Entscheidungsstichwort (Thema)

Marken- und geschmacksmusterrechtliche Ansprüche. Gemeinschaftsrechtliche Warenverkehrsfreiheit. Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz. Konstruktionsspielzeug. In die Zukunft gerichtete Unterlassungsansprüche. Erstbegehungsgefahr. Anbieten des nachgeahmten Produkts als vemeidbare Täuschung der Abnehmer. Störung des Marktgeschehens. Unzulässiges Einschieben in eine fremde Sache. Ausbeuten fremder Leistung. Grundsatz der Freiheit der Nachahmung von Produkten. Zeitlich begrenzter Schutz vor Nachahmung von Produkten. Rufausbeutung. Hinweis auf Umverpackung

 

Leitsatz (amtlich)

a) Eine nicht spätestens im Zeitpunkt des Kaufs, sondern erst nachfolgend auftretende Herkunftstäuschung kann keine Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz begründen.

b) Ein wettbewerbsrechtlicher Schutz gegen das sog. Einschieben in eine fremde Serie ist jedenfalls nicht zeitlich unbegrenzt zu gewähren.

c) Eine nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG unlautere Rufausbeutung liegt nicht vor, wenn der Originalhersteller mit seinem Produkt einen neuen Markt erschlossen hat und der Nachahmer beim Eindringen in diesen Markt die angesprochenen Verkehrskreise in geeigneter Weise darüber informiert, dass sein eigenes von dem nachgeahmten Produkt zu unterscheiden sei.

d) Die Bestimmung des Art. 16 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.10.1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. EG Nr. L 289, S. 28) besagt, dass die Richtlinie die Vorschriften des nationalen Rechts über unlauteren Wettbewerb weder schwächt noch aber auch stärkt.

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 9; EGRL 71/98 Art. 16

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 13.12.2001; Aktenzeichen 3 U 28/00)

LG Hamburg (Urteil vom 05.01.2000)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des OLG Hamburg, 3. Zivilsenat, v. 13.12.2001 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter teilweiser Abänderung des Urteils des LG Hamburg - Zivilkammer 15 - v. 5.1.2000 hinsichtlich der auf Auskunftserteilung und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz gerichteten Klageanträge zu 2), 3), 5) und 6) abgewiesen.

Im Übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin zu 1) stellt das weltbekannte und in Deutschland von der Klägerin zu 2) vertriebene L. - und D. -Spielzeug her. Dieses besteht vornehmlich aus Kunststoff-Klemmbausteinen, die auf der Oberseite zylindrische Klemmnoppen aufweisen und an der Unterseite so geformt sind, dass sich die einzelnen Steine miteinander verbauen lassen. Zum L. -Spielzeugsortiment gehören neben Grund- und Universalbaukästen auch zahlreiche mit Zusatzelementen ausgestattete Bausätze, mit denen beispielsweise Autos, Häuser oder Boote gebaut werden können.

Die Klägerin zu 1) hat beim Deutschen Patentamt zahlreiche Zusatzelemente als Geschmacksmuster registrieren lassen, darunter ein am 2.12.1987 angemeldetes Zaunelement, ein am 4.12.1985 angemeldetes Rotorelement und ein am 30.11.1984 angemeldetes Schalterhebel-/Antennenelement. Sie ist des weiteren Inhaberin der beim Deutschen Patent- und Markenamt auf Grund Anmeldung v. 18.9.1987 eingetragenen Bildmarke Nr. 1 143 363

Die Klägerin zu 1) ist zudem von der mit ihr verbundenen schweizerischen L. Produktion AG ermächtigt worden, deren Rechte aus der beim Deutschen Patent- und Markenamt auf Grund Anmeldung v. 25.1.1995 eingetragenen dreidimensionalen Marke Nr. 395 03 037, die den Acht-Noppen-Klemmbaustein der Klägerinnen in seiner konkreten körperlichen Gestalt schützt, geltend zu machen.

