bei Durchführung der Zwangsvollstreckung wie der von ihr befriedigte Gläubiger zu stellen. Ihr gebührt vorab der Erlös in Höhe der abgelösten Drittrechte. Der Klägerin steht nur der verbleibende Restbetrag zu. Damit wird sie im Ergebnis genauso behandelt, wie sie stände, wenn der Schuldner Eigentümer des Grundstücks geblieben wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1205667

BGHZ 2005, 397

DStZ 2004, 655

NJW 2004, 2900

BGHR 2004, 1454

EBE/BGH 2004, 3

EWiR 2005, 53

MittBayNot 2005, 160

WM 2004, 1689

WuB 2004, 893

ZIP 2004, 1619

ZfIR 2005, 33

InVo 2005, 74

KKZ 2005, 126

MDR 2004, 1379

Rpfleger 2004, 644

LMK 2004, 199

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