Leitsatz (amtlich)

Der Mangel der Parteifähigkeit kann nach ihrer Herstellung noch in der Revisionsinstanz durch nachträgliche Genehmigung geheilt werden. Die Genehmigung ist eine Prozeßhandlung, deren Wirkung nach dem Recht des Prozeßgerichts zu beurteilen ist.

 

Normenkette

ZPO § 50

 

Verfahrensgang

OLG München

LG Nürnberg-Fürth

 

Tenor

Die Revision des Restitutionsklägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Nürnberg vom 12. Dezember 1967 wird zurückgewiesen.

Der Restitutionskläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte und Restitutionskläger wurde rechtskräftig zur Zahlung von 41.090,14 DM nebst Zinsen verurteilt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 15. März 1962 – VII ZR 208/60 –). Er hat Restitutionsklage erhoben, der durch den 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts stattgegeben wurde.

Diese Entscheidung wurde durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. November 1965 – VII ZR 1/64 – aufgehoben und die Sache an den 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird. auf das Urteil vom 29. November 1965 verwiesen.

Nach erneuter mündlicher Verhandlung hat das Oberlandesgericht die Restitutionsklage als unzulässig verworfen.

Mit der Revision stellt der Restitutionskläger den Antrag, dieses Urteil und die vorangegangenen, der Klage stattgebenden Sachentscheidungen aufzuheben. Die Klägerin und Restitutionsbeklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

In der Revisionsverhandlung haben die Parteien vorgetragen: Die Klägerin – Restitutionsbeklagte war bereits am 23. März 1956, also vor Erlaß des angefochtenen Urteils, im Handelsregister des Kantons Zürich nach durchgeführter Liquidation gelöscht worden. Am 22. August 1968 ist sie als „K… AG. in Liquidation” wieder eingetragen worden. Die Klägerin hat eine vom Handelsregisteramt des Kantons Zürich beglaubigte Ablichtung des Handelsregisters vorgelegt, aus dem sich diese Vorgänge ergeben.

Ihr Prozeßbevollmächtigter hat erklärt, daß er dies Prozeßführung während der Zeit der Löschung genehmige.

 

Entscheidungsgründe

I.

Der Restitutionskläger ist der Auffassung, daß die Restitutionsbeklagte durch die Löschung im Handelsregister ihre Rechte- und Parteifähigkeit verloren habe.

Schon im vorigen Rechtszug hätte deshalb kein Sachurteil ergehen dürfen vielmehr hatte die Restitutionsklage durch Prozeßurteil als unzulässig abgewiesen werden müssen. Durch die Wiedereintragung im Handelsregister sei zwar die Rechts- und Prozeßfähigkeit der Restitutionsbeklagten wiederhergestellt worden; die während der Zeit der Löschung vorgenommenen unwirksamen Prozeßhandlungen könnten aber nicht durch nachträgliche Genehmigung geheilt werden, da die Restitutionsbeklagte vorher nicht existent gewesen sei, Sie habe auch ihren Revisionsanwalt nicht wirksam bevollmächtigen können.

Dem ist jedoch nicht beizutreten.

Nach deutschem internationalen Privat- und Prozeßrecht beurteilen sich die Rechts- und Parteifähigkeit einer juristischen Person nach dem Recht ihres Sitzes (Personalstatut; vgl. auch BGH LM Nr. 13 zu § 50 ZPO; BGHZ 40; 197, 199), hier also nach schweizerischem Recht.

Die Löschung einer Aktiengesellschaft nach beendeter Liquidation gem. Art. 746 Schw. OR hat nach allgemeiner Meinung nicht konstitutiven, sondern nur deklaratorischen Charakter. Sind noch Aktive vorhanden, existiert sie „latent” weiter (Schucany, Komm. z. Schw. Aktienrecht, 2. Aufl. 1960 Anm. 2 zu Art. 746 OR; v. Steiger, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 3. Aufl. 1966, S. 329).

