Abbildung immaterieller Werte in der Bilanz

Immaterielle Werte werden häufig als „ewiges Sorgenkind des Bilanzrechts“ bezeichnet. Daher kommt es immer wieder zu Diskussionen, ob die bestehenden Regelungen insbesondere in § 248 HGB noch zeitgemäß sind oder angepasst werden müssen.

Nach § 248 Abs. 2 HGB können per Wahlrecht selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens als Aktivposten in die Bilanz aufgenommen werden, soweit es sich nicht um selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens handelt. Aber auch die Frage der Aktivierung von Weiterbildungs- oder ähnlichen investiven Aufwendungen wird immer wieder einmal thematisiert. Aktuell verhindert dies der enge Vermögengenstandsbegriff im HGB. Aber auch nach den IFRS ist die Lage nicht grundsätzlich anders. IAS 38 bestimmt letztlich nur per implizitem Wahlrecht die Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerten mit denselben Ausschlüssen, wie im HGB. Im letzten Monat gab es nun gleich mehrere Akteure, die die Diskussion (weiter) angefacht haben.

Öffentliche Diskussionsveranstaltung des DRSC zu immateriellen Werten

So führte am 4.5.2022 das DRSC eine öffentliche Diskussionsveranstaltung zur künftigen Berichterstattung über immaterielle Werte unter dem Titel „Die ewigen „Sorgenkinder“ des Bilanzrechts – Öffentliche Diskussion zu immateriellen Werten“ durch. Der Einladung gefolgt waren 70 Teilnehmende, denen zunächst zwei Impulsvorträge geboten wurden, die die aktuellen Diskussionsbeiträge und Entwicklungen aufgriffen.

Ausblick auf sich abzeichnende Berichtspflichten über immaterielle Ressourcen

Kristina Schwedler (DRSC) thematisierte sich abzeichnende Berichtspflichten über immaterielle Ressourcen im Kontext des Legislativvorschlags der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die als in kürze zu verabschiedende neue EU-Richtlinie die bestehende Bilanzrichtlinie in einigen Punkten wieder ändern soll. Der deutsche Gesetzgeber muss die Richtlinie dann – diesmal voraussichtlich besonders schnell – in das HGB umsetzen. Neben der zentralen Änderung der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind auch Änderungen der bestehenden Rechnungslegung zu erwarten. Konkret ist nun im Zusammenhang mit immateriellen Werten vorgeschlagen, dass alle großen sowie alle kapitalmarktorientierten Unternehmen im Lagebericht Informationen über wichtige immaterielle Ressourcen anzugeben haben, von denen das Geschäftsmodell des Unternehmens wesentlich abhängt. Zudem ist zu erläutern, welche Abhängigkeit besteht und wie sie als Quelle der Wertschöpfung für das Unternehmen wirken. Darüber hinaus ging Frau Schwedler auf aktuelle Aktivitäten beim IASB sowie weiteren nationalen Standardsetzern ein. Konkret hat das IASB im April 2022 beschlossen, das Projekt zu „Intangible Assets“ in die Forschungsvorhaben aufzunehmen mit dem Ziel einer umfassenden Überprüfung von IAS 38. Als Inhalte in der Diskussion sind dort die Entwicklung verbesserter Angabe-Pflichten sowie die Überprüfung des Anwendungsbereichs von IAS 38, der Definition und Ansatzkriterien sowie der Bewertungsvorgaben. Bei Letzterem wird etwa überlegt, ob es nicht sinnvoll sein könnte, ein Statement der zentralen immateriellen Werte bewertet zum Fair Value in den Lagebericht aufzunehmen.

EFRAG-Diskussionspapier: 3 Ansätze zu einer verbesserten Berichterstattung über immaterielle Werte

Jens Berger (Deloitte GmbH) stellte in seiner Funktion als Vice Chair des EFRAG Financial Reporting TEG das EFRAG-Diskussionspapier „Bessere Informationen über immaterielle Werte – Welcher Weg ist der Beste?“ vor und erörterte die darin enthaltenen 3 Ansätze zu einer verbesserten Berichterstattung über immaterielle Werte. EFRAG ruft zur Kommentierung des Diskussionspapiers auf (ebenfalls über den o.g. Link zu erreichen). Standpunkte und Anmerkungen können noch bis zum 30. Juni 2022 eingebracht werden.

