Entscheidungsstichwort (Thema)

Beurteilung von Konditionen. Beendigung langjähriger vertraglichen Bindung. Angebotsumstellungsflexibilität. Verhaltensspielräume. Unangemessene Geschäftsbedingungen. Feststellung konkreter Anhaltspunkte. Beendigung einer langjährigen Vertragsbeziehung. Missbrauch von Marktmacht

 

Leitsatz (amtlich)

a) Bei der Beurteilung von Konditionen für die Beendigung einer langjährigen vertraglichen Bindung an einen marktstarken Anbieter setzt die Annahme, die Angebotsumstellungsflexibilität potentieller Wettbewerber beschränke durch die Marktmacht eröffnete Verhaltensspielräume, die Feststellung konkreter Anhaltspunkte voraus.

b) Unangemessene Geschäftsbedingungen, die die Beendigung einer langjährigen Vertragsbeziehung mit einem Normadressaten des § 19 Abs. 1 GWB erschweren, stellen regelmäßig einen Missbrauch von Marktmacht dar.

 

Normenkette

GWB § 18 Abs. 3, § 19 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 27.08.2014; Aktenzeichen 6 U 112/11 (Kart.))

LG Mannheim (Urteil vom 11.10.2011; Aktenzeichen 2 O 224/09 Kart.)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 27.8.2014 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), eine Anstalt des öffentlichen Rechts, schließt mit Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes (Beteiligten) Beteiligungsvereinbarungen in Form von Gruppenversicherungsverträgen ab. Auf dieser Grundlage gewährt sie den Arbeitnehmern der Beteiligten nach Maßgabe ihrer Satzung (VBLS) eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung. Die Finanzierung der Beklagten erfolgt im Abrechnungsverband West, dem die Klägerin angehörte, seit 1967 über ein Umlageverfahren. § 23 Abs. 2 VBLS verpflichtet ausscheidende Beteiligte, einen Gegenwert zur Deckung der aus dem Anstaltsvermögen nach dem Ausscheiden des Beteiligten zu erfüllenden Verpflichtungen zu zahlen.

Rz. 2

Die Klägerin, eine Ärztekammer, schloss am 1.11.1978 einen Beteiligungsvertrag mit der Beklagten. Sie kündigte ihre Beteiligung mit Wirkung zum 31.12.2004. Auf die Gegenwertforderung der Beklagten zahlte die Klägerin am 25.4.2005 einen Betrag von 1.950.000 EUR sowie am 3.5.2006 weitere 273.283,45 EUR zzgl. Gutachterkosten i.H.v. 3.538 EUR.

Rz. 3

Die Klägerin hält die Regelungen zum Gegenwert in der Satzung der Beklagten für nichtig. Sie begehrt die Rückzahlung der auf die Gegenwertforderung der Beklagten erbrachten Zahlungen nebst näher bestimmter Zinsen sowie die Feststellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung der Klägerin durch Verwendung der Satzungsregelung in § 23 Abs. 2 VBLS. Das LG hat dem Rückzahlungsantrag stattgegeben, Zinsen jedoch nur in geringerem als beantragtem Umfang zugesprochen. Den Feststellungsantrag hat das LG abgewiesen.

Rz. 4

Gegen dieses Urteil haben die Beklagte Berufung und die Klägerin Anschlussberufung eingelegt.

Rz. 5

Mit Urteil vom 10.10.2012 (IV ZR 10/11, BGHZ 195, 93) erklärte der BGH die Gegenwertregelung in § 23 Abs. 2 VBLS wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB für unwirksam. Am 21.11.2012 beschloss die Beklagte daraufhin die 18. Änderung ihrer Satzung, mit der die Gegenwertregelung in § 23 VBLS a.F. geändert und durch die §§ 23a bis 23c VBLS n.F. ergänzt wurde. Darüber hinaus fasste der Verwaltungsrat der Beklagten einen Satzungsergänzenden Beschluss (nachfolgend SEB) zu §§ 23 bis 23c VBLS n.F., nach dem für solche Beteiligte, die - wie die Klägerin - ihre Beteiligung zwischen dem 1.1.2002 und dem 31.12.2012 beendeten, anstelle der §§ 23 bis 23b VBLS n.F. die Bestimmung des § 23 VBLS in einer abweichenden Fassung anzuwenden ist.

Rz. 6

Die Beklagte zahlte an die Klägerin am 10.12.2013 auf Grundlage von Nr. 3 SEB einen Betrag von 244.528,27 EUR. In Höhe dieses Betrags haben die Parteien im Termin vor dem Berufungsgericht am 14.5.2014 den Rechtsstreit in der Hauptsache für teilweise erledigt erklärt.

