Leitsatz (amtlich)

Eine nach Ende der Ehezeit für den ausgleichspflichtigen Ehegatten bewilligte Verlängerung der Dienstzeit als Beamter ist bei der Ermittlung der Gesamtzeit nach § 40 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG zu berücksichtigen (Fortführung des Senatsbeschlusses v. 20.6.2018 - XII ZB 102/17, FamRZ 2018, 1500).

 

Normenkette

VersAusglG § 5 Abs. 2 S. 2, § 40 Abs. 2 S. 1, § 44 Abs. 1, § 51 Abs. 1-2; FamFG § 225 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Beschluss vom 08.12.2016; Aktenzeichen 10 UF 34/16)

AG Aachen (Entscheidung vom 05.01.2016; Aktenzeichen 233 F 208/14)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG Köln vom 8.12.2016 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Wert: 2.400 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Beteiligten streiten über die Abänderung einer unter Anwendung des bis zum 31.8.2009 geltenden Rechts ergangenen Entscheidung über den Versorgungsausgleich.

Rz. 2

Auf den am 7.11.2007 zugestellten Antrag wurde die am 17.12.1971 geschlossene Ehe des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) und der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) durch Urteil vom 6.8.2008 rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt. Aus der Ehe gingen fünf - in den Jahren von 1974 bis 1989 geborene - Kinder hervor.

Rz. 3

Nach den im Verbundverfahren getroffenen Feststellungen des FamG hatten beide Ehegatten während der Ehezeit vom 1.12.1971 bis zum 31.10.2007 Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beteiligte zu 2 und 3) erworben. Der Ehemann verfügte darüber hinaus über ein Anrecht auf landesrechtliche Beamtenversorgung bei der Beteiligten zu 1). Den Versorgungsausgleich regelte das FamG, indem es der Ehefrau im Wege des Splittings (§ 1587b Abs. 1 BGB) gesetzliche Rentenanrechte i.H.v. monatlich 97,59 EUR übertrug und zu ihren Gunsten im Wege des Quasi-Splittings (§ 1587b Abs. 2 BGB) weitere gesetzliche Rentenanrechte i.H.v. monatlich 1.551,60 EUR bei der Beteiligten zu 3) begründete. Bei der Bewertung der beamtenrechtlichen Versorgung legte das FamG eine voraussichtliche Gesamtdienstzeit des Ehemanns bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze am 31.3.2014 zugrunde.

Rz. 4

Dem Ehemann wurde später antragsgemäß eine Dienstzeitverlängerung bis zum 31.7.2017 bewilligt. Die Ehefrau bezieht bereits seit dem 1.8.2011 eine Regelaltersrente.

Rz. 5

Auf den im Juni 2014 eingegangenen Antrag des Ehemanns hat das FamG die Ausgangsentscheidung zum Versorgungsausgleich mit Wirkung ab dem 1.7.2014 abgeändert. Es hat die gesetzlichen Rentenanrechte der Ehegatten intern geteilt, wobei es der Bewertung des Anrechts der Ehefrau die verbesserte rentenrechtliche Anerkennung der Erziehungszeiten nach dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz, sog. Mütterrente) zugrunde gelegt hat. Ferner hat das FamG im Wege der externen Teilung zu Lasten des Anrechts des Ehemanns bei der Beteiligten zu 1) - unter Berücksichtigung der bis zum 31.7.2017 verlängerten Dienstzeit - zugunsten der Ehefrau ein Anrecht mit einem Ausgleichswert von 1.440,25 EUR bei der Beteiligten zu 3) begründet.