Die Beklagte beabsichtigt, das von ihr bereits in mehreren Ländern des Gemeinsamen Marktes vertriebene, aus in China produzierten Kunststoff-Klemmbausteinen bestehende und mit dem L. -Spielzeug der Klägerinnen verbaubare Konstruktionsspielzeug "B. ", darunter die nachstehend bei der Wiedergabe des Klageantrags zu 1) abgebildeten Bausätze und Bauelemente, künftig auch in Deutschland anzubieten. Sie will dabei auf den Produktverpackungen an der Stelle, an der sich beim Vertrieb in anderen Ländern der Hinweis "This Product is compatible with all leading Brands" befindet, einen Aufkleber mit dem Text "B. ist ein einheitliches Bausystem der B. Firmengruppe und sollte nicht mit anderen Bausteinsystemen verwechselt werden!" anbringen.

Die Klägerinnen haben den von der Beklagten beabsichtigten Vertrieb des "B. "-Spielzeugs in Deutschland unter Berufung auf die Senatsentscheidungen "Klemmbausteine I" (BGHZ 41, 55) und "Klemmbausteine II" (BGH, Urt. v. 7.5.1992 - I ZR 163/90, MDR 1993, 39 = CR 1992, 553 = GRUR 1992, 619 = WRP 1992, 642) als nach § 1 UWG a.F. wettbewerbswidriges Einschieben in eine fremde Serie beanstandet. Die Beklagte täusche außerdem über die Herkunft ihres Spielzeugs. Bereits die weitgehende äußerliche Identität der beiderseitigen Klemmbausteine führe zu Verwechslungen. Abgesehen von der Qualität unterschieden sich die Klemmbausteine lediglich dadurch, dass die zylindrischen Noppen bei den Steinen der Klägerinnen den L. -Schriftzug trügen; dies könne der Käufer jedoch erst nach dem Kauf erkennen. Die Aufmachung der Umverpackungen der Beklagten sei mit der der Klägerinnen verwechselbar. Der Hinweisaufkleber der Beklagten werde vom Verkehr nur in geringem Umfang wahrgenommen. Die Beklagte nutze, indem sie sklavisch nachgeahmte Bausteine auf den Markt bringen wolle, den guten Ruf der L. -/D. -Bausteine und -Elemente für sich aus. Der Acht-Noppen-L. -Klemmbaustein genieße als Marke kraft Eintragung sowie wegen seiner weitreichenden Bekanntheit kraft Verkehrsgeltung Schutz.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das LG hat die Beklagte gemäß den Klageanträgen zu 1) und 4) unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt,

1. es zu unterlassen,

a) vornehmlich aus Klemmbausteinen bestehendes Konstruktionsspielzeug, bei dem einzelne Kunststoffteile eine zylindrische Noppenform aufweisen und mit L. Bausteinen und L. Figuren verbaubar sind, in der Bundesrepublik Deutschland auszustellen, anzubieten, zu bewerben oder zu vertreiben, insb. das Angebot und den Vertrieb der folgenden Bausätze zu unterlassen:

Nr. 2002 "911 RESCUE CREW" gemäß folgender Abbildung:

Nr. 3015 "ATTACK COPTERS" gemäß folgender Abbildung:

Nr. 4311 "FOOTBALL STADIUM" gemäß folgender Abbildung:

Nr. 6403 "PRESIDENTIAL TRANSPORT" gemäß folgender Abbildung:

b) den nachfolgend abgebildeten Acht-Noppen-Baustein im Zusammenhang mit Konstruktionsspielzeug abzubilden, anzubieten oder zu vertreiben:

c) die nachfolgend abgebildeten Konstruktionsspielzeugelemente aus Kunststoff auszustellen, anzubieten oder zu vertreiben:

4. es zu unterlassen, Klemmbausteine aus Kunststoff, die durch zylindrische Noppen gekennzeichnet sind und mit "D. "-Klemmbausteinen der Klägerinnen verbaubar sind, in der Bundesrepublik Deutschland auszustellen, anzubieten, zu bewerben oder zu vertreiben.

Des Weiteren hat das LG die Beklagte gemäß den Klageanträgen zu 2) und 5) zur Auskunftserteilung verurteilt und gemäß den Klageanträgen zu 3) und 6) die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt.

Das LG hat es dabei dahinstehen lassen, ob die von den Klägerinnen geltend gemachten marken- und geschmacksmusterrechtlichen Ansprüche begründet sind. Die Unterlassungsansprüche seien nämlich jedenfalls aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes im Zusammenhang mit einer unzulässigen sklavischen Nachahmung, dem Einschieben in eine fremde Serie und der Rufausbeutung in Form eines Anhängens an das sehr bekannte und geschätzte Konstruktionsspielzeug der Klägerinnen begründet. Die Nachahmung fremder Waren sei noch nicht für sich genommen, sondern nur dann wettbewerbswidrig, wenn darüber hinausgehende Umstände vorlägen. Der von der Beklagten betriebene Nachbau sei dadurch gekennzeichnet, dass sich deren Bausteine mit den Erzeugnissen der Klägerinnen verbauen ließen, dass diese Erzeugnisse von vornherein auf einen fortgesetzten Bedarf gleichartiger Erzeugnisse zugeschnitten seien und dass sich die Beklagte in diese Bedarfs-/Ergänzungsserie hineindränge. Wie in dem der Entscheidung des BGH "Klemmbausteine II" zugrundeliegenden Fall sei zudem zu berücksichtigen, dass das Konstruktionsspielzeug der Klägerinnen mittlerweile weltbekannt sei und daher neben einer beachtlichen wettbewerblichen Eigenart auch einen hohen Bekanntheitsgrad aufweise und zudem einen nicht unbeachtlichen Ruf genieße. Die Fertigung des Spielzeugs der Beklagten aus Klemmbausteinen eines Formats, das den Einbau in das System der Klägerinnen erlaube, diene jedenfalls auch dazu, sich an den Erfolg eines schon sehr bekannten und auf dem Markt geschätzten Systems anzuhängen und von dem Ansehen, das die Klägerinnen für ihre Erzeugnisse in Jahrzehnten gewonnen hätten, unmittelbar zu profitieren, womit den Klägerinnen ein Teil ihres Markterfolges in anstößiger Weise genommen werde. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass für den Verbraucher wegen der Hinweise auf der Umverpackung der Bausätze der Beklagten keine Gefahr einer Fehlvorstellung über die betriebliche Herkunft des Spielzeugs bestehe.

Die gemeinschaftsrechtliche Warenverkehrsfreiheit stehe dem von den Klägerinnen begehrten Verbot ebenfalls nicht entgegen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften habe zu der Frage der Gewährung eines ergänzenden Leistungsschutzes bei Einschieben in eine fremde Serie in der Absicht, am Ruf und/oder Vorhandensein des Erstprodukts zu partizipieren, ohne dass für den Verbraucher Verwechslungsgefahr bestehe, allerdings ausgesprochen, dass die Untersagung des Marktzugangs in einem anderen Mitgliedstaat auf Grund nationaler Vorschriften wie des § 1 UWG a.F. eine Maßnahme gleicher Wirkung i.S.d. Art. 28 EG sei. Auch erfassten die in Art. 30 S. 1 EG genannten Schutzgüter den vorliegenden Fall des "allgemeinen" unlauteren Wettbewerbs nicht. Die durch die Anwendung der Grundsätze des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes eintretende faktische Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit sei aber auf Grund der immanenten Schranken des Art. 28 EG gerechtfertigt.

Die Ansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung folgten aus § 1 UWG a.F., §§ 242, 259 BGB i.V.m. § 428 BGB. Die Beklagte handle schuldhaft, da sie sich bewusst an das weltbekannte Konstruktionsspielzeug der Klägerinnen anhänge und trotz des einer Herkunftstäuschung entgegenwirkenden Hinweises auf der Umverpackung ihrer Bausätze auf eine Vermischung der Systeme gerade abziele. Sie habe im Übrigen weder ihr Verschulden noch die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts auf seiten der Klägerinnen bestritten.

Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten für nicht begründet erachtet. Es hat sich dabei die Ausführungen im Urteil des LG zu eigen gemacht und ergänzend ausgeführt:

Entgegen dem Vortrag der Beklagten in der Berufung sei es unerheblich, ob der englische Erfinder P. den Acht-Noppen-Klemmbaustein der Klägerinnen geschaffen habe; denn die wettbewerbliche Eigenart des Steins sei eine diesen selbst kennzeichnende Eigenschaft, so dass es unerheblich sei, auf wessen Ingenium diese Eigenart beruhe. Das LG habe die Unlauterkeit beim Einschieben in eine fremde Serie zutreffend nicht in der Verbaubarkeit als solcher, sondern im Ableiten des Erfolgs einer fremden Leistung auf die eigene Person durch Anbieten des von dem Wettbewerber systematisch vorbereiteten Ergänzungsbedarfs und Abfangen der von diesem für seine Ware erzeugten Nachfrage erblickt. Entgegen den von der Beklagten angeführten Stimmen in der Literatur hätten Verbraucherbelange keinen Vorrang vor einem ergänzenden Leistungsschutz und führe das ggü. der Beklagten ausgesprochene Verbot nicht dazu, dass diese von dem vom "Markt für L. -Bausteine" zu unterscheidenden Markt für Konstruktionsspielzeug aus Klemmbausteinen ausgeschlossen sei.

II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und, soweit die Klägerinnen Auskunftserteilung und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz begehren, zur Abweisung der Klage sowie, soweit das Klagebegehren auf Unterlassung gerichtet ist, zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die Beklagte hat nach den getroffenen Feststellungen ihr von den Klägerinnen beanstandetes Konstruktionsspielzeug im Inland bislang noch nicht vertrieben, sondern einen solchen Vertrieb lediglich beabsichtigt. Damit stellen sich die klagegegenständlichen Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche, die voraussetzen, dass immerhin in einem Fall eine Rechtsverletzung bereits erfolgt ist, als nicht schlüssig begründet dar.

2. Nach Erlass des Berufungsurteils ist am 8.7.2004 das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 3.7.2004 (BGBl. I, 1414) in Kraft und zugleich das frühere Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb außer Kraft getreten (§ 22 UWG). Diese Rechtsänderung ist auch im Revisionsverfahren zu beachten. Die von den Klägerinnen geltend gemachten, in die Zukunft gerichteten Unterlassungsansprüche, die auf den Gesichtspunkt einer durch die Berühmung der Beklagten, ihr Konstruktionsspielzeug auch im Inland vertreiben zu dürfen, begründete Erstbegehungsgefahr gestützt sind, bestehen grundsätzlich nur dann, wenn das (beabsichtigte) Verhalten der Beklagten bereits nach dem früheren Recht wettwerbswidrig war (BGH, Urt. v. 30.10.1997 - I ZR 185/95, MDR 1998, 792 = GRUR 1998, 591 [592 f.] = WRP 1998, 502 - Monopräparate), die Berühmung nicht mittlerweile aufgegeben wurde (BGH, Urt. v. 31.5.2001 - I ZR 106/99, BGHReport 2001, 797 = GRUR 2001, 1174 [1176] = WRP 2001, 1076 - Berühmungsaufgabe, m.w.N.) und das Verhalten auch nach neuem Recht wettbewerbswidrig ist.

3. Das Berufungsgericht ist unter Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil des LG davon ausgegangen, dass wegen des Hinweises auf der Umverpackung der Bausätze der Beklagten für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher keine Gefahr einer Fehlvorstellung über die betriebliche Herkunft des Spielzeugs besteht. Diese Beurteilung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen (BGH, Urt. v. 19.10.2000 - I ZR 225/98, BGHReport 2001, 429 = MDR 2001, 705 = GRUR 2001, 443 [445 f.] = WRP 2001, 534 - Vienetta).

