Rz. 55

Seit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz aus dem Jahr 2009[1] mit Aktualisierungen im Jahr 2017,[2] sowie seit dem BMF-Schreiben v. 26.2.2021[3] existieren mit der Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) gem. § 6 Abs. 2 EStG, dem Sammelposten i. S. v. § 6 Abs. 2a EStG sowie der Sofortabschreibung digitaler Wirtschaftsgüter 3 rein steuerliche (sachverhaltsabbildende) Instrumentarien zur Betreibung von Steuerbilanzpolitik als Alternativen zur Aktivierung und planmäßigen Abschreibung des jeweiligen Wirtschaftsguts über seine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer.

 

Rz. 56

Die GWG-Regelung des § 6 Abs. 2 EStG betrifft abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einer selbstständigen Nutzung fähig sind.[4] Belaufen sich deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. der Einlagewert (i. d. R. Teilwert) auf max. 800 EUR netto,[5] besteht ein Wahlrecht, diese/diesen sofort im Jahr der Anschaffung oder Herstellung (§ 9a EStDV) bzw. der Einlage aufwandswirksam zu erfassen. Unter der Prämisse einer Steuerbarwertminimierung ist es folglich sