Entscheidungsstichwort (Thema)

Kaffeekapsel II

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verliert der Löschungsantragsteller oder derjenige, der im Hinblick auf eine IR-Marke einen Schutzentziehungsantrag stellt, seine Beteiligtenfähigkeit, ist der Löschungsantrag beziehungsweise der Schutzentziehungsantrag als unzulässig zu verwerfen.

2. Ist der angefochtene Beschluss des Bundespatentgerichts aufzuheben, weil der Antragsteller des Verfahrens seine Beteiligtenfähigkeit verloren hat, und ist aus diesem Grund eine Sachentscheidung durch das Bundespatentgericht nicht mehr erforderlich, kann der Bundesgerichtshof von einer Zurückverweisung an das Bundespatentgericht absehen und abschließend selbst entscheiden.

 

Normenkette

MarkenG § 82 Abs. 1, § 89 Abs. 4; ZPO § 50

 

Verfahrensgang

BGH (Beschluss vom 31.01.2019; Aktenzeichen I ZB 114/17)

BPatG (Beschluss vom 17.11.2017; Aktenzeichen 25 W (pat) 112/14)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss des 25. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 17. November 2017 aufgehoben.

Der Schutzentziehungsantrag der Antragstellerin wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Rz. 1

A. Für die Markeninhaberin ist seit dem 15. Juli 2001 die dreidimensionale IR-Marke Nr. 763 699

unter anderem für die Waren der Klasse 30 "Coffee, coffee extracts and coffee-based preparations; coffee substitutes and artificial coffee extracts" eingetragen. Seit dem 30. Januar 2003 ist der Schutz auf Deutschland erstreckt.

Rz. 2

Die in der Schweiz geschäftsansässige Antragstellerin hat am 7. Oktober 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Schutzentziehung für Deutschland in Bezug auf die vorstehend genannten Waren mit der Begründung beantragt, das Zeichen sei nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schutzunfähig.

Rz. 3

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat der IR-Marke den Schutz in Bezug auf diese Waren für Deutschland entzogen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Markeninhaberin ist ohne Erfolg geblieben (BPatG, GRUR 2018, 522).

Rz. 4

Mit ihrer vom Bundespatentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde hat die Markeninhaberin die Zurückweisung des Schutzentziehungsantrags begehrt. Die Antragstellerin hat beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Rz. 5

Über das Vermögen der Antragstellerin ist am 12. November 2018 in der Schweiz das Konkursverfahren eröffnet worden. Der Senat hat mit Beschluss vom 31. Januar 2019 festgestellt, dass das Rechtsbeschwerdeverfahren aus diesem Grund unterbrochen ist (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2019 - I ZB 114/17, GRUR 2019, 549 = WRP 2019, 624 - Kaffeekapsel I).

Rz. 6

Das Konkursverfahren über das Vermögen der Antragstellerin ist am 2. Februar 2023 geschlossen und die Antragstellerin am 3. Februar 2023 im Handelsregister gelöscht worden. Die Markeninhaberin beantragt nunmehr, den Schutzentziehungsantrag zu verwerfen, weil die Antragstellerin ihre Parteifähigkeit verloren habe.

Rz. 7

II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, der angegriffenen Marke sei gemäß §§ 50, 54, § 115 Abs 1, § 124 MarkenG im beantragten Umfang der Schutz zu entziehen, weil sie insoweit nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schutzunfähig sei.

Rz. 8

III. Die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Bundespatentgerichts und zur Verwerfung des Schutzentziehungsantrags der Antragstellerin (§ 50 Abs. 1, § 54 Abs. 1, § 115 Abs. 1, § 124 MarkenG) als unzulässig.

Rz. 9

1. Der Schutzentziehungsantrag ist unzulässig geworden, weil die Antragstellerin im Lauf des Verfahrens ihre Beteiligtenfähigkeit verloren hat.

Rz. 10

a) Die Beteiligtenfähigkeit in einem markenrechtlichen Registerverfahren zählt zu den Verfahrensvoraussetzungen, deren Mangel das Gericht grundsätzlich in jeder Verfahrenslage einschließlich der Rechtsbeschwerdeinstanz in entsprechender Anwendung von § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen hat (zur Parteifähigkeit im Zivilprozess vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14, BGHZ 205, 195 [juris Rn. 16] - Tagesschau-App, mwN). Verliert der Löschungsantragsteller seine Beteiligtenfähigkeit, ist der Löschungsantrag als unzulässig zu verwerfen (vgl. BPatG, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 24 W [pat] 59/02, juris Rn. 7; Beschluss vom 19. Juni 2008 - 25 W [pat] 21/06, juris Rn. 12). Dasselbe gilt, wenn derjenige, der im Hinblick auf eine IR-Marke einen Schutzentziehungsantrag stellt, seine Beteiligtenfähigkeit verliert. Beteiligtenfähig ist in entsprechender Anwendung von § 50 Abs. 1 ZPO (§ 82 Abs. 1 MarkenG), wer rechtsfähig ist.

Rz. 11

b) Die Antragstellerin hat ihre Rechtsfähigkeit und damit ihre Beteiligtenfähigkeit verloren.

Rz. 12

aa) Die Antragstellerin ist eine außerhalb des Gebiets der Europäischen Union in der Schweiz geschäftsansässige Aktiengesellschaft. Ihre Rechtsfähigkeit ist nach dem Recht des Ortes zu beurteilen, an dem sie ihren Verwaltungssitz hat (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2008 - II ZR 290/07, ZInsO 2009, 149 [juris Rn. 20]). Vorliegend ist danach das Recht der Schweiz maßgeblich.