Eine nicht schon im Zeitpunkt der Werbung und/oder des Kaufs, sondern erst nachfolgend auftretende Herkunftstäuschung kann keine Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz begründen. Die Bestimmungen des UWG wie namentlich auch dessen § 4 Nr. 9 regeln allein das Marktverhalten (Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, UWG, 23. Aufl., § 4 Rz. 9.4) und sehen daher lediglich Rechtsfolgen für solche Verhaltensweisen vor, die schon für sich gesehen eine Störung des Marktgeschehens darstellen. Für den Bereich des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes wird dies beim Vorliegen einer Herkunftstäuschung dadurch bestätigt, dass § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG allein darauf abstellt, ob (gerade) das Anbieten des nachgeahmten Produkts zu einer vermeidbaren Täuschung der (damit angesprochenen) Abnehmer führt.

4. Der von den Klägerinnen geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen "Einschiebens in eine fremde Serie" begründet.

a) Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Beurteilung auf die Rechtsprechung des Senats gestützt, nach der das Überleiten des Markterfolgs einer fremden Leistung durch Einschieben gleichartiger, beliebig austauschbarer fremder Ergänzungserzeugnisse in das von Anfang an auf die Deckung eines Ergänzungsbedarfs ausgerichtete Verkaufssystem des Erstherstellers trotz vorhandener Ausweichmöglichkeiten unter dem Gesichtspunkt der Ausbeutung fremder Leistung gegen § 1 UWG a.F. verstößt (BGHZ 41, 55 [58] - Klemmbausteine I; BGH, Urt. v. 7.5.1992 - I ZR 163/90, MDR 1993, 39 = CR 1992, 553 = GRUR 1992, 619 [620] = WRP 1992, 642 - Klemmbausteine II; Urt. v. 8.12.1999 - I ZR 101/97, GRUR 2000, 521 [525] = WRP 2000, 493 - Modulgerüst). Diese Rechtsprechung hat bereits in früheren Jahren (Harder, GRUR 1969, 659 [660 f.]; Waibel, Warenzeichenrechtliche und wettbewerbsrechtliche Fragen des Ersatzteile-, Zubehör- und Reparaturgewerbes, 1977, S. 231 ff.; Walch, Ergänzender Leistungsschutz nach § 1 UWG, 1991, S. 55 f., 127 Fn. 73), zumal aber nach dem Ergehen der Senatsentscheidung "Klemmbausteine II" (BGH v. 7.5.1992 - I ZR 162/90, GRUR 1992, 619 - Klemmbausteine II) Kritik erfahren (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, UWG, seit 20. Aufl., § 1 Rz. 492; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, 9. Aufl., Rz. 1194; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 6. Aufl., § 11.6; Lehmler, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 2002, S. 113 f.; Kur, GRUR-Int. 1995, 469 [470 ff.]; Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 1995, S. 178 f., 360, 374, 389, 396; Knies, Der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz - eine unzulässige Rechtsfortbildung?, 1996, S. 63; Sambuc, Der UWG-Nachahmungsschutz, 1996, Rz. 524 f.; Altmeppen, ZIP 1997, 2069 [2073 ff.]; Rauda, GRUR 2002, 38 [41 f.]; Sack, FS für Erdmann, 2002, S. 697, 701 ff.; zum neuen Recht vgl. Harte/Henning/Sambuc, UWG, § 4 Nr. 9 Rz. 40; Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, UWG, seit 20. Aufl., § 4 UWG Rz. 9.56-9.58; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 7. Aufl, § 11 IV 3b; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, 10. Aufl., Rz. 1642).