Anders als im deutschen Recht (vgl. BGH in LM Nr. 1 zu § 74 GmbHG) wird aber in der Schweiz allgemein angenommen, daß die Parteifähigkeit der Gesellschaft durch die Löschung verloren geht. Sie muß, damit sie klagen und verklagt werden kann, im Handelsregister wieder eingetragen werden; dies muß auf Antrag geschehen, wenn sich herausstellt, daß noch Vermögen vorhanden ist. (Schucany a.a.O.; Funk, Komm. des Schw. Obl. Rechts, 2. Band, Anm. 2 zu Art. 746; BGE 42 III S. 40; 64 II S. 150; 73 III S. 61; Entsch. des Obergerichts in Zürich, Blätter für Züricherische Rechtsprechung 46 S. 25 Nr. 9).

Da die Restitutionsbeklagte hiernach zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Urteils ihre Parteifähigkeit verloren hatte, hätte in der Tat die Restitutionsklage aus diesem Grunde durch Prozeßurteil als unzulässig abgewiesen werden müssen.

Entgegen der Ansicht des Revisionsklägers ist dieser Mangel jedoch dadurch als geheilt anzusehen, daß die Restitutionsbeklagte nach Wiederherstellung ihrer Parteifähigkeit die bisherigen unwirksamen Prozeßhandlungen genehmigt hat.

Da diese Genehmigung eine Prozeßhandlung ist, richtet sie sich in ihren Wirkungen nach dem Recht des Prozeßgerichts, also nach deutschen Recht. Danach kann der verfahrensrechtliche Mangel der Parteifähigkeit nachträglich geheilt werden, wenn diese während des Prozesses (wieder) hergestellt und die bisherige Prozeßführung genehmigt wird (Stein/Jonas/Pohle ZPO, 19 Aufl., § 50 VII 1; RG in JW 1895, 194 und 1901, 83; OLG Jena in JW 1937, 1659).

Der mit der Revision vertretenen Auffassung, eine solche Auffassung sei deshalb nicht möglich, weil die Restitutionsbeklagte vor ihrer Wiedereintragung in das Handelsregister überhaupt nicht mehr existent, also ein Nichts gewesen sei, kann nicht beigetreten werden. Auch nach schweizerischem Recht bestand sie trotz Verlustes ihrer Rechts- und Parteifähigkeit „latent” weiter, wie denn auch nach schweizerischem Recht eine juristische Person, die erst im Laufe des Rechtsstreits ihre Rechts- und Parteifähigkeit erworben hat, die vorher vorgenommenen unwirksamen Prozeßhandlungen mit Rückwirkung genehmigen kann (Guldener, Schweiz. Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1958, S. 189 a.E. und S. 232, insbes. Anm. 22).

Die Genehmigung kann auch noch in der Revisionsinstanz wirksam erteilt werden (vgl. BGHZ 41, 104, 106).

Die Vollnacht des Prozeßbevollmächtigten der Restitutionsbeklagten zur Fortsetzung des Rechtsstreits und Erteilung der Genehmigung ergibt sich aus den § 81, 86 ZPO.

II.

Das Berufungsgericht hat die Restitutionsklage gem. § 589 ZPO als unzulässig verworfen. Es hält es nicht für „glaubhaft”, das der Restitutionskläger ohne Verschulden außerstande gewesen sei, den Restitutionsgrund – die Urkunde vom 7. Oktober 1953 – schon in dem früheren Verfahren geltend zumachen.

Dazu hat es ausgeführt, der Restitutionskläger habe spätestens bei Zustellung der gegen ihn gerichteten Klage im November 1957 erkennen müssen, daß die Urkunde für die Entscheidung des Rechtsstreits von erheblicher Bedeutung sei. Nunmehr hätte er danach forschen müssen. Seine Behauptung, er habe ihr Vorhandensein damals vergessen gehabt, sei nicht glaubhaft. Sein „Erinnerungsschwund” könne bis Ende 1957 keineswegs so weit fortgeschritten gewesen sein, daß nicht einmal die Zustellung der Tage vom 27. November 1957 eine Wiedererinnerung an die äußerst wichtigen und einprägsamen Vorgänge vom 7. Oktober 1953 einschließlich des Vorgang der „Enthaftungserklärung” habe bewirken können. Er habe es daher selbst verschuldet, daß er den Restitutionsgrund nicht schon in dem früheren Verfahren habe geltend machen können (§ 582 ZPO).

