Entscheidungsstichwort (Thema)

Pfändbarkeit eines Pflichtteilsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

a) Ein Pflichtteilsanspruch kann vor vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit als in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingter Anspruch gepfändet werden.

b) Bei einer derart eingeschränkten Pfändung erwirbt der Pfändungsgläubiger bei Eintritt der Verwertungsvoraussetzungen ein vollwertiges Pfandrecht, dessen Rang sich nach dem Zeitpunkt der Pfändung bestimmt.

c) Wird ein Pflichtteilsanspruch vor vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit abgetreten, scheitert eine Anfechtbarkeit nicht an fehlender Gläubigerbenachteiligung. Diese wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Pflichtteilsberechtigte ohne die Abtretung die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Pfändbarkeit nicht herbeigeführt hätte.

 

Normenkette

ZPO § 852 Abs. 1, § 804 Abs. 3; AnfG § 1

 

Nachgehend

LG Tübingen (Beschluss vom 18.07.2008; Aktenzeichen 5 T 20/08)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 26. Mai 1992 – berichtigt durch Beschluß vom 21. Juli 1992 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Auf Antrag der Klägerin wurde über das Vermögen ihres Schuldners H. W. am 24. Juli 1986 das Konkursverfahren eröffnet. Am 8. Januar 1990 erwirkte die Klägerin die vollstreckbare Ausfertigung eines Auszugs aus der Konkurstabelle über eine Forderung von 1.458.747,05 DM gegen den Schuldner. Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Gläubigeranfechtung Zahlung und Duldung der Zwangsvollstreckung. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 7. Oktober 1986 verstarb die Mutter des Schuldners. Erbe wurde sein Bruder E. W. Am 5. März 1987 trat der Schuldner seine Pflichtteilsansprüche an seine Ehefrau ab. Diese setzte durch Testament vom 3. September 1988 die Beklagte zur Alleinerbin ein und verstarb am 7. Mai 1989. In einem gerichtlichen Vergleich vom 11. Februar 1991 verpflichtete sich E. W., an die Beklagte den noch zu ermittelnden Wert bestimmter Grundstücke abzüglich 80.000 DM zu zahlen. Der Wert wurde auf 398.922,50 DM festgesetzt. Davon wurden der Beklagten 294.997,30 DM zugewendet. Diesen Betrag nebst Zinsen macht die Klägerin mit ihrem Zahlungsanspruch geltend. Wegen eines weiteren Betrages von 23.925,50 DM verlangt sie Duldung der Zwangsvollstreckung in die Forderung der Beklagten gegen E. W. Einen in erster Instanz rechtshängig gemachten Auskunftsanspruch haben die Parteien übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 91, 91 a ZPO der Klägerin auferlegt. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin im wesentlichen Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Gläubigeranfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG lägen nicht vor, weil der Klägerin durch die Abtretung der Pflichtteilsansprüche kein pfändbares Vermögen entzogen worden sei, so daß es an einer Gläubigerbenachteiligung fehle. Nach § 852 Abs. 1 ZPO sei ein Pflichtteilsanspruch der Pfändung nur unterworfen, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden sei. Beides sei vor der Abtretung nicht der Fall gewesen. Diese könne eine Pfändbarkeit nur für die Gläubiger des Zessionars begründen.

II.

Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Die Klägerin ist an der Anfechtung nicht durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Schuldners gehindert. Der Pflichtteilsanspruch wurde vom Konkursbeschlag nicht erfaßt, weil der Erbfall der Konkurseröffnung zeitlich nachfolgte (§ 2317 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 KO). Die Gläubigeranfechtung ist deshalb weder nach § 13 Abs. 1 AnfG noch durch § 14 KO ausgeschlossen (§ 13 Abs. 5 AnfG; vgl. auch Kilger, KO 15. Aufl. § 14 Anm. 3). Es kann somit auf sich beruhen, ob das Konkursverfahren unterdessen beendet ist.

2. Der Annahme des Berufungsgerichts, es fehle an einer Gläubigerbenachteiligung, ist nicht zu folgen.

a) Die Anfechtung einer Rechtshandlung nach 1 ff. AnfG soll Gegenstände, welche ein Schuldner aus seinem Vermögen weggegeben hat, dem Vollstreckungszugriff des Gläubigers wieder erschließen und die durch die Vermögensverschiebung verhinderte Zwangsvollstreckung durch „Rückgewähr” (§ 7 Abs. 1 AnfG) wieder ermöglichen. Es soll die Zugriffslage wiederhergestellt werden, die ohne die anfechtbare Handlung bestanden hätte (vgl. BGHZ 90, 207, 211 f.; 104, 355, 357; 116, 222, 224; BGH, Urt. v. 11. Oktober 1989 – VIII ZR 285/88, WM 1990, 78, 81; v. 19. März 1992 – IX ZR 14/91, ZIP 1992, 558, 561; Böhle-Stamschräder/Kilger, AnfG 7. Aufl. Einf. Anm. II, 1; Jaeger, Die Gläubigeranfechtung 2. Aufl. § 1 Anm. 53 ff.). Danach ist eine Anfechtung ausgeschlossen, wenn der veräußerte Gegenstand bei dem Schuldner der Zwangsvollstreckung nicht unterlag (OLG Braunschweig MDR 1953, 741; Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O. § 1 Anm. IV, 2; Jaeger a.a.O. § 1 Anm. 57 f.; Kuhn/Uhlenbruck, KO 10. Aufl. § 29 Rdnr. 31). Aus diesem Grund wird die Verfügung über einen Pflichtteilsanspruch oder – was hier in Betracht kommt – einen Pflichtteilsergänzungsanspruch, der insoweit einem Pflichtteilsanspruch gleichsteht (vgl. BGB-RGRK/Johannsen, 12. Aufl. § 2325 Rdnr. 3; MünchKomm/Frank, BGB 2. Aufl. § 2325 Rdnr. 4; Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB 12. Aufl. Vorbem. zu §§ 2325-2330 Rdnr. 8; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 852 Rdnr. 1; Zöller/Stöber, ZPO 17. Aufl. § 852 Rdnr. 2), nur dann als anfechtbar angesehen, wenn der Anspruch vor der Verfügung bereits durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden war, weil er nach § 852 Abs. 1 ZPO nur unter diesen Voraussetzungen der Pfändung unterliegt (vgl. Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O. § 1 Anm. III, 1; IV, 2 b; Jaeger a.a.O. § 1 Anm. 57; auch Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 9 Rdnr. 15).

b) Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Auch wenn der Pflichtteilsanspruch der Pfändung nur unter bestimmten Voraussetzungen unterliegt, schließt dies nicht aus, daß die Gläubiger des Berechtigten auf den durch den Eintritt dieser Voraussetzungen aufschiebend bedingt durchsetzbaren Anspruch zugreifen und ihn in dieser Bedingtheit pfänden (vgl. OLG Naumburg OLGE 40 [1920], 154 f.). Das wurde vom Landgericht Berlin (Der Deutsche Rechtspfleger 1935 Sp. 443, 444) und vom Kammergericht (JW 1935, 3486, 3487) mit der Begründung abgelehnt, es handele sich um eine bedingte Pfändung, und diese sei – wie grundsätzlich jeder bedingte Staatsakt – nicht zulässig. Das Schrifttum ist dieser Rechtsprechung gefolgt (vgl. AK-BGB/Däubler § 2317 Rdnr. 10; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 51. Aufl. § 852 Rdnr. 1; BGB-RGRK/Johannsen a.a.O. § 2317 Rdnr. 19; Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts 3. Aufl. § 39 VII, 2 = S. 724 mit Fußn. 266; MünchKomm/Frank a.a.O. § 2317 Rdnr. 16; Staudinger/Ferid/Cieslar a.a.O. § 2317 Rdnr. 18; Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. § 852 Rdnr. 6 mit Fußn. 15; Stöber, Forderungspfändung 10. Aufl. Rdnr. 271; Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 852 Anm. C). Diese Auffassung wird Sinn und Zweck des § 852 Abs. 1 ZPO nicht gerecht.

aa) Das Anliegen der Norm geht dahin, mit Rücksicht auf die familiäre Verbundenheit von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem allein diesem die Entscheidung zu überlassen, ob der Anspruch gegen den Erben durchgesetzt werden soll (vgl. Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle Bd. V S. 526; Bd. VI S. 754; Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen Bd. 8 1898 S. 159 zu § 749 b; BGH, Urt. v. 7. Juli 1982 – IVb ZR 738/80, NJW 1982, 2771, 2772 m. w. N.). Gläubiger sollen diese Entscheidung nicht an sich ziehen können, auch wenn dadurch die Kreditfähigkeit des Pflichtteilsberechtigten geschmälert wird (vgl. Motive zum BGB Bd. V S. 418). § 852 Abs. 1 ZPO hat hingegen nicht zum Ziel, den Pflichtteilsanspruch den Gläubigern des Berechtigten zu entziehen. Daß der Pflichtteilsanspruch ohne gerichtliche Geltendmachung oder ein vertragliches Anerkenntnis nicht für Schulden des Berechtigten haftet, ist nur die notwendige Folge, nicht aber der Grund der diesem eingeräumten Entscheidungsfreiheit.

bb) Dann erscheint es geboten, das in § 852 Abs. 1 ZPO angeordnete Pfändungsverbot in einem an dem Normzweck ausgerichteten eingeschränkten Sinn zu verstehen. Der Schutzzweck der Vorschrift verbietet lediglich eine Pfändung, die ein umfassendes Pfandrecht an dem Pflichtteilsanspruch begründet, durch das die Entscheidungsfreiheit des Berechtigten ausgeschaltet wird. Einer Pfändung, die diese Entscheidungsfreiheit wahrt, indem sie ein Pfandrecht nur für den Fall begründet, daß die in § 852 Abs. 1 ZPO vorgeschriebenen Voraussetzungen für einen umfassenden Zugriff erfüllt werden, steht dieser Zweck nicht entgegen.

cc) Ein derart eingeschränktes Pfandrechts ist möglich. Das zeigt ein Vergleich mit der Pfändung aufschiebend bedingter Ansprüche, die allgemein als zulässig angesehen wird (vgl. BGHZ 53, 29, 32; Gerhardt, Vollstreckungsrecht 2. Aufl. § 9 I 1; Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. § 829 Rdnr. 3; Stöber a.a.O. Rdnr. 25; Wieczorek a.a.O. § 829 Anm. B II c). Derartige Ansprüche sind vor Eintritt der Bedingung weder in vollem Umfang entstanden noch im Wege des Zwangszugriffs verwertbar. Demgegenüber ist der Pflichtteilsanspruch nach § 2317 Abs. 1 BGB bereits mit dem Erbfall als Vollrecht begründet. Einer aufschiebenden (Wollens-) Bedingung unterliegt allein die zwangsweise Verwertbarkeit. Bei dieser strukturellen Ähnlichkeit bestehen gegen die eingeschränkte Pfändung des Pflichtteilsanspruchs keine Bedenken. Dabei erfolgt die Pfändung als Staatsakt bedingungslos. Bedingt ist allein die getroffene Anordnung (vgl. RGZ 135, 139, 141 zur Pfändung künftiger Forderungen). Gepfändet wird der in seiner Verwertbarkeit durch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO aufschiebend bedingte Pflichtteilsanspruch.

