A. Grundlagen

 

Rn. 1

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Mit dem Gesetz zur Änderung des D-Markbilanzgesetzes und anderer handelsrechtlicher Bestimmungen (DMBilG) vom 25.07.1994 (BGBl. I 1994, S. 1682ff.) wurde die Vorschrift zur Umsetzung der sog. Mittelstands-R (90/604/EWG) in deutsches Recht eingefügt. Gegenstand dieser Regelung(en) sind (größenabhängige) Erleichterungen bei der Aufstellung des JA für kleine KapG. Die Befreiung kleiner KapG basierte ursprünglich auf Art. 44 Abs. 2 der 4. EG-R (78/660/EWG) i. d. F. der Mittelstands-R.

Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) vom 25.05.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102ff.) wurde das bisherige Ansatzwahlrecht Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs nach § 269 (a. F.) betreffend aufgehoben. Als Konsequenz ist die obsolete Befreiung kleiner KapG von den diesbezüglichen Erläuterungspflichten im Anhang weggefallen (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 68). Hinzugekommen ist dafür die Befreiung kleiner KapG von der Steuerabgrenzung nach § 274.

Infolge des Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG) vom 17.07.2015 (BGBl. I 2015, S. 1245ff.) wurde die Pflicht zur Aufstellung eines Anlagespiegels in den Anhang verlagert (vgl. § 284 Abs. 3). Parallel dazu wurde die Befreiung für kleine KapG von § 274a in § 288 Abs. 1 Nr. 1 verschoben (vgl. BT-Drs. 18/4050, S. 63, 68f.; im Übrigen zum Anlagespiegel HdR-E, HGB §§ 284–288, Rn. 139ff.).

 

Rn. 2

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Die mit dem BilRUG transformierte Bilanz-R 2013/34/EU (ABl. EU, L 182/19ff. vom 26.06.2013), welche die 4. und 7. EG-R (83/349/EWG) ersetzte, kennt zwar keine unmittelbare Nachfolgevorschrift zu Art. 44 der 4. EG-R. Die Erleichterungen in § 274a Nr. 1f. lassen sich gleichwohl im Umkehrschluss aus den in der Bilanz-R abschließend aufgeführten Pflichtangaben für kleine UN (vgl. Art. 16 Abs. 3) begründen. In entsprechender Anwendung des Art. 16 Abs. 3 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 lit. a) der Bilanz-R kann von kleinen KapG ein gesonderter Ausweis des Disagios (Nr. 3) nicht verlangt werden (vgl. Staub: HGB (2021), § 274a, Rn. 2). Den Ansatz latenter Steuern (Nr. 4) schreibt die Bilanz-R selbst bei mittelgroßen und großen KapG nicht vor (vgl. Art. 17 Abs. 1 lit. f): "wenn"), so dass kleine KapG R-konform hiervon befreit werden können.

 

Rn. 3

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Die Erleichterungen des § 274a sind als Wahlrechte ausgestaltet, die jeweils einzeln ausgeübt werden können. Ihre Inanspruchnahme unterliegt grds. dem Gebot der Ansatz- bzw. Ausweisstetigkeit (vgl. § 246 Abs. 3 bzw. § 265 Abs. 1). Der Verzicht auf eine Befreiung ist aufgrund des dadurch verbesserten Einblicks in die VFE-Lage des betreffenden UN stets auch ohne Begründung möglich. Die Inanspruchnahme einer Befreiung, welche im VJ nicht genutzt wurde, ist bei wesentlichen Abweichungen zu begründen, was indes regelmäßig aufgrund von Gesellschaftsinteressen gegeben sein wird (vgl. ADS (1997), § 265, Rn. 22).

B. Einzelvorschriften

1. Antizipative Aktiva und Passiva

 

Rn. 4

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Kleine KapG brauchen nach § 274a Nr. 1f. antizipative Aktiva (vgl. § 268 Abs. 4 Satz 2) und Passiva (vgl. § 268 Abs. 5 Satz 3) im Anhang nicht zu erläutern, auch wenn es sich um Beträge handelt, die einen größeren Umfang aufweisen (vgl. zur Erläuterung der Beträge HdR-E, HGB § 268, Rn. 203ff., 217; HdR-E, HGB §§ 284–288).

2. Disagio

 

Rn. 5

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Nach Nr. 3 der Vorschrift brauchen kleine KapG das Disagio (vgl. § 250 Abs. 3; HdR-E, HGB § 268, Rn. 218ff.) weder in der Bilanz gesondert (von den übrigen RAP) auszuweisen noch im Anhang anzugeben.

3. Abgrenzung latenter Steuern

 

Rn. 6

Gemäß § 274a Nr. 4 (i. d. F. des BilRUG) sind kleine KapG davon befreit, latente Steuern nach § 274 abzugrenzen. Ausweislich der RegB zum BilMoG sollen kleine KapG auf die Ermittlung und den Ausweis latenter Steuern verzichten können (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 68). Eine freiwillige Anwendung ist jedoch zulässig (vgl. Oser et al., WPg 2009, S. 573 (581)).

Die Befreiungsmöglichkeit entbindet kleine KapG jedoch nicht vom Ansatz passiver latenter Steuern, sofern die Voraussetzungen für den Ansatz einer Rückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 vorliegen. Umstritten ist allerdings, wann latente Steuern die Tatbestandsvoraussetzungen für den Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung erfüllen (vgl. hierzu auch grundlegend, mit im Folgenden z. T. a. A. HdR-E, HGB § 274, Rn. 600ff.).

 

Rn. 7

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Nach Auffassung der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) liegt eine wirtschaftlich im abgelaufenen GJ entstandene Verbindlichkeit nur ausnahmsweise in den Fällen vor, in denen die Ansatz- oder Bewertungsdifferenz auf steuerlichen Tatbeständen beruht, mit denen der Steuergesetzgeber eine Steuerstundung bezweckt (vgl. BStBK, DStR 2012, S. 2296 (2297, dortige Rn. 5)). Dies liege bspw. vor, wenn die Besteuerung handelsrechtlich realisierter Erträge durch Bildung einer steuerfreien Rücklage oder außerbilanzielle Korrekturen in die Zukunft verlagert wird (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 274a HGB, Rn. 42). Solchenfalls sei die resultierende Rückstellung ggf. nach § 253 Abs. 2 Satz 1 abzuzinsen....

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