Rz. 7

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung der Klägerin hat es dieser den in zweiter Instanz noch verlangten Betrag von 1.982.293,18 EUR nebst Zinsen in unterschiedlicher Höhe zugesprochen und festgestellt,

dass die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich dadurch ausgenutzt hat, dass sie durch Verwendung der Satzungsregelung in § 23 Abs. 2 VBLS a.F. bis zum 9.10.2012 Entgelte und Geschäftsbedingungen gefordert hat, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden (§ 19 Abs. 4 Ziff. 2 GWB), so dass a) § 23 Abs. 2 VBLS im Verhältnis zur Klägerin nichtig war und keinerlei Rechtswirkungen entfaltet hat sowie b) die Beklagte der Klägerin wegen des aufgezeigten Kartellverstoßes zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Rz. 8

Die weitergehende Anschlussberufung hat das Berufungsgericht abgewiesen.

Rz. 9

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin begehrt im Wege der Anschlussrevision, die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.950.000 EUR für die Zeit vom 1.7.2005 bis zum 13.11.2009.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 10

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Rz. 11

Ein Rechtsgrund für die als Gegenwert empfangene Leistung ergebe sich weder aus § 23 VBLS a.F. noch aus dem während des Berufungsverfahrens vom Verwaltungsrat der Beklagten beschlossenen Satzungsergänzenden Beschluss. § 23 Abs. 2 VBLS a.F. benachteilige ausgeschiedene Beteiligte unangemessen und sei deshalb unwirksam. Die Beklagte habe zwar mit dem Satzungsergänzenden Beschluss eine Neuregelung treffen können. Diese Neuregelung sei indes nicht tarifrechtlichen Ursprungs, so dass sie der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliege. Die Neuregelung benachteilige die Klägerin ebenfalls unangemessen und sei deshalb unwirksam. Wie die vom BGH für unwirksam erachtete frühere Gegenwertregelung bringe das nunmehr geltende Gegenwertmodell erhebliche finanzielle Belastungen in Form einer Einmalzahlung mit sich und setze die ausscheidenden Beteiligten unverändert einem gravierenden Prognoserisiko aus. Auch das von der Beklagten nunmehr als Alternative angebotene Erstattungsmodell stelle bei einer Gesamtbetrachtung keine angemessene Regelung dar. Es führe nicht nur zu weitreichenden finanziellen Belastungen der ausgeschiedenen Beteiligten, weil sie während des Erstattungszeitraums finanziell so behandelt würden, als wären sie Beteiligte der VBL geblieben, und weil die Schlusszahlung nach wie vor beträchtlich sein könne. Es berge darüber hinaus ein gravierendes Prognoserisiko.

Rz. 12

Der mit der Anschlussberufung der Klägerin verfolgte Antrag auf Zahlung weiterer Zinsen sei teilweise begründet. Das LG habe zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch aus § 33 Abs. 1 GWB a.F. und § 33 Abs. 3 GWB i.V.m. § 19 GWB verneint. Die Beklagte verfüge auf dem räumlich auf Deutschland und sachlich auf die zusätzliche betriebliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung für im öffentlichen Dienst Beschäftigte begrenzten Markt eine marktbeherrschende Stellung. Aus Sicht der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes komme für ihre Arbeitnehmer allein eine Zusatzversorgung in Betracht, die sich an Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes wende. Dafür seien andere Vorgaben als im Bereich der privaten Wirtschaft maßgeblich. Der Marktanteil der Beklagten an der Gesamtzahl der durch die öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgungskassen pflichtversicherten Beschäftigten habe 40 % im Jahr 2002 und 37 % im Jahr 2006 betragen, während auf die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung ein durchschnittlicher Marktanteil von jeweils 2 bis 3 % entfallen sei. Eine überragende Marktstellung der Beklagten folge auch daraus, dass Bund und Länder als größte Beteiligte Träger der VBL seien und kein Interesse an einer anderweitigen Bedarfsdeckung hätten.