dd) Durch eine derartige Pfändung wird in die Entscheidungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten nicht eingegriffen (anders Schuschke, Zwangsvollstreckung § 852 Rdnr. 5). Er kann nach wie vor allein entscheiden, ob der Anspruch gegen den Erben durchgesetzt werden soll. Im übrigen sind ihm in aller Regel seine Schulden auch ohne die Pfändung bekannt und rechnet er damit, daß seine Gläubiger nach Eintritt der Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO in jedem Fall auf den Pflichtteilsanspruch zugreifen können.

ee) Freilich kann eine Pfändung vor Eintritt der Verwertbarkeit die Abtretung eines unbelasteten Anspruchs verhindern. Auch dies steht der Zulässigkeit einer solchen Pfändung jedoch nicht entgegen. Indem der Gesetzgeber die Abtretung zuließ, bevor die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Pfändbarkeit vorliegen, hat er nicht das Ziel verfolgt, es dem Berechtigten zu ermöglichen, den Pflichtteilsanspruch dem Zugriff seiner Gläubiger zugunsten des Zessionars und dessen Gläubiger zu entziehen (anders wohl Jaeger/Henckel a.a.O. § 9 Rdnr. 16). Eine derartige Annahme wäre durch den Normzweck von § 2317 BGB und § 852 Abs. 1 ZPO nicht gedeckt. Den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, daß die mit der gewählten Regelung verbundenen Rechtsfolgen im einzelnen durchdacht und in einem bestimmten Sinn angestrebt wurden. Nach § 266 Abs. 1, 3 des Vorentwurfs zum Erbrecht sollte die mit dem Eintritt des Erbfalls erworbene Pflichtteilsforderung vererblich und veräußerlich sein, der Zwangsvollstreckung unterliegen und in die Konkursmasse des Berechtigten fallen (vgl. Schubert, Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, Erbrecht Teil 1 S. 55, 807 ff.). Eine ähnliche Regelung enthielt § 1944 des Kommissionsentwurfs von 1887 (vgl. Schubert a.a.O., Anlagen: Entwürfe S. 576). Demgegenüber sah § 1992 Abs. 2 Satz 2 eines weiteren Entwurfs von 1887 vor, daß der mit dem Erbfall entstandene, vererbliche und übertragbare Pflichtteilsanspruch der Pfändung nur unterworfen sein sollte, wenn er von dem Berechtigten gerichtlich oder außergerichtlich geltend gemacht war; nur unter diesen Voraussetzungen sollte er auch zu dessen Konkursmasse gehören (vgl. Schubert a.a.O., Anlagen: Entwürfe S. 1238). Im Laufe der Beratungen wurde beschlossen, daß eine Zwangsvollstreckung in den Pflichtteilsanspruch und dessen Zugehörigkeit zur Konkursmasse aus Gründen der Rechtssicherheit vertragliche Anerkennung oder Rechtshängigkeit zur Voraussetzung haben sollten (vgl. Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle Bd. V S. 525, 527; auch MünchKomm/Smid, ZPO § 852 Rdnr. 2). Später wurde vorgeschlagen, die erwähnte Regelung in § 1992 Abs. 2 Satz 2 durch § 749 d CPO (den heutigen § 852 Abs. 1 ZPO) und einen § 1 b KO zu ersetzen (vgl. Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle Bd. VI S. 726, 753). Nach dieser Vorschrift sollte ein Pflichtteilsanspruch nur dann zur Konkursmasse gehören, wenn er zur Zeit des Konkursverfahrens durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden war. § 1 b KO wurde während der Beratungen gestrichen. Man einigte sich dahin, „daß die ganze in der Vorschrift behandelte Frage” – namentlich die Frage, ob der vor Konkurseröffnung entstandene Pflichtteilsanspruch auch dann zur Konkursmasse gehört, wenn er erst nach der Eröffnung des Konkursverfahrens vertraglich anerkannt oder rechtshängig gemacht wurde – „für die Wissenschaft offen bleiben solle” (vgl. Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle Bd. VI S. 802).