Rz. 6

Das OLG hat die auf den Ausspruch zur externen Teilung beschränkte Beschwerde der Ehefrau zurückgewiesen; hiergegen richtet sich ihre zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 7

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Rz. 8

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Ausgangsentscheidung zum Versorgungsausgleich sei abzuändern, weil das gesetzliche Rentenanrecht der Ehefrau aufgrund des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes eine wesentliche Wertänderung i.S.d. § 51 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 2 und 3 FamFG erfahren habe. Im Rahmen der gem. § 51 Abs. 1 VersAusglG durchzuführenden Totalrevision sei bei der Ermittlung des Ehezeitanteils des Beamtenanrechts die bis zum 31.7.2017 verlängerte Dienstzeit des Ehemanns zu berücksichtigen, so dass das FamG zu Recht von einem verringerten Ehezeitanteil dieses Anrechts ausgegangen sei. Denn die Dienstzeitverlängerung stelle eine tatsächliche Veränderung dar, die auf den Ehezeitanteil zurückwirke und der Bewertung des Anrechts gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG zugrunde zu legen sei.

Rz. 9

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

Rz. 10

Nach § 51 Abs. 1 VersAusglG ändert das Gericht eine Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht getroffen worden ist, bei einer wesentlichen Wertänderung auf Antrag ab, indem es die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG teilt.

Rz. 11

a) Die Vorinstanzen haben die Voraussetzungen für eine Abänderung im Ergebnis zutreffend als gegeben erachtet.

Rz. 12

aa) Der Abänderungsantrag des Ehemanns ist nach § 226 Abs. 1 und 2 FamFG zulässig; die Abänderung wirkt sich zu seinen Gunsten aus (vgl. § 225 Abs. 5 VersAusglG).

Rz. 13

bb) Die eingetretene Wertänderung des gesetzlichen Rentenanrechts der Ehefrau übersteigt die in § 225 Abs. 3 FamFG normierten Wesentlichkeitsgrenzen. Danach ist eine Wertänderung wesentlich, wenn sie mindestens 5 % des bisherigen Ausgleichswerts des Anrechts beträgt (relative Wesentlichkeitsgrenze) und bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße 1 %, in allen anderen Fällen als Kapitalwert 120 % der am Ende der Ehezeit maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV übersteigt (absolute Wesentlichkeitsgrenze). Dabei genügt die Wertänderung nur eines Anrechts.

Rz. 14

Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, ist bei der Abänderung von Altentscheidungen die Überschreitung nicht nur der relativen Wesentlichkeitsgrenze nach § 225 Abs. 3 Alt. 1 FamFG, sondern auch der absoluten Wesentlichkeitsgrenze nach § 225 Abs. 3 Alt. 2 FamFG bei Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung auf der Grundlage von Rentenbeträgen zu überprüfen (BGH, Beschl. v. 8.11.2017 - XII ZB 105/16, FamRZ 2018, 176 Rz. 19 ff.).

Rz. 15

Der Ausgleichswert des gesetzlichen Rentenanrechts der Ehefrau betrug im Ausgangsverfahren 96,06 EUR (Hälfte des ursprünglichen Ehezeitanteils von 192,12 EUR) und hat sich unter Berücksichtigung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes auf 170,21 EUR (6,4794 EP x 26,27 EUR Rentenwert zum Ende der Ehezeit am 31.12.2007) erhöht. Angesichts der relativen Wertänderung von 77 % ([170,21 EUR - 96,06 EUR]: 96,06 EUR) und der absoluten Änderung von 74,15 EUR (170,21 EUR - 96,06 EUR) sind beide Wesentlichkeitsgrenzen überschritten (1 % der für das Ende der Ehezeit maßgeblichen Bezugsgröße gem. § 18 Abs. 1 SGB IV beläuft sich auf 24,50 EUR).

Rz. 16

b) Bei der durch § 51 Abs. 1 VersAusglG eröffneten Totalrevision der in den ursprünglichen Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechte (vgl. BGH BGHZ 198, 91 = FamRZ 2013, 1548 Rz. 15 ff.) unterliegt das vom Ehemann erworbene Anrecht auf landesrechtliche Beamtenversorgung der externen Teilung gem. § 16 VersAusglG. Im Rahmen der Bewertung dieses Beamtenanrechts hat das Beschwerdegericht mit zutreffenden Erwägungen die bis zum 31.7.2017 verlängerte Dienstzeit des Ehemanns berücksichtigt.