Rz. 13

Durch die Verwendung unzulässiger allgemeiner Geschäftsbedingungen habe die Beklagte ihre marktbeherrschende Stellung i.S.v. § 19 GWB fahrlässig missbraucht. Dieser Verstoß verpflichte die Beklagte nach § 33 Abs. 3 GWB und § 33 Abs. 1 GWB a.F. zum Ersatz des Schadens, der der Klägerin durch die Forderung des Gegenwerts entstanden sei. Die erste Zahlung der Klägerin vom 25.4.2005 sei vor Inkrafttreten der Siebten GWB-Novelle am 1.7.2005 geleistet worden und deshalb nicht gem. § 33 Abs. 3 Satz 4 GWB bereits mit Schadenseintritt i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Schuldverhältnisse, die keine Dauerschuldverhältnisse seien, seien nach dem Recht zu beurteilen, das zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses galt. Schon nach der bis 1.7.2005 geltenden Rechtslage sei der Schadensersatzanspruch nach § 33 Abs. 1 GWB a.F. jedoch gem. §§ 849, 246 BGB mit 4 % jährlich zu verzinsen. Durch die weitere Zahlung der Klägerin sei am 3.5.2006 ein neues Schuldverhältnis zwischen den Parteien entstanden, so dass der diese Zahlung betreffende Rückforderungsanspruch gem. § 33 Abs. 3 Satz 4 GWB i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sei.

Rz. 14

Da der Zahlungsantrag das Rechtsverhältnis zur Beklagten nicht erschöpfend erfasse, sei auch der Antrag der Klägerin, die Nichtigkeit des § 23 Abs. 2 VBLS und die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festzustellen, zulässig und begründet.

Rz. 15

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, weil sowohl § 23 Abs. 2 VBLS a.F. wie auch § 23 VBLS in der Fassung des Satzungsändernden Beschlusses unwirksam sind und der Klägerin auch die geltend gemachten kartellrechtlichen Ansprüche zustehen.

Rz. 16

1. Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich die Beklagte weder auf § 23 VBLS a.F. als Rechtsgrund für die empfangene Gegenwertzahlung berufen kann, noch die nunmehr allein in Betracht kommenden §§ 23 und 23c VBLS n.F. nach Maßgabe des Satzungsergänzenden Beschlusses vom 21.11.2012 einen Behaltensgrund für die geleistete Gegenwertzahlung bilden, sondern wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sind. Das hat der BGH in seinem Urteil vom 7.9.2016 (IV ZR 172/15, VersR 2016, 1420) im Einzelnen begründet; hierauf wird Bezug genommen.

Rz. 17

2. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte mit der Erhebung der Gegenwertforderung eine marktbeherrschende Stellung missbraucht hat und der Klägerin deshalb zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Rz. 18

a) Die Beklagte ist Normadressatin nach § 18 GWB und § 19 Abs. 2 GWB a.F.

Rz. 19

aa) Die Beklagte ist jedenfalls im Zusammenhang mit der Berechnung von Gegenwertansprüchen gegen frühere Beteiligte ihrer Zusatzversorgung Unternehmen im Sinne des deutschen Kartellrechts (BGH, Urt. v. 6.11.2013 - KZR 58/11, BGHZ 199, 1 Rz. 45 - VBL-Gegenwert I).

Rz. 20

bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht als sachlich relevanten Markt auf Grundlage des Bedarfsmarktkonzepts den Markt der zusätzlichen betrieblichen Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung für im öffentlichen Dienst Beschäftigte angesehen, weil für die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst andere Vorgaben maßgeblich seien als in der privaten Wirtschaft.

Rz. 21

(1) Vergeblich wendet die Revision gegen diese Beurteilung ein, relevant sei nicht der Markt der Zusatzversorgung für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, sondern der Markt der privaten Altersvorsorge schlechthin.

Rz. 22

Zwar hat der Senat angenommen, die für ein Wettbewerbsverhältnis erforderliche grundsätzliche Austauschbarkeit der Leistungen der Beklagten mit Leistungen privater Versicherungsunternehmen sei gegeben und die von der Klägerin gewährte Zusatzversorgung erfolge in Form einer auch in der gewerblichen Wirtschaft üblichen Betriebsrente (BGHZ 199, 1 Rz. 47, 58 - VBL-Gegenwert I). Aus diesen im Zusammenhang mit der Unternehmenseigenschaft der Beklagten angestellten Erwägungen ergibt sich indes nicht, dass die Leistungen der Beklagten und der privaten Versicherer im Bereich der Altersversorgung seit der Systemänderung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes schlechthin austauschbar geworden sind. So fehlt es bei Lebens- oder Rentenversicherungen zur privaten Vorsorge, aber auch bei privaten Unternehmen zur Altersvorsorge für ihre Beschäftigten angebotenen Gruppenversicherungsverträgen an einer Austauschbarkeit mit den speziell den Anforderungen des öffentlichen Dienstes angepassten Versorgungsleistungen der Beklagten. Zwar sind die dazu vom Berufungsgericht lediglich beispielhaft erwähnten Regelungen zur Behandlung von Elternzeit und Altersteilzeitarbeit bei den Versorgungsansprüchen grundsätzlich auch in Angeboten privater Versicherungen möglich. Soweit Produkte privater Versicherer die Anforderungen des öffentlichen Dienstes aber nicht erfüllen, sind sie nicht geeignet, die Nachfrage der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu befriedigen und können deshalb nicht in den hier sachlich relevanten Markt einbezogen werden.