Rz. 13

bb) Nach dem Recht der Schweiz hat die Antragstellerin infolge der nach Durchführung des Konkursverfahrens erfolgten Löschung im Handelsregister ihre Parteifähigkeit verloren (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1968 - VII ZR 23/68, BGHZ 51, 27 [juris Rn. 10 bis 12]).

Rz. 14

Anders als im deutschen Recht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 - VII ZB 53/13, NJW 2015, 2424 [juris Rn. 19] mwN; BPatG, Beschluss vom 15. Januar 2013 - 33 W [pat] 134/08, juris Rn. 18) wird in der Schweiz allgemein angenommen, dass die Parteifähigkeit der Gesellschaft durch die Löschung im Handelsregister verloren geht. Eine im Handelsregister bereits gelöschte juristische Person muss - wenn sich herausstellt, dass noch Vermögenswerte vorhanden sind - im Handelsregister ausnahmsweise wieder eingetragen werden, um klagen oder auf Herausgabe eines Vermögensgegenstands beziehungsweise Abtretung einer Forderung verklagt werden zu können (BGE 78 I 451; BGE 115 II 276; BGE 132 III 731). Dies hat im Registerverfahren zu erfolgen, kann nur auf Antrag geschehen und setzt eine Glaubhaftmachung schutzwürdiger Interessen voraus, die nur durch Wiedereintragung der Gesellschaft in das Handelsregister befriedigt werden können (vgl. Stäubli in Honsell/Vogt/Watter, Basler Kommentar, 5. Aufl., Art. 746 OR Rn. 6 mwN).

Rz. 15

Die Markeninhaberin hat einen aktuellen Handelsregisterauszug vorgelegt, aus dem sich die Löschung der Antragstellerin ergibt. Danach steht fest, dass die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht mehr parteifähig ist. Es bedarf deshalb - anders, als wenn sich die Parteifähigkeit nach deutschem Recht richtete (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2010 - II ZR 115/09, NJW-RR 2011, 115 [juris Rn. 22] mwN; Beschluss vom 20. Mai 2015 - VII ZB 53/13, NJW 2015, 2424 [juris Rn. 19] mwN; BPatG, Beschluss vom 15. Januar 2013 - 33 W [pat] 134/08, juris Rn. 18) - keiner Prüfung, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Markeninhaberin möglicherweise noch über verwertbares Vermögen verfügt.

Rz. 16

2. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden. Eine Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht ist nicht erforderlich. Zwar sieht § 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG vor, dass im Falle der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen ist. Die Bestimmung ist vorliegend jedoch nach Sinn und Zweck einschränkend auszulegen.

Rz. 17

§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG geht zurück auf § 41x Abs. 1 PatG 1961, der im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Warenzeichengesetz nach dessen § 13 Abs. 5 Satz 2 entsprechend anwendbar war. Die Bestimmung ist durch das 6. Überleitungsgesetz vom 23. März 1961 (BGBl. I, S. 274) aus praktischen Erwägungen eingeführt worden, weil der Bundesgerichtshof bei der Erteilung eines Schutzrechts häufig keine Sachentscheidung treffen könnte; zudem diente die Vorschrift der Arbeitsentlastung des Bundesgerichtshofs (vgl. Begründung zum Entwurf eines 6. Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes BlPMZ 1961, 140, 158).

Rz. 18

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind aus Gründen der Prozessökonomie Ausnahmen von der Vorschrift zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 1998 - I ZB 22/93, GRUR 1998, 818 [juris Rn. 3] = WRP 1998, 767 - Puma; Beschluss vom 13. Dezember 2007 - I ZB 26/05, GRUR 2008, 714 [juris Rn. 46] = WRP 2008, 1092 - idw; Beschluss vom 16. Juli 2009 - I ZB 54/07 juris Rn. 21; Beschluss vom 21. Juli 2016 - I ZB 52/15, BGHZ 211, 268 [juris Rn. 115] - Sparkassen-Rot; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen teleologischen Reduktion des § 89 Abs. 4 MarkenG vgl. BVerfG, WRP 2018, 412 [juris Rn. 9 f.). Danach besteht insbesondere nach rechtskräftiger Löschung der angegriffenen Marke kein Anlass, die Sache an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen. In einem solchen Fall ist eine Sachentscheidung durch das Bundespatentgericht nicht mehr erforderlich. Vergleichbar verhält es sich im Streitfall. Durch den Verlust der Beteiligtenfähigkeit der Antragstellerin kommt keine andere Entscheidung als die Verwerfung ihres Schutzentziehungsantrags als unzulässig in Betracht.

Rz. 19

IV. Es entspricht nicht der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten erwachsenen Kosten gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 MarkenG der Antragstellerin aufzuerlegen. Die von ihr im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen ließen ihr Verlangen nicht als von vornherein aussichtslos erscheinen. Die Antragstellerin hat vielmehr mit ihrem Schutzentziehungsantrag vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und dem Bundespatentgericht Erfolg gehabt. Bei diesem Verfahrensablauf ist von einer Entscheidung über die Kosten abzusehen, so dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt (§ 90 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).

Koch

Löffler

Schwonke

Feddersen

Odörfer

 

Fundstellen

Haufe-Index 15984103

BB 2023, 2433

BlPMZ 2023, 390

GRUR 2023, 1561

JZ 2023, 646

WRP 2023, 1465

GRUR-Prax 2024, 44

CIPReport 2023, 92

IP kompakt 2023, 201

MarkenR 2023, 396

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