Rz. 17

aa) Für Anrechte auf Beamtenversorgung sind nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG die Grundsätze der zeitratierlichen Bewertung anzuwenden. Der Wert des Ehezeitanteils ist dabei auf der Grundlage eines Zeit-Zeit-Verhältnisses zu berechnen (§ 40 Abs. 1 VersAusglG). Es ist - nach § 40 Abs. 3 Satz 1 VersAusglG unter Berücksichtigung der zum Ende der Ehezeit geltenden Bemessungsgrundlagen - u.a. die Zeitdauer zu ermitteln, die bis zu der für das Anrecht maßgeblichen Altersgrenze höchstens erreicht werden kann (§ 40 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG).

Rz. 18

Wegen des Stichtagsprinzips bleiben auf diese Weise nachehezeitliche Veränderungen außer Betracht, die keinen Bezug zum ehezeitlichen Erwerb aufweisen und nach Maßgabe der bei Ehezeitende bestehenden individuellen Bemessungsgrundlagen keinen Einfluss auf den Ehezeitanteil der Versorgung haben. Andererseits bleibt § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG unberührt (§ 40 Abs. 3 Satz 2 VersAusglG). Hiernach sind rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit bei der Bewertung zu berücksichtigen, wenn sie auf den Ehezeitanteil zurückwirken (vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.2019 - XII ZB 284/18, FamRZ 2019, 1052 Rz. 19 m.w.N.).

Rz. 19

bb) Als höchstens erreichbare Zeitdauer nach § 40 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG ist bei einem Lebenszeitbeamten der Zeitraum bis zum Eintritt in den Ruhestand zugrunde zu legen. Der Ruhestandseintritt erfolgt grundsätzlich mit Erreichen der Regelaltersgrenze, soweit nicht gesetzlich eine andere Altersgrenze bestimmt ist. Ist jedoch - wie hier - bereits vor der letzten tatrichterlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich eine Verlängerung der Dienstzeit über die Regelaltersgrenze hinaus hinreichend gewiss, ist diese bei der Ermittlung der höchstens erreichbaren Zeitdauer zu berücksichtigen.

Rz. 20

(1) Der Senat hat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ausgesprochen, dass eine nach dem Ende der Ehezeit auf Antrag des ausgleichspflichtigen Ehegatten verlängerte Dienstzeit als Lebenszeitbeamter bei der Ermittlung der Gesamtzeit nach §§ 41 Abs. 2 Satz 2, 40 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG zu berücksichtigen ist (BGH, Beschl. v. 20.6.2018 - XII ZB 102/17, FamRZ 2018, 1500 Rz. 15 ff.). Zwar stellt die nachehezeitliche Entschließung eines Beamten, seine Dienstzeit zu verlängern, grundsätzlich einen individuellen Umstand dar, der an sich keinen Ehezeitbezug aufweist. Die Dienstzeitverlängerung wirkt jedoch auf den Ehezeitanteil zurück (BGH, Beschl. v. 10.4.2019 - XII ZB 284/18, FamRZ 2019, 1052 Rz. 29 m.w.N.). Denn durch die für Beamtenanrechte nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG ausnahmslos vorgeschriebene zeitratierliche Bewertung soll eine Linearisierung der unterschiedlichen Versorgungszuwächse während der gesamten Dienstzeit erreicht werden. Dabei ist für die Gesamtzeit nach § 40 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG grundsätzlich ohne Bedeutung, ob die (verlängerte) Dienstzeit vor, während oder nach der Ehezeit abgeleistet wurde (BGH, Beschl. v. 10.4.2019 - XII ZB 284/18, FamRZ 2019, 1052 Rz. 30 m.w.N.). Auch nach dem Ehezeitende eingetretene Veränderungen der tatsächlichen Zeitdauer des Dienstverhältnisses sind somit für die Gesamtdienstzeit zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.6.2018 - XII ZB 102/17, FamRZ 2018, 1500 Rz. 17 unter Hinweis auf den zur bis zum 31.8.2009 geltenden Rechtslage ergangenen BGH, Beschl. v. 15.11.1995 - XII ZB 4/95, FamRZ 1996, 215, 217 m.w.N.).