Rz. 23

Der sachlich relevante Markt ist damit auf Angebote der zusätzlichen Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung für im öffentlichen Dienst Beschäftigte beschränkt. Soweit private Versicherer derartige Versicherungsprodukte anbieten, sind sie auf dem relevanten Markt tätig.

Rz. 24

(2) Das Berufungsgericht hat angenommen, seit der Systemumstellung auf ein kapitalgedecktes Modell zum 1.1.2002 bestehe für private Anbieter grundsätzlich die Möglichkeit, kurzfristig in den Markt der betrieblichen Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst einzutreten. Dies führe im Streitfall aber nicht zu einer weiteren Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes unter dem Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität.

Rz. 25

Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg. Die Marktabgrenzung dient dem Ziel, die Wettbewerbskräfte zu ermitteln, denen die beteiligten Unternehmen in dem für die kartellrechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitraum ausgesetzt sind. Für die Frage, ob ein Unternehmen über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, kommt es entscheidend darauf an, ob die Verhaltensspielräume dieses Unternehmens hinreichend durch den Wettbewerb kontrolliert werden (BGH, Urt. v. 4.11.2003 - KZR 16/02, BGHZ 156, 379, 384 - Strom und Telefon I; Beschl. v. 16.1.2007 - KVR 12/06, BGHZ 170, 299 Rz. 19 - National Geographic II). Dabei beruht das Konzept der Angebotsumstellungsflexibilität auf der Erkenntnis, dass ein die Verhaltensspielräume kontrollierender Wettbewerb auch von Anbietern ähnlicher Produkte ausgeht, die ihr Angebot kurzfristig umstellen können, um eine bestehende Nachfrage zu befriedigen. Eine solche Kontrolle von Verhaltensspielräumen durch Angebotsumstellung von Wettbewerbern ist im Bereich der Fusionskontrolle von Bedeutung, wo die Prüfung der Frage, ob eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird, anhand einer mehrjährigen Prognose der künftigen Marktstruktur zu beantworten ist. Eine entsprechende Bedeutung kann dem Konzept der Angebotsumstellungsflexibilität auch im Zusammenhang mit Marktanteilsschwellen für die Freistellung bestimmter wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen zukommen (vgl. BGH, Beschl. v. 23.6.2009 - KVR 57/08, WuW/E DE-R 2732 Rz. 33 - Versicherergemeinschaft). Bei Anwendung der Verbote des Missbrauchs marktstarker oder marktbeherrschender Stellungen bedarf es hingegen in jedem Einzelfall sorgfältiger Prüfung, ob das aktuelle Wettbewerbsverhalten des Normadressaten schon im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt tatsächlich durch eine grundsätzlich bestehende Angebotsumstellungsflexibilität von Wettbewerbern kontrolliert wird.

Rz. 26

Denn in diesen Fällen geht es um die Beurteilung eines gegenwärtigen, unmittelbar bevorstehenden oder früheren Marktverhaltens gegenüber einzelnen Marktteilnehmern und nicht um die künftige Marktstruktur (vgl. Nothdurft in Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht, 12. Aufl., § 19 GWB Rz. 70). Jedenfalls bei der Prüfung eines Missbrauchs von Konditionen im Zusammenhang mit der Beendigung einer langjährigen Bindung oder Mitgliedschaft wird es - anders als etwa im Fall eines fortlaufenden Bedarfs aufgrund kontinuierlicher Bestellungen und in typischen Fällen der Lieferverweigerung - regelmäßig an Anhaltspunkten dafür fehlen, dass Verhaltensspielräume eines marktstarken Anbieters durch die Angebotsumstellungsflexibilität von Wettbewerbern beschränkt werden können (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.12.2011 - VI Kart 5/11 (V), juris Rz. 119). So verhält es sich auch im Streitfall, wo für eine solche Beschränkung der hier maßgeblichen Handlungsspielräume der Anbieter von Zusatzversorgungen für den öffentlichen Dienst durch einen möglichen Markteintritt privater Versicherer weder etwas festgestellt ist noch von der Revision aufgezeigt wird. Dafür spricht auch die zuvor bestehende Marktabschottung für die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. Erst seit dem Systemwechsel im Jahr 2002 - und damit kurz vor dem hier in Rede stehenden Marktverhalten der Beklagten in den Jahren 2005 und 2006 - entsprechen die Leistungen der Beklagten einer auch in der gewerblichen Wirtschaft üblichen Betriebsrente, die grundsätzlich auch private Versicherungsunternehmen anbieten können.

Rz. 27

cc) Das Berufungsgericht hat den räumlich relevanten Markt auf Deutschland beschränkt. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision nicht angegriffen.

Rz. 28

b) Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt im für den Streitfall maßgeblichen Zeitpunkt eine marktbeherrschende Stellung einnahm. Zu Unrecht rügt die Revision das Fehlen einer Gesamtwürdigung aller die Struktur des relevanten Marktes kennzeichnenden Merkmale und die Anwendung der Vermutung der Einzelmarktbeherrschung gem. § 19 Abs. 2 GWB a.F.

Rz. 29

aa) Maßgeblich sind im Streitfall die Marktverhältnisse in den Jahren 2005 und 2006, in denen die Klägerin ihre Zahlungen für den Gegenwert an die Beklagte leistete. Auf das gegenwärtig geltende Recht, das für die Vermutung der Marktbeherrschung in § 18 Abs. 4 GWB einen Schwellenwert von 40 % festlegt, kommt es insoweit von vornherein nicht an; für die Beurteilung unerlaubter Handlungen ist vielmehr das zum Zeitpunkt der Tatbegehung geltende Recht maßgeblich.

Rz. 30

bb) Soweit die Revision eine Gesamtwürdigung vermisst, zeigt sie keine Umstände auf, die das Berufungsgericht in Würdigung des von den Parteien hierzu gehaltenen Sachvortrags zusätzlich hätte berücksichtigen müssen.

Rz. 31

(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die marktbeherrschende Stellung der Beklagten auf dem relevanten Markt werde gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB a.F. vermutet. Der Anteil der Beklagten an der Gesamtzahl der durch öffentlich-rechtliche Zusatzversorgungskassen pflichtversicherten Beschäftigten habe im Jahr 2006 bei ca. 37 % gelegen, während auf die einzelnen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung ein durchschnittlicher Marktanteil von jeweils 2 bis 3 % entfallen sei. Im Jahr 2002 habe der Anteil der VBL bei 40 % gelegen. Darüber hinaus komme der Beklagten eine überragende Marktstellung zu. Denn Bund und Länder als größte Beteiligte seien Träger der VBL und hätten kein Interesse an einer anderweitigen Bedarfsdeckung. Außerdem bedürfe es bei den tarifvertraglich gebundenen Mitarbeitern für die Beendigung der Beteiligung bei der Beklagten einer Übereinkunft der Tarifvertragsparteien.

Rz. 32

(2) Auf dieser Grundlage durfte das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung auf eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten schließen.

Rz. 33

Gegen die Berechnung des Marktanteils der Beklagten auf der Grundlage der Zahl der aktiven Pflichtversicherten bestehen keine Bedenken. Dem von der Beklagten auf Basis des Beitragsvolumens unter Einbeziehung von Lebensversicherungen sowie privater betrieblicher Altersversorgung und Pensionskassen ermittelten Marktanteil von 5,3 % kommt im Streitfall keine Bedeutung zu.

Rz. 34

Der Berücksichtigung der Bindung von Bund und Ländern an die Beklagte steht entgegen der Ansicht der Revision nicht entgegen, dass gem. § 2 Abs. 1 des Alterstarifvertrags (ATV) alle tarifgebundenen Arbeitgeber ihre Beschäftigten bei der öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtung versichern müssen, bei der sie Mitglied sind. Im Streitfall zu beurteilen ist eine Auseinandersetzung zwischen der Beklagten und einem nicht an sie gebundenen Arbeitgeber, der die Zusatzversorgung für seine Beschäftigten auch durch eine andere Zusatzversorgung sicherstellen kann. Die für die Prüfung der Normadressateneigenschaft der Beklagten maßgeblichen Marktverhältnisse werden auch durch die Auswirkungen von Tarifverträgen geprägt. Dadurch, dass der Bund und die meisten Bundesländer durch Tarifvertrag an die Beklagte gebunden sind, hat diese auf dem maßgeblichen Markt der Zusatzversorgung für den öffentlichen Dienst eine besonders starke Stellung.