b) Der Senat sieht im Streitfall keine Notwendigkeit, zu dieser Kritik abschließend Stellung zu nehmen. Er folgt ihr jedenfalls insoweit, als mit dem wettbewerbsrechtlichen Schutz des Unternehmers vor einem Einschieben in seine Serie kein in zeitlicher Hinsicht unbegrenzter Schutz vor Nachahmungen für eine Innovation gewährt werden darf. Ein solcher Schutz stünde im Gegensatz zu der gesetzlichen Befristung des Innovationsschutzes im Patentrecht, im Gebrauchsmusterrecht und im Geschmacksmusterrecht. Die Gewährung eines wettbewerbsrechtlichen Schutzes des Unternehmens vor einem Einschieben in seine Produktserie verhinderte, dass in diesem Bereich der Grundsatz der Freiheit der Nachahmung von Produkten, die keinem sonderrechtlichen Schutz (mehr) unterfallen, jemals berücksichtigt werden könnte.

Zur Wahrung der Freiheit des Wettbewerbs ist es deshalb erforderlich, den ergänzenden Leistungsschutz, soweit er - wie im Streitfall - den Schutz einer Leistung als solcher zum Gegenstand hat, anders als in den Fällen, in denen er den Schutz gegen vermeidbare Herkunftstäuschungen (vgl. dazu nunmehr die Regelung in § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG), gegen das Ausnutzen des Rufs fremder Leistung (vgl. dazu nunmehr § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG), gegen die Behinderung von Mitbewerbern (vgl. dazu nunmehr § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 2 und Nr. 10 UWG) sowie gegen Einschleichen und/oder gegen Vertrauensbruch (vgl. dazu nunmehr § 4 Nr. 9 Buchst. c UWG) bezweckt, zeitlich zu begrenzen (Piper in Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 a.F. Rz. 653; Sack, FS für Erdmann, 2002, S. 714-717). Eine für den unterstellten wettbewerbsrechtlichen Schutz gegen das Einschieben in eine Serie von Produkten zu gewährende angemessene Frist ist im Streitfall jedenfalls abgelaufen. Eine solche hätte sich hier, soweit es um den Schutz der technischen Gestaltung der Bausteine geht, an den hierfür sondergesetzlich vorgesehenen Fristen zu orientieren. Dementsprechend konnte dem den Klägerinnen für ihr Spielsystem zugebilligten Innovationsschutz schon im Zeitpunkt der Klageerhebung - rund 45 Jahre nach der Markteinführung des Systems - keine Bedeutung mehr zukommen (BGH, Urt. v. 6.2.1986 - I ZR 98/84, MDR 1987, 113 = GRUR 1986, 895 [896] = WRP 1986, 541 - Notenstichbilder).

5. a) Das LG hat in den Gründen seiner Entscheidung, die sich das Berufungsgericht zu eigen gemacht hat, ausgeführt, die Fertigung des Spielzeugs der Beklagten aus Klemmbausteinen eines Formats, das den Einbau in das System der Klägerinnen erlaube, diene jedenfalls auch dazu, sich an den Erfolg eines schon sehr bekannten und auf dem Markt geschätzten Systems anzuhängen und von dem Ansehen, das die Klägerinnen für ihre Erzeugnisse in jahrzehntelanger Markttätigkeit gewonnen hätten, unmittelbar zu profitieren, womit den Klägerinnen ein Teil ihres Markterfolgs in anstößiger Weise genommen werde. Dies ist im rechtlichen Ansatz zutreffend, weil eine für einen Anspruch aus § 1 UWG a.F. unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes relevante Rufausbeutung nicht nur auf Täuschung, sondern auch auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen kann (BGH v. 6.5.1999 - I ZR 199/96, BGHZ 141, 329 [342] = CR 1999, 496 - Tele-Info-CD, m.w.N.; nunmehr ausdrücklich § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG).