Für den Fall des Konkurses wird aus dem beschränkten Zweck des § 852 Abs. 1 ZPO neuerdings mit Recht abgeleitet, daß der Pflichtteilsanspruch unter den genannten Voraussetzungen vom Konkursbeschlag erfaßt werde (Jaeger/Henckel a.a.O. § 1 Rdnr. 62, 86; § 9 Rdnr. 16; § 29 Rdnr. 59; auch Soergel/Dieckmann, BGB 12. Aufl. § 2317 Rdnr. 17). Da die Massezugehörigkeit nach § 1 Abs. 1 KO voraussetzt, daß das Vermögen der Zwangsvollstreckung unterliegt, besteht kein hinreichender Grund, die Möglichkeit eines beschränkten Zugriffs auf den Pflichtteilsanspruch im Wege der Einzelzwangsvollstreckung vor Eintritt der Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO auszuschließen (vgl. Soergel/Dieckmann a.a.O. § 2317 Rdnr. 17: Pfändungszugriff und Konkursbeschlag sollten sich in ihren Wirkungen nicht grundlegend unterscheiden).

ff) Die eingeschränkte Pfändbarkeit des Pflichtteilsanspruchs macht es möglich, eine vom Gesetzeszweck nicht geforderte und nicht gerechtfertigte Benachteiligung der Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten zu verhindern. Wollte man die Pfändung erst nach voller Verwertbarkeit des Anspruchs zulassen, hätte es der Berechtigte wegen der in § 2317 Abs. 2 BGB vorgesehenen unbeschränkten Abtretbarkeit des Pflichtteilsanspruchs (vgl. RG SeuffA 68 [1913] Nr. 130 = Das Recht 1913 Nr. 533) in der Hand, bestimmte Gläubiger durch die Einräumung vertraglicher Pfandrechte (vgl. dazu Lange/Kuchinke a.a.O. § 39 VII, 2 = S. 723; Soergel/Dieckmann a.a.O. § 2317 Rdnr. 11, 15; Staudinger/Ferid/Cieslar a.a.O. S. 2317 Rdnr. 11, 14) zu bevorzugen. Gründe für eine derartige, durch keine Anfechtungsrechte behebbare Ungleichbehandlung sind nicht ersichtlich. Ferner kann Bevorzugungen des Abtretungsempfängers und seiner Gläubiger vor den Gläubigern des Pflichtteilsberechtigten sowie nur schwer erkenn- und beweisbaren eigennützigen Manipulationen des Berechtigten wie Scheinabtretungen oder heimlichen Gegenleistungsvereinbarungen mit dem Zessionar entgegengetreten werden.

c) Ist die Pfändung eines durch den Eintritt der Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO aufschiebend bedingt verwertbaren Pflichtteilsanspruchs möglich, kann in der Abtretung des Pflichtteilsanspruchs eine Gläubigerbenachteiligung liegen. Bei einer derartigen Pfändung erwirbt der Pfändungsgläubiger bei Eintritt der Bedingung ein vollwertiges Pfandrecht. Dessen Rang bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Pfändung. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 161 Abs. 1 und des § 1209 BGB (vgl. dazu RG WarnR 1912 Nr. 345). Danach gilt das Prioritätsprinzip auch für die Verpfändung bedingter Ansprüche (vgl. BGB-RGRK/Kregel a.a.O. S. 1209 Rdnr. 4; Erman/Küchenhoff, BGB 9. Aufl. § 1209 Rdnr. 2; MünchKomm/Damrau a.a.O. § 1209 Rdnr. 5; Palandt/Bassenge, BGB 52. Aufl. § 1209 Rdnr. 2; Planck/Flad, Sachenrecht Bd. 2 5. Aufl. S. 1209 Anm. 3; Staudinger/Wiegand a.a.O. § 1209 Rdnr. 6). Da sich vertragliches Pfandrecht und Pfändungspfandrecht in ihrer rangwahrenden Funktion nicht unterscheiden (BGHZ 52, 99, 107 f.; 93, 71, 76; vgl. auch Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. § 829 Rdnr. 3, 5 mit Fußn. 13; Stöber a.a.O. Rdnr. 30), ist auch bei der Pfändung aufschiebend bedingter Ansprüche und der eingeschränkten Pfändung eines Pflichtteilsanspruchs für die Bestimmung des Ranges auf den Zeitpunkt der Pfändung abzustellen.

