Leitsatz (amtlich)

Wird in der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO die "weitere" Vollstreckung aus einem bestimmten Titel für unzulässig erklärt, ist regelmäßig auf die Aufhebung der Vollstreckbarkeit des Titels erkannt.

 

Normenkette

ZPO §§ 767, 775 Nr. 1 Fall 3, § 776 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Urteil vom 19.09.2003; Aktenzeichen 4 T 5096/03)

AG Laufen

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Rechtsbeschwerde der Gläubiger wird festgestellt, dass das durch den Antrag des Schuldners auf Aufhebung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse v. 9.8.1999 und v. 25.5.2000 eingeleitete Verfahren in der Hauptsache erledigt ist.

Die Gläubiger tragen die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens:

Bis zum 2.12.2004: 3.914.556,43 EUR

ab diesem Zeitpunkt: 65.160,92 EUR.

 

Gründe

I.

Die Gläubiger betreiben gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung einer notariellen Urkunde.

Auf Antrag der Gläubiger hat das AG - Vollstreckungsgericht - am 9.8.1999 und am 25.5.2000 zwei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erlassen und angebliche Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldner gepfändet. Auf eine Vollstreckungsabwehrklage des Schuldners hat das LG T. durch Urteil v. 19.9.2003 die "weitere Zwangsvollstreckung" aus der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde für unzulässig erklärt. Der Schuldner hat daraufhin beantragt, die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse v. 9.8.1999 und 25.5.2000 aufzuheben. Mit Beschluss v. 12.12.2003 hat das AG - Vollstreckungsgericht - diese Anträge zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht den Beschluss des AG - Vollstreckungsgerichts - sowie die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse v. 9.8.1999 und 25.5.2000 aufgehoben.

Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Gläubiger. Nach Einlegung der Rechtsbeschwerde hat der 3. Zivilsenat des OLG M. durch Urteil v. 3.11.2004 das Urteil des LG T. v. 19.9.2003 aufgehoben und die Vollstreckungsabwehrklage des Schuldners abgewiesen. Der Schuldner hat daraufhin das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Gläubiger sind der Erledigungserklärung entgegengetreten.

II.

Das Verfahren hat sich in der Hauptsache erledigt. Das ist unter Zurückweisung der Rechtsbeschwerde festzustellen. Die Gläubiger tragen die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Die gem. §§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Gläubiger war unbegründet.

1. Die Erledigung der Hauptsache kann vom Antragsteller im Rechtsbeschwerdeverfahren jedenfalls dann einseitig erklärt werden, wenn das erledigende Ereignis als solches außer Streit steht (BGH, Beschl. v. 29.10.1985 - KVR 1/84, AG 1986, 223 = MDR 1986, 580 = ZIP 1986, 397 [398]; vgl. zum Revisionsverfahren: BGH, Urt. v. 18.12.2003 - I ZR 84/01, BGHReport 2004, 605 = NJW 2004, 1665; Urt. v. 15.3.1996 - V ZR 316/94, MDR 1996, 892 = NJW 1996, 1814; Urt. v. 10.10.1990 - VIII ZR 296/89, MDR 1991, 430 = CR 1991, 28 = NJW 1991, 221 [222]).

Erledigendes Ereignis ist der Erlass des Urteils des OLG M. v. 3.11.2004. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Urteil des LG T. v. 19.9.2003 durch das Urteil des OLG M. v. 3.11.2004 aufgehoben und die Vollstreckungsabwehrklage des Schuldners abgewiesen worden ist. Damit ist die Grundlage für die Aufhebung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse entfallen. Der Umstand, dass das Urteil des OLG M. noch nicht rechtskräftig ist, ist nach § 717 Abs. 1 ZPO ohne Belang (Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 717 ZPO Rz. 2). Der Schuldner war daher berechtigt, im Rechtsbeschwerdeverfahren die Erledigung zu erklären.