b) Den Vorinstanzen kann aber nicht zugestimmt werden, soweit sie ein solches Anlehnen bejaht haben. Ein Anlehnen setzt zwar nicht die namentliche Benennung oder Bezeichnung des Mitbewerbers voraus, erfordert aber immerhin eine aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte (Piper in Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 a.F. Rz. 718). Die Frage, ob hierdurch eine Übertragung der Güte- und Wertvorstellungen stattfindet, die die Beurteilung des Verhaltens als wettbewerbswidrig gem. §§ 3, 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG rechtfertigt, ist jeweils im Wege einer Gesamtbetrachtung zu beantworten, bei der alle Umstände des Einzelfalls wie insb. der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs zu berücksichtigen sind, der von dem Produkt ausgeht (Baumbach/Hefermehl, UWG a.F., 22. Aufl., § 1 Rz. 555). Dabei kann grundsätzlich auch schon die Annäherung an die verkehrsbekannten Merkmale eines fremden Produkts als solche zu einer für die Annahme einer Rufausbeutung erforderlichen Übertragung der Gütevorstellung führen (BGH, Urt. v. 10.4.2003 - I ZR 276/00, BGHReport 2003, 1356 = MDR 2004, 225 = GRUR 2003, 973 [975] = WRP 2003, 1338 - Tupperwareparty). Für eine Rufausbeutung reicht es allerdings nicht aus, wenn lediglich Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen oder Produkt und damit Aufmerksamkeit erweckt werden (BGH, Urt. v. 10.4.2003 - I ZR 276/00, BGHReport 2003, 1356 = MDR 2004, 225 = GRUR 2003, 973 [975] = WRP 2003, 1338 - Tupperwareparty; Sambuc, Der UWG-Nachahmungsschutz, 1996, Rz. 331 ff.; Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, UWG, 23. Aufl., § 4 Rz. 9.53). Dasselbe gilt, wenn - wie im Streitfall - der Originalhersteller mit seinem Produkt einen neuen Markt erschlossen hat und der Nachahmer beim Eindringen in diesen Markt die angesprochenen Verkehrskreise in geeigneter Weise darüber informiert, dass sein eigenes von dem nachgeahmten Produkt zu unterscheiden sei. Hierbei ist insb. zu berücksichtigen, dass entsprechende Assoziationen die typische und nahezu zwangsläufige Folge eines zuvor gewährten monopolartigen Schutzes darstellen.

Die Beklagte bringt auf den Verpackungen ihrer Produkte in deutlich lesbarer Form den Hinweis an, dass ihr Bausystem nicht mit anderen Bausteinsystemen verwechselt werden sollte. Hierdurch wird der Durchschnittsverbraucher hinreichend darüber informiert, dass das Spielzeug der Beklagten mit dem bekannten Spielzeug der Klägerinnen zwar gleichartig, damit aber keineswegs notwendigerweise gleichwertig ist.

c) Ohne Erfolg beruft sich die Revision schließlich auch auf die Bestimmungen der Art. 7 Abs. 3, Art. 16 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.10.1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. EG Nr. L 289, S. 28). Die zuletzt genannte Bestimmung besagt, dass die Richtlinie (u.a.) die Vorschriften des nationalen Rechts über unlauteren Wettbewerb unberührt lässt, d.h. diese Vorschriften weder schwächt noch aber auch stärkt.

III. Danach konnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben und war deshalb aufzuheben.

Die Klage war - insoweit unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils - mit den Anträgen auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichteten Anträgen abzuweisen.

Im Übrigen Umfang der Aufhebung war der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die klagegegenständlichen Unterlassungsansprüche unter den von den Klägerinnen ferner geltend gemachten Gesichtspunkten des Markenschutzes und des Geschmacksmusterschutzes, zu denen das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen hat, an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1324995

BGHZ 2005, 204

DStZ 2005, 615

BGHR 2005, 729

NJW-RR 2005, 983

EWiR 2005, 323

GRUR 2005, 349

JR 2005, 328

ZAP 2005, 601

ZIP 2005, 1382

JuS 2005, 755

MDR 2005, 885

WRP 2005, 476

Mitt. 2005, 177

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