Rz. 35

c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte habe durch das Fordern der Gegenwertzahlung in den Jahren 2005 und 2006 ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht. Die unangemessene Gegenwertforderung stellt einen Ausbeutungsmissbrauch in Form eines Konditionenmissbrauchs dar, der unter die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB fällt. Bei der Prüfung dieses Tatbestands ist die gesetzliche Wertentscheidung, die der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB zugrunde liegt, zu berücksichtigen (BGHZ 199, 1 Rz. 65 - VBL-Gegenwert I). Zwar stellt nicht jede Verwendung einer unwirksamen Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch einen Normadressaten einen Missbrauch von Marktmacht dar. Ein Missbrauch liegt aber insb. vor, wenn die Vereinbarung der unwirksamen Klausel Ausfluss der Marktmacht oder der großen Machtüberlegenheit des Verwenders ist (BGHZ 199, 1 Rz. 65 - VBL-Gegenwert I). Einen solchen Fall stellt die Verwendung von Geschäftsbedingungen dar, die eine Kündigung der oder den Austritt aus einer Vertragsbeziehung mit dem Normadressaten unangemessen erschweren. Bei den Regelungen der Beklagten zum Gegenwert handelt es sich um eine solche Klausel.

Rz. 36

d) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe der Beklagten zu Unrecht Fahrlässigkeit angelastet, greift ebenfalls nicht durch.

Rz. 37

aa) Ohne Erfolg wendet die Revision ein, zum Zeitpunkt der umstrittenen Zahlungen sei in Literatur und Rechtsprechung noch nicht diskutiert worden, ob die Beklagte ein Unternehmen im Sinne des Kartellrechts sein könne. Im Kartellrecht ist ebenso wie im gewerblichen Rechtsschutz das Verschulden nur dann zu verneinen, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (st.Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1989 - KZR 22/88, WuW/E BGH 2603, 2607 - Neugeborenentransporte; Bornkamm in Langen/Bunte, a.a.O., § 33 GWB Rz. 123). Nach diesem Maßstab reicht es nicht aus, wenn sich ein Unternehmen über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens keine Gedanken gemacht hat.

Rz. 38

bb) Auf der Grundlage der bis Ende des Jahres 2004 ergangenen Rechtsprechung des BGH bestand für die Beklagte Anlass, jedenfalls ihre Tätigkeit bei der Berechnung und Forderung von Gegenwertansprüchen als unternehmerische Tätigkeit anzusehen.

Rz. 39

(1) Die vom Senat in der Entscheidung "VBL-Gegenwert I" (BGHZ 199, 1) zur Begründung der Unternehmenseigenschaft der Beklagten zitierte Rechtsprechung war zu dieser Zeit schon weitgehend ergangen. Insbesondere galt für das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bereits der funktionale Unternehmensbegriff, wonach die Unternehmenseigenschaft durch jede selbständige Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr begründet wird, die auf den Austausch von Waren oder gewerblichen Leistungen gerichtet ist, und sich nicht auf die Deckung des privaten Lebensbedarfs beschränkt (vgl. BGH, Beschl. v. 9.3.1999 - KVR 20/97, WuW/E DE-R 289, 291 - Lottospielgemeinschaft, m.w.N.). Der Unternehmenseigenschaft stand nach dem vor dem Jahr 2000 erreichten Stand der Rechtsprechung weder eine öffentlich-rechtliche Organisationsform entgegen (BGH, WuW/E DE-R 289, 291 - Lottospielgemeinschaft), noch kam es dafür auf eine Gewinnerzielungsabsicht an (BGH, Urt. v. 26.10.1961 - KZR 1/61, BGHZ 36, 91, 103 - Gummistrümpfe).

Rz. 40

In Anwendung dieser bereits anerkannten Grundsätze hat der Senat die Unternehmenseigenschaft der Klägerin bejaht (BGHZ 199, 1 Rz. 43 bis 45 - VBL-Gegenwert I). Da die den Beschäftigten der Beteiligten von der Klägerin gewährte Zusatzversorgung seit dem Systemwechsel in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im Jahr 2002 einer auch in der gewerblichen Wirtschaft üblichen Betriebsrente entsprach, konnte es der Beklagten auch nicht verborgen bleiben, dass sie für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ab diesem Zeitpunkt eine Leistung bereitstellte, die in Form einer entsprechenden Rente auch von privaten Versicherungsunternehmen im Wettbewerb mit ihr angeboten werden konnte (vgl. BGHZ 199, 1 Rz. 47 - VBL-Gegenwert I).