1.) a) Der Restitutionskläger rügt hierzu das Berufungsgericht habe von der Möglichkeit, ihn als Partei anzuhören (§ 141 ZPO), keinen Gebrauch gemacht und seinen Antrag, ihn gem. § 448 ZPO als Partei zu vernehmen, nicht beschieden. Es habe sich mit dieser Möglichkeit überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Die Rüge ist nicht begründet.

Die Anhörung der Partei nach § 141 ZPO und die Parteivernehmung nach § 448 ZPO (die übrigens keines Antrags bedarf) liegen im pflichtmäßigen Ermessen des Gerichts.

Daraus, daß sich das Berufungsgericht in den Urteilsgründen mit diesen Bestimmungen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat, läßt sich noch nicht der Schluß ziehen, diese seien ihm nicht bekannt gewesen. In der Regel kann vielmehr angenommen werden, daß der Tatrichter in einem solchen Fall das ihm in diesen Vorschriften eingeräumte Ermessen hat walten lassen (BGH in LM NR. 2 zu § 448 ZPO).

Der Restitutionskläger meint allerdings, das Berufungsgericht habe sich nicht im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gehalten. Er weist darauf hin, daß das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts vom 29. Oktober 1963 eine von der jetzigen Beurteilung abweichende Würdigung des „Vergessens” der Urkunde vom 7. Oktober 1953 enthalte. Im ersten Urteil sei das Oberlandesgericht davon ausgegangen, daß der Restitutionskläger die Existenz der Urkunde vergessen habe, während der 3. Zivilsenat in dem angefochtenen Urteil davon ausgehe, es sei ihm nicht zu glauben, daß er sie vergessen habe. Er rügt, das Berufungsgericht hätte ihn unter diesen Umständen anhören oder als Partei vernehmen müssen.

Diese Rüge ist jedoch nicht begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es allerdings in der Regel rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht lediglich auf Grund der protokollierten Aussage eines Zeugen sich über dessen Glaubwürdigkeit ein anderes Urbeil bildet als ein anderer Senat des Berufungsgerichts oder das Landgericht, die diesen Zeugen vernommen hatten ohne sich durch nochmalige Vernehmung des Zeugen selbst ein Bild von dessen Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit zu machen (BGH in LM Nr. 2 und 3 zu § 398 ZPO) – Ein gleiches dürfte auch für den Fall der Parteienanhörung oder -vernehmung gelten.

Indessen liegt der Fall hier anders. Denn der 3. Zivilsenat des Berufungsgerichts stützt in dem angefochtenen Urteil seine Feststellungen auf andere Umstände als der 2. Zivilsenat in dem Urteil vom 29. Oktober 1963 Er stellt nämlich auf den Gang des Prozeßgeschehens ab, indem er ausführt, der Restitutionskläger sei an die mannigfachen Vorgänge und damit auch die Existenz der Urkunde schon 1953 und 1956 durch die Streitverkündung und andere Vorgänge in dem Prozeß der Klägerin gegen Wohlrab, ganz nachdrücklich aber durch die Zustellung der gegen ihn gerichteten Klage im Jahre 1957 erinnert worden. Spätestens in diesem Zeitpunkt hätte er auch erkennen müssen, daß die in der Urkunde enthaltene Enthaftungserklärung für die Entscheidung des gegen ihn gerichteten Verfahrens von ausschlaggebender Bedeutung war. Es könne nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht angenommen werden, daß er die Vorgänge vom 7. Oktober 1955 nach so kurzer Zeit schon restlos vergessen habe (BU S. 13).

Das Berufungsgericht sieht seine Schlüsse demnach aus dem objektiven Sachverhalt und konnte deshalb auch ohne Anhörung oder Parteivernehmung des Restitutionsklägers sich „nach allgemeiner Lebenserfahrung” ein Urteil über dessen innere Vorgänge bilden.

Dieser hat auch nichts dafür vorgetragen, daß in seiner Person besondere Umstände vorgelegen hätten, die trotz des gegen ihn sprechenden objektiven Sachverhalts seine persönliche Anhörung oder Parteivernehmung erforderlich gemacht hätten.

b) Er rügt in diesem Zusammenhang noch, das Berufungsgericht hätte ihn nach § 139 ZPO darüber aufklären müssen, daß es den Sachverhalt nicht für ausreichend halte um ihm das „Vergessen” der Urkunde zu glauben. Wäre das geschehen, so hatte er behauptet und unter Beweis gestellt, daß er in der fraglichen Zeit infolge außergewöhnlicher Arbeitsbelastung die Existenz der Urkunde sehr wohl hätte vergessen haben können. In dem zweiten Verfahren vor dem Oberlandesgericht sei die Frage des Vergessens überhaupt nicht mehr erörtert worden.

Diese Rüge ist nicht begründet.

Schon in dem Urteil des Revisionsgerichts vom 29. November 1963 ist (worauf der Restitutionskläger selbst hinweist) auf S. 7 den Oberlandesgericht aufgegeben worden, sich erforderlichenfalls auch mit der Frage des Verschuldens an dem verspäteten Auffinden der Urkunde auseinanderzusetzen. Die Behauptung des Restitutionsklägers, in dem anschließenden Verfahren vor der Oberlandesgericht sei die Frage des „Vergessens” überhaupt nicht mehr erörtert worden, steht im Widerspruch zu den Schriftsätzen des Restitutionsklägers vom 31. März 1966 S. 15 und der Restitutionsbeklagten vom 25. Mai 1966 S. 3 f. und 2. November 1967 S. 2 f.; in welchen sich die Parteien zu diesem Funkt eingehend geäußert haben, Der Restitutionskläger mußte also damit rechnen, daß das Berufungsgericht diese Frage prüfen und sie zum Gegenstand seiner Urteilsfindung machen werde. Unten diesen Umständen hatte dieses keine Veranlassung, ihn gem. § 139 APO hierauf nochmals ausdrücklich hinzuweisen.

Die Meinung des Restitutionsklägers, die Haftungsbefreiung in der Urkunde sei nur eine „selbstverständliche” und demnach unwichtige Erklärung, die deshalb auch leicht habe vergessen werden können, ist offenbar verfehlt.

2.) Mit der Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Restitutionskläger das Vorhandensein der Urkunde nicht vergessen hatte, rechtfertigt sich auch seine Auffassung, er habe es nicht schuldlos unterlassen, den Restitutionsgrund schon in denn früheren Verfahren geltend zu machen.

Der Restitutionskläger hat es zu beweisen, daß er ohne sein Verschulden außerstande gewesen sei, die Urkunde schon früher vorzulegen. Diesen Beweis sieht das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als nicht erbracht an. Hat er, wie festgestellt, von dem Vorhandensein der Enthaftungserklärung der Restitutionsbeklagten gewußt, dann wäre er auch gehalten gewesen, an allen in Betracht kommenden Orten danach zu suchen (vgl. RGZ 99, 168). Das hat er, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei annimmt, nicht getan. Hätte er das getan, so hätte er auch, wie das Berufungsgericht feststellt, die Urkunde schon früher gefunden.

So gesehen läßt die Bemerkung des Berufungsgerichts, der Restitutionskläger hätte bei der Suche nach Belegen für eine Reise im März 1953 auch die Urkunde 7. Oktober 1953 finden können, keinen Denkfehler erkennen. Es liegt auf der Hand, daß sich der Restitutionskläger nicht damit hätte begnügen dürfen, nur bei den Belegen im März 1953 nachzusehen, sondern alle Belege der fraglichen Zeit, also auf jeden Fall des ganzen Jahres 1953, hätte nachprüfen müssen. Damit erledigt sich auch seine weitere Rüge, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß er, selbst wenn er in den Rechnungsbelegen vom März 1953 nachgesucht hätte, die bei den Belegen vom Oktober abgeheftete Urkunde nicht hätte finden können.

3.) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht deshalb die Restitutionsklage als unzulässig verworfen (vgl. BGH in LM Nr. 1 zu § 582 ZPO Leits. b).

III.

Die Revision des Restitutionsklägers ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

 

Fundstellen

BGHZ 51, 27

BGHZ, 27

MDR 1969, 134

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