Abgabe der Vorstandsbezüge bei einer börsennotierten AG

Mit Beschluss vom 31.5.2012 hat das im Enforcement-Verfahren zuständige OLG Frankfurt a.M. entschieden, dass bei einer börsennotierten AG mit Alleinvorstand auch bei Existenz eines Opt-out-Beschlusses ein vollständiger Verzicht auf die Angabe der Gesamtbezüge des Vorstands fehlerhaft ist.

Es besteht auch dann ein Interesse an einer Fehlerbekanntmachung, wenn sich die AG vor der Fehlerbekanntmachung, die bereits angeordnet war, von der Börse durch ein Delisting verabschiedet.

Sachverhalt

Eine börsennotierte AG mit einem Alleinvorstand hatte auf Grundlage eines Hauptversammlungsbeschlusses (Opt-out-Beschluss nach § 286 Abs. 5 HGB) die Angabe der Organbezüge im Konzernanhang vollständig unterlassen. Der Abschlussprüfer der AG hatte zu den Jahres- und Konzernabschlüssen der Vorjahre jeweils einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk mit einem hinweisenden Zusatz erteilt. Im der Anlassprüfung der DPR (Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung e.V.) zugrunde liegenden Jahres- und Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2010 hatte er dagegen den Bestätigungsvermerk wegen Fehlens der Angabe der Gesamtbezüge eingeschränkt.

Nachdem die DPR und die BaFin eine fehlerhafte Rechnungslegung konstatiert hatten und die BaFin eine Fehlerbekanntmachungsanordnung ausgesprochen hatte, erfolgte ein Delisting der AG – noch vor der Fehlerbekanntmachung durch das Unternehmen. Die nun nicht mehr kapitalmarktorientierte AG legte gegen den Fehlerfeststellungsbescheid und die Fehlerbekanntmachungsanordnung Widerspruch sowie Beschwerde ein und stellte einen Antrag auf aufschiebende Wirkung der Fehlerbekanntmachungsanordnung.

Fragestellung

Das OLG Frankfurt a.M. hatte zu prüfen, ob die Rechnungslegung der börsennotierten AG mangels Angabe der Gesamtbezüge fehlerhaft war und ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestehen oder deren Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte.

Entscheidung

  • Die vollständig unterbliebene Angabe der Gesamtbezüge des Vorstands einer börsennotierten AG nach § 285 Nr. 9a) Satz 1–4 HGB stellt auch dann einen wesentlichen und somit im Enforcement-Verfahren zu beanstandenden Rechnungslegungsfehler dar, wenn der Vorstand der Gesellschaft nur aus einer Person besteht.

  • An der Veröffentlichung des Fehlers besteht aus präventiven Gründen auch dann ein öffentliches Interesse, wenn die Börsennotierung des Unternehmens nach behördlicher Fehlerfeststellung und Fehlerbekanntmachungsanordnung während des gerichtlichen Verfahrens auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Beschwerde entfällt.

Da die individualisierten Bezüge bei einem Alleinvorstand mit den Gesamtbezügen identisch sind, läuft ein bestehender Opt-out-Beschluss de facto ins Leere.

Weitere Hinweise

Das Delisting und die Einschränkung des Bestätigungsvermerks müssen grundsätzlich keine Hinderungsgründe für ein Enforcement-Verfahren und die Anordnung einer Fehlerbekanntmachung darstellen. Im Fall einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks gilt dies selbst dann, wenn die Einschränkung unmittelbar den im Enforcement-Verfahren festgestellten Fehler betrifft.

Der Beschluss des OLG Frankfurt a. M. steht insoweit in der Tradition einer ganzen Reihe von Beschlüssen des Senats, nach denen ein festgestellter Fehler ganz überwiegend in eine Fehlerbekanntmachung mündet und nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen ein Absehen von einer Fehlerbekanntmachung in Betracht kommt.

(Beschluss vom 31.5.2012, WpÜG 2/12, WpÜG 3/12)

Schlagworte zum Thema:  Jahresabschluss, Aktiengesellschaft