Rz. 21

Auch wenn - wie im vorliegenden Fall - der höchste Ruhegehaltssatz schon vor der Dienstzeitverlängerung erreicht wurde, gibt dies keinen Anlass für eine abweichende Ermittlung der Gesamtdienstzeit. Denn zur höchstens erreichbaren Zeitdauer i.S.v. § 40 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG gehört auch diejenige Zeit, in der kein Versorgungszuwachs eintritt. Wann die ruhegehaltsfähige Dienstzeit abgeleistet wurde, ist mithin für die in die zeitratierliche Bewertung einzustellende Gesamtdienstzeit ohne Bedeutung (BGH, Beschl. v. 20.6.2018 - XII ZB 102/17, FamRZ 2018, 1500 Rz. 19).

Rz. 22

Dem Ehegatten, der durch seinen Antrag eine Dienstzeitverlängerung bewirkt, kann auch nicht angelastet werden, dass aufgrund seiner individuellen Entscheidung der Ehezeitanteil des Versorgungsanrechts und damit auch der Ausgleichswert rechnerisch verringert worden ist. Abgesehen davon, dass er mehr Dienste leistet, als von ihm im gesetzlichen Regelfall erwartet werden kann, hat er zudem selbst den Nachteil, dass er erst nach Ablauf der verlängerten Dienstzeit zum - der Höhe nach unveränderten - Versorgungsbezug berechtigt ist. Eine Rechtsmissbräuchlichkeit seines Vorgehens im Sinne einer gezielten Benachteiligung des Ausgleichsberechtigten ist ihm daher nicht vorzuwerfen. Die Verlängerung der Gesamtdienstzeit ist somit als Folge des Bewertungsmaßstabs der gesetzlich angeordneten zeitratierlichen Bewertung regelmäßig hinzunehmen (BGH, Beschl. v. 20.6.2018 - XII ZB 102/17, FamRZ 2018, 1500 Rz. 20).

Rz. 23

(2) Diese Grundsätze gelten nicht nur für den vom Senat entschiedenen Fall eines zum Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung bereits in der Leistungsphase befindlichen Anrechts i.S.d. § 41 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG (BGH, Beschl. v. 20.6.2018 - XII ZB 102/17, FamRZ 2018, 1500). Vielmehr sind sie auch auf Fälle - wie den vorliegenden - anzuwenden, in denen eine verlängerte Dienstzeit über die Regelaltersgrenze hinaus bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz hinreichend gewiss ist (vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.2019 - XII ZB 284/18, FamRZ 2019, 1052 Rz. 22 m.w.N. zur Berücksichtigung der Wiederwahl eines kommunalen Wahlbeamten vor der letzten tatrichterlichen Entscheidung). Wenn absehbar ist, dass ein Beamter auf Lebenszeit nicht mit Erreichen der Regelaltersgrenze, sondern erst nach Ablauf einer beantragten und bereits bewilligten Dienstzeitverlängerung in den Ruhestand treten wird, ist mithin auch diese Dienstzeit bei der Ermittlung der höchstens erreichbaren Zeitdauer i.S.v. § 40 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG heranzuziehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13364708

NJW 2019, 8

FamRZ 2019, 1604

FuR 2019, 711

JZ 2019, 653

JZ 2019, 659

MDR 2019, 1135

FF 2019, 378

FamRB 2019, 433

FamRB 2019, 7

NZFam 2019, 791

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