Rz. 41

(2) Hinzu kam, dass zwar vor der Siebten GWB-Novelle kein ausdrücklicher Auftrag des Gesetzgebers an die nationalen Gerichte bestand, bei der Auslegung des deutschen Kartellrechts die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 101 und Art. 102 AEUV heranzuziehen. Das bedeutet indes nicht, dass zuvor das Streben nach einer einheitlichen Auslegung entsprechender Begriffe im deutschen und Unionskartellrecht bedeutungslos gewesen wäre. Vielmehr wurden die Entwicklungen im Kartellrecht der Union aufmerksam verfolgt. Vor dem Jahr 2004 hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits mehrfach entschieden, dass freiwillige Zusatzrenten- oder -krankenversicherungen, die durch einen Sozialversicherungsträger, Tarifvertrag oder eine Standesvertretung freier Berufe eingerichtet wurden, als Unternehmen angesehen werden, soweit sie mit ihrer Tätigkeit in Wettbewerb mit privaten Versicherungsunternehmen stehen (vgl. EuGH, Urt. v. 16.11.1995 - Rs. C-244/94, Slg. 1995, I-4022 Rz. 17 ff. = EuZW 1996, 277 - FFSA; Urt. v. 21.9.1999 - Rs. C-67/96, Slg. 1999, I-5751 Rz. 83 ff. - Albany; Urt. v. 21.9.1999 - Rs. C-115/97 bis C-117/97, Slg. 1999, I-6025 Rz. 84 f. - Brentjens; Urt. v. 12.9.2000 - Rs. C-180/98 bis C-184/98, Slg. 2000, I-6451 Rz. 115 ff. - Pavel Pavlov). Insbesondere die vom Senat in der Entscheidung "VBL-Gegenwert I" maßgeblich herangezogenen Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union "Brentjens" und "Albany" sind bereits im Jahr 1999 ergangen.

Rz. 42

(3) Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hatte die Beklagte daher bereits im hier maßgeblichen Zeitraum ab Ende 2004 damit zu rechnen, dass ihre Unternehmenseigenschaft jedenfalls im hier vorliegenden Zusammenhang bejaht werden könnte.

Rz. 43

e) Gegen die Berechnung der Zinsen durch das Berufungsgericht erhebt die Revision keine Einwände.

Rz. 44

3. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht den auf die Feststellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagte gerichteten Antrag der Klägerin für zulässig und begründet erachtet. Dagegen wendet sich die Revision ebenfalls ohne Erfolg.

Rz. 45

a) Die Revision rügt, der Feststellungsantrag sei unzulässig, soweit er sich auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten bezieht. Die Schadensersatzpflicht der Beklagten sei nicht nur vom Kartellverstoß, sondern noch von weiteren Umständen abhängig, insb. von ihrem Verschulden. Der Kartellverstoß, der den Gegenstand der Feststellungsklage bilde, stelle dann nur eine Vorfrage zur potentiellen Schadensersatzpflicht der Beklagten dar, die nicht zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden könne.

Rz. 46

aa) Damit hat die Revision keinen Erfolg. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit von § 23 Abs. 2 VBLS sowie der Schadensersatzpflicht der Klägerin. Dabei handelt es sich um feststellungsfähige Rechtsverhältnisse. Der ebenfalls in den Feststellungsantrag aufgenommene Kartellrechtsverstoß stellt zwar für beide Feststellungsbegehren ein notwendiges Begründungselement dar, entfaltet im Feststellungstenor aber keine eigenen Rechtswirkungen und wird infolgedessen auch nicht von der Feststellungswirkung erfasst.

Rz. 47

Eine isolierte Feststellung des Kartellrechtsverstoßes begehrt die Klägerin nicht. Es kommt deshalb im Streitfall nicht darauf an, dass einzelne Vorfragen grundsätzlich kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 Abs. 2 ZPO sind (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2013 - VII ZR 223/11, NJW 2013, 1744 Rz. 16, m.w.N.). Dem Feststellungsantrag der Klägerin kann in beiden Antragsteilen nur stattgegeben werden, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen der Unwirksamkeit oder Schadensersatzpflicht wegen des Kartellverstoßes vorliegen, deren Feststellung begehrt wird.

Rz. 48

bb) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass für den auf Schadensersatzfeststellung gerichteten Antrag ein Feststellungsinteresse besteht, obwohl die Klägerin mit ihrem Zahlungsantrag die Rückzahlung der auf die Gegenwertforderung geleisteten Beträge begehrt. Die Beklagte hat sich vorbehalten, ggf. Nachforderungen aus Nachtragsgutachten geltend zu machen.

Rz. 49

b) Der Feststellungsantrag ist auch begründet.

Rz. 50

aa) Gegen die Verurteilung nach dem Feststellungsantrag zu 2a (Unwirksamkeit von § 23 Abs. 2 VBLS) verweist die Revision lediglich auf ihre Ausführungen zum Zahlungsantrag der Klägerin, die wie dargelegt nicht durchgreifen.