Die anschließende Panel-Diskussion beleuchtete eine verbesserte Berichterstattung über immaterielle Werte aus unterschiedlichen Perspektiven. Es diskutierten Prof. Dr. Ralf Frank (GISMA Business School), Christian Heller (BASF SE, VBA), Christoph Schwager (Christoph Schwager GmbH) und Hanno Wulbrand (Bayer AG) über ihre Vorstellungen zur Kommunikation und Abbildung von immateriellen Werten. Hierbei gingen sie auf die Relevanz der Informationen gemäß der im Diskussionspapier enthaltenen 3 Ansätze ein:

  1. Vermehrte Aktivierung durch Änderung der IAS 38-Vorschriften bzw. analog Änderung des § 248 Abs. 2 HGB, der vom Gesetzgeber bereits vor über 10 Jahren eng an IAS 38 angelehnt wurde,
  2. Aufnahme von Angaben zu spezifischen immateriellen Werten in den Anhang bzw. den Lagebericht (wie es offenbar die EU in der Richtlinie plant),
  3. Zusätzliche Informationen zu Aufwendungen, die sich auf die künftige Unternehmensleistung auswirken, sowie zu Risiko- und Chancenfaktoren im Anhang oder im Lagebericht.

Sie stellten damit einhergehende Herausforderungen dar und erörterten ferner die bestehende Konnektivität zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die informativen Folien zur Veranstaltung sind online abrufbar.

IVSC Perspektivenpapiere zu immateriellen Vermögenswerten

Auch der internationale Rat für Bewertungsstandards (International Valuation Standards Council, IVSC) gibt derzeit eine Reihe von Perspektivenpapieren 'Time to get Tangible about Intangible Assets' (Zeit, sich mit immateriellen Vermögenswerten auseinanderzusetzen) heraus. Dies beruht auf der Feststellung, dass trotz der Bedeutung immaterieller Vermögenswerte für die Kapitalmärkte nur ein geringer Prozentsatz in den Bilanzen ausgewiesen wird. Nach Veröffentlichung des ersten Papiers „Argumente für die Neuausrichtung von Berichtsstandards an moderner Wertschöpfung“ im September 2021 folgte am 31.5.2022 ein 2. Perspektivenpapier zum Humankapital. Dieses geht den Fragen nach, wie Human Capital Wert generiert für Organisationen, was die Attribute einer solchen Wertschöpfung sind und wie dies von Investoren analysiert und von Gutachtern gemessen wird.

Humankapital ist die Grundlage, auf der alle immateriellen Vermögenswerte geschaffen werden, aber das Verständnis der Wertschöpfung durch Humankapital und der Strenge in Bezug auf die Wertmessung ist weniger entwickelt als bei anderen immateriellen Vermögenswerten. Um die Wertschöpfung des Humankapitals zu beurteilen, muss man den Synergieeffekt zwischen den Mitarbeitern sowie den Netzwerkeffekt mit anderen Vermögenswerten, insbesondere immateriellen Vermögenswerten, berücksichtigen. Es gibt Hinweise darauf, dass Investoren mehr Informationen über die Auswirkungen des Humankapitals auf den Unternehmenswert benötigen. Der Satz „ Unsere Mitarbeiter sind unser wertvollstes Kapital “ ist in der Unternehmenskommunikation allgegenwärtig. Die Idee wird von Wirtschaftsführern aus allen Regionen, Branchen und Größen aufgegriffen. Die Bedeutung des Humankapitals zu erkennen ist offensichtlich, aber seine Rolle in der Unternehmenswertschöpfung zu verstehen und zu messen ist viel schwieriger. Weitere Informationen sind in dem englischsprachigen 12-seitigen Papier zu entnehmen.


Weiteres aus der Reihe "Aktuelles zur Rechnungslegung":

IDW konkretisiert Verantwortlichkeiten bei der Abschlussprüfung sowie Anhangangaben

Schlagworte zum Thema:  Bilanzierung, Standardsetter