Ihr Nachbar sollte schon während der Planungsphase auf Sie zukommen und Sie fragen, ob Sie mit dem Bauvorhaben einverstanden sind. Vor allem dann, wenn kein Bebauungsplan vorliegt und der Bauherr von der Nachbarschaftsbebauung abweichen will, braucht er Ihre Zustimmung. Doch wenn Sie die Baupläne unterschreiben, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, was das bedeutet – nämlich nicht nur, dass Sie mit dem Bauvorhaben einverstanden sind. Sie verzichten auch automatisch auf Ihre Rechte, der Baugenehmigung zu widersprechen oder sie anzufechten.

Es ist also immer besser, sich nicht vom Bauherrn zur Unterschrift drängen zu lassen, nur weil sich dieser auf die "gute Nachbarschaft" beruft oder versucht, die Angelegenheit als "Bagatelle", "reine Formsache" oder dergleichen darzustellen. Vielmehr wird Ihre Unterschrift als Zustimmung zum Bauvorhaben gewertet. Sie können sich dann gegen das Bauvorhaben nicht mehr wehren, auch wenn der Bauherr die Abstandsflächen nicht einhält oder sich der Bau nicht in die vorhandene Bebauung einfügt.

Zwar hat die Unterschrift grundsätzlich keinen Einfluss auf die Erteilung der Baugenehmigung. Den Bau genehmigt die Behörde immer dann, wenn er mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften übereinstimmt. Entscheidet die Behörde allerdings hinsichtlich des Nachbarn falsch, sind diesem – wegen seiner Unterschrift unter dem Bauantrag – alle Anfechtungsmöglichkeiten genommen. Sie sollten daher Ihre Unterschrift in keinem Fall vorschnell leisten, sondern allenfalls nach ausführlicher tatsächlicher und rechtlicher Überprüfung des Bauvorhabens und eingehender Rücksprache mit der Genehmigungsbehörde.

Die Unterschrift hat noch weitere nachteilige Folgen für Sie als Nachbar: Sie führt dazu, dass die Behörde Sie nicht mehr über die erteilte Baugenehmigung unterrichten muss. Ob gebaut werden darf, erfahren Sie somit erst, wenn die Bagger anrücken. Beim geringsten Zweifel sollten Sie daher die Unterschrift nicht leisten. Dies empfiehlt sich schon deshalb, weil Nachbarn nicht selten mit der Bitte um Unterschriftsleistung überrumpelt werden und erst später, etwa bei Gesprächen im Familienkreis oder mit fachkundigen Dritten erkennen, dass sie das Bauvorhaben doch beeinträchtigt. Wer dagegen seine Unterschrift von vornherein nicht erteilt, schadet damit weder dem Nachbarn – da die Baugenehmigung unabhängig von seiner Unterschrift erfolgt – noch sich selbst.

 
Praxis-Beispiel

Bereute Unterschrift

Wie sich eine vorschnelle Unterschrift später negativ auswirken kann, zeigt ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Bayern.[1] Einen bestehenden Rinderstall wollte der Eigentümer anders nutzen. Die Nachbarn hatten vorbehaltlos sämtliche ihnen vom Bauherrn vorgelegten Bauvorhaben unterschrieben. Der Bauherr reichte diese Unterlagen beim Landratsamt ein. Als es sich die Nachbarn anders überlegten und ihre Unterschrift rückgängig machen wollten, war es zu spät. Mit der Entscheidung des Großen Senats wurde damit eine bislang widersprüchliche Rechtsprechung geklärt, die teilweise der Auffassung war, dass die Nachbarn noch bis zum Erlass der Baugenehmigung ihre Zustimmung zurücknehmen könnten. Auch für den juristischen Laien sei erkennbar, so das Gericht, dass er mit seiner vorbehaltlosen Unterzeichnung der Bauvorlagen eine Erklärung abgibt, an die er prinzipiell gebunden ist.

[1] VGH Bayern, Urteil v. 3.11.2005, 2 BV 4.1756, BayVBl 2006, 246.

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