Rz. 51

bb) Die Revision rügt aber, die Schadensersatzpflicht (Feststellungsantrag zu 2b) habe nicht für die Zeit ab 9.10.2012 festgestellt werden dürfen, weil die Klägerin ihren Feststellungsantrag insoweit einseitig für in der Hauptsache erledigt erklärt habe. Die Revision übersieht hierbei indes, dass sich schon aus der Urteilsformel zu 2 eine - dem im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegebenen Antrag entsprechende - Beschränkung der Schadensersatzpflicht der Beklagten auf Gegenwertforderungen ergibt, die bis 9.10.2012 erhoben wurden.

Rz. 52

4. Damit erweist sich die Revision der Beklagten als insgesamt unbegründet.

Rz. 53

III. Die Anschlussrevision der Klägerin ist ebenfalls unbegründet. Höhere als die vom Berufungsgericht zugesprochenen Zinsen stehen der Klägerin weder auf kartellrechtlicher Grundlage noch nach § 849 BGB zu.

Rz. 54

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, bei der vor Inkrafttreten der Siebten GWB-Novelle erfolgten ersten Zahlung der Klägerin am 25.4.2005 handele es sich um einen "Altfall", auf den § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB nicht anzuwenden seien, so dass Verzugszinsen gem. § 288 BGB nicht bereits ab Eintritt des Schadens verlangt werden könnten. Dagegen wendet sich die Anschlussrevision mit der Erwägung, die Beklagte habe den Kartellrechtsverstoß durch Weiterverwendung der unzulässigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen fortgesetzt. Bei unbeendeten, zeitlich fortdauernden Kartellrechtsverstößen sei das im Entscheidungszeitpunkt geltende Recht anzuwenden. Die Beklagte dürfe nicht doppelt privilegiert werden, indem ihr einerseits entgegen allgemeinen zivilrechtlichen Regeln ermöglicht werde, ihre Satzung einseitig nachzubessern, sie aber andererseits trotz andauernden Kartellrechtsverstoßes keine Zinsen auf Grundlage der aktuell geltenden § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB zahlen müsse.

Rz. 55

Diese Überlegungen greifen nicht durch. Der Kartellrechtsverstoß, der die Rückzahlungspflicht der Beklagten begründet, war für den am 25.4.2005 gezahlten Betrag mit dessen Entgegennahme durch die Beklagte vollendet und abgeschlossen. Über die Entgegennahme der beiden Zahlungen der Klägerin am 25.4.2005 und 3.5.2006 hinaus hat die Beklagte die Satzungsbestimmung des § 23 Abs. 2 VBLS gegenüber der Klägerin nicht angewendet, so dass ein fortgesetzter, andauernder und ihr gegenüber zum Schadensersatz verpflichtender Kartellrechtsverstoß insoweit nicht angenommen werden kann. Die Neufassung des § 33 GWB durch die Siebte GWB-Novelle entfaltet keine Rückwirkung auf bei ihrem Inkrafttreten bereits abgeschlossene Kartellrechtsverstöße (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rz. 13 - ORWI).

Rz. 56

2. Gleichfalls ohne Erfolg macht die Anschlussrevision geltend, die Zinshöhe bemesse sich auch in den Fällen des vom Berufungsgericht angewandten § 849 BGB nach den Verzugszinsvorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil der Deliktsschuldner dem in Verzug geratenen Schuldner i.S.d. § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB gleichzustellen sei (so Wagner in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 849 Rz. 6).

Rz. 57

Nach der Rechtsprechung des BGH sind nach § 849 BGB für durch eine unerlaubte Handlung verursachte Wertminderungen Zinsen gem. § 246 BGB i.H.v. 4 % jährlich zu entrichten (BGH, Versäumnisurteil v. 26.11.2007 - II ZR 167/06, NJW 2008, 1084 Rz. 3; Vieweg in Staudinger, BGB, 2015, § 849 Rz. 8; Rüßmann in jurisPK/BGB, 8. Aufl., § 849 Rz. 4). Das entspricht dem Wortlaut der Norm, dem allein die Anwendung des gesetzlichen Zinssatzes nach § 246 BGB entnommen werden kann. Eine Absicht des Gesetzgebers, den Deliktsschuldner bei der Zinshöhe dem Verzugsschuldner gleichzustellen, ist nicht erkennbar.

Rz. 58

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin erstrebt mit der Anschlussrevision nur eine geringfügige, den Streitwert nicht erhöhende Abänderung des angefochtenen Urteils, soweit ihr Zinsanspruch teilweise abgewiesen worden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 10556614

DB 2017, 7

DB 2017, 784

WM 2017, 1479

ZAP 2017, 409

JZ 2017, 353

VersR 2017, 775

WRP 2017, 563

GWR 2017, 230

ÖZK 2017, 121

Mitt. 2017, 288

NZKart 2017, 242

WuW 2017, 283

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