Durch eine Abtretung wird die Rückbeziehung des vollen Pfandrechts auf den Zeitpunkt der eingeschränkten Pfändung auch dann nicht gehindert, wenn die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO, wie im Streitfall, erst nach der Abtretung eintreten oder wenn man – ohne daß dies hier einer Entscheidung bedarf – mit einer verbreiteten Meinung in erweiternder Auslegung von § 852 Abs. 1 ZPO davon ausgeht, daß auch die Abtretung für sich genommen die unbeschränkte Pfändbarkeit des Pflichtteilsanspruchs begründet (vgl. BGB-RGRK/Johannsen a.a.O. § 2317 Rdnr. 18; Soergel/Dieckmann a.a.O. § 2317 Rdnr. 15; Staudinger/Ferid/Cieslar a.a.O. § 2317 Rdnr. 19; Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. § 852 Rdnr. 7).

d) Der Zessionar könnte in keinem Fall damit gehört werden, der Schuldner hätte ohne die Abtretung den Eintritt der Voraussetzungen für eine unbeschränkte Pfändbarkeit nicht herbeigeführt, so daß der Anspruch für den Gläubiger unverwertbar geblieben wäre und es deshalb an einer Gläubigerbenachteiligung fehle. Mit einem solchen Vorbringen beriefe der Zessionar sich auf einen hypothetischen Kausalverlauf. Diesem kommt im Anfechtungsrecht gegenüber dem realen Geschehen grundsätzlich keine Bedeutung zu, wenn der übertragene Gegenstand oder der an seine Stelle getretene Wert (vgl. BGH, Urt. v. 27. September 1990 – IX ZR 67/90, WM 1990, 1981, 1984; Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O. § 7 Anm. III, 10; Jaeger a.a.O. § 7 Anm. 17) noch im Vermögen des Anfechtungsgegners vorhanden ist (vgl. BGHZ 104, 355, 360 ff.; BGH, Urt. v. 21. Januar 1993 – IX ZR 275/91, WM 1993, 476, 479, z. V. b. in BGHZ). Bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise, die hier insbesondere auch durch den Normzweck des § 852 Abs. 1 ZPO beeinflußt wird, besteht kein zureichender Grund, einem anfechtenden Gläubiger den Zugriff auf den abgetretenen Pflichtteilsanspruch oder einen Wertersatz zu versagen.

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 AnfG im einzelnen festzustellen. Es wird ferner zu beachten haben, daß die Kostenentscheidung, soweit sie die auf den übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten Teil entfallenden Kosten betrifft, keiner Anfechtung im Wege der Revision unterliegt (vgl. BGHZ 107, 315, 317 f.; 113, 362, 363 ff.) und hier auch nicht mehr angegriffen ist. Gleichwohl kann die Kostenentscheidung insgesamt vom Revisionsgericht aufgehoben werden (BGHZ 58, 341, 342). Dies erscheint im Streitfall schon deshalb zweckmäßig, weil in den Vorinstanzen eine Aussonderung der den erledigten Teil betreffenden Kosten unterblieben ist. Das Berufungsgericht hat dies gegebenenfalls nachzuholen und den entsprechenden Kostenanteil bei der neuen Entscheidung als rechtskräftig entschieden zu behandeln.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609742

BGHZ 123, 183

BGHZ, 183

BB 1993, 2046

NJW 1993, 2876

FamRZ 1993, 1061

ZEV 1997, 245

ZIP 1993, 1662

DNotZ 1994, 780

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