2. Der Antrag des Schuldners auf Aufhebung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse war zum Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses, wie das Beschwerdegericht im Ergebnis zu Recht entschieden hat, zulässig und begründet.

a) Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, auf Grund des Urteils des LG T. v. 19.9.2003 seien die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nach §§ 775 Nr. 1 Fall 3, 776 S. 1 ZPO aufzuheben gewesen. Das Urteil des LG stelle einen Titel i.S.d. § 775 Nr. 1 Fall 3 ZPO dar. Etwas anderes ergebe sich vorliegend nicht daraus, dass im Tenor des Urteils lediglich die "weitere" Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde für unzulässig erklärt worden sei. Der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses biete die Grundlage für die Vornahme der eigentlichen Vollstreckungshandlungen, also für die Pfändung eingehender Geldbeträge und für ihre Überweisung an die Gläubiger. Die erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse böten dafür die Möglichkeit, solange sie existierten. Würden diese aufrechterhalten, wäre aus ihnen eine weitere Pfändung und Überweisung bis zur vollständigen Erfüllung der Forderung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde möglich. Genau dies würde aber dem Inhalt der Entscheidung des LG T. v. 19.9.2003 widersprechen.

b) Die Rechtsbeschwerde hält dem entgegen, nach dem eindeutigen Tenor des Urteils des LG T., nach dem lediglich die "weitere" Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt worden ist, seien nur neuerliche Vollstreckungshandlungen aus der notariellen Urkunde untersagt. Die bereits erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse seien hingegen aufrecht zu erhalten.

c) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde im Ergebnis stand. Das Beschwerdegericht hat die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zu Recht gem. §§ 775 Nr. 1 Fall 3, 776 S. 1 ZPO aufgehoben.

aa) Gemäß § 776 S. 1 ZPO sind im Fall des § 775 Nr. 1 ZPO die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben. Hierzu zählen auch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse (Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rz. 744; Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 776 Rz. 3).

bb) Das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil des LG T. v. 19.9.2003, mit dem die weitere Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig erklärt worden ist, stellt eine vollstreckbare Entscheidung i.S.v. § 775 Nr. 1 Fall 3 ZPO dar. Eine vollstreckungsrechtlich zu beachtende Beschränkung der Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung enthält diese Entscheidung nicht.

(1) Bei dem Urteil des LG T. v. 19.9.2003 handelt es sich um eine Entscheidung über eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO. Die Vollstreckungsabwehrklage ist eine prozessuale Gestaltungsklage, deren Streitgegenstand auf die vollständige oder teilweise Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels gerichtet ist (BGH, Urt. v. 5.2.1971 - I ZR 118/69, BGHZ 55, 255 [256]; Urt. v. 24.11.1982 - VIII ZR 263/81, BGHZ 85, 367 [371] = MDR 1983, 394; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 767 ZPO Rz. 11 und 12). Mit der Vollstreckungsabwehrklage kann nicht beantragt werden, die Zwangsvollstreckung aus einem Titel nur insoweit für unzulässig zu erklären, als es sich um bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen handelt (BGH, Urt. v. 10.10.1960 - II ZR 53/58, NJW 1960, 2286 [2287]).

(2) Nach dieser Maßgabe ist entgegen der Rechtsbeschwerde durch das Urteil des LG Traunstein v. 19.9.2003 die gänzliche Vernichtung der Vollstreckbarkeit des streitgegenständlichen Titels ausgesprochen worden. Der Umstand, dass in dem Urteil lediglich die "weitere" Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt worden ist, ist vollstreckungsrechtlich ohne Belang. Zwar kann der Tenor eines einer Vollstreckungsabwehrklage stattgebenden Urteils dahin gehen, die Zwangsvollstreckung nur zeitweilig für unzulässig zu erklären (Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 767 ZPO Rz. 40; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl., § 40, S. 457). Darum geht es vorliegend aber nicht. Nicht gefolgt werden kann daher der Rechtsbeschwerde, die den Tenor des genannten Urteils so verstanden wissen möchte, dass hiermit lediglich neuerliche Vollstreckungshandlungen untersagt worden sind und die bereits getroffenen Vollstreckungshandlungen aufrecht erhalten werden sollen. Dieses Verständnis geht dahin, nur einzelne, nach zeitlichen Abschnitten bestimmte Vollstreckungshandlungen für unzulässig zu erklären. So lässt sich der Tenor des landgerichtlichen Urteils nicht auffassen. Dies wäre mit der Rechtsnatur einer Vollstreckungsabwehrklage nicht vereinbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1412922

BGHR 2005, 1619

EBE/BGH 2005, 298

FamRZ 2005, 1832

NJW-RR 2006, 356

JurBüro 2006, 100

JurBüro 2006, 52

WM 2005, 1991

InVo 2006, 31

MDR 2006, 171

Rpfleger 2005, 675

NJOZ 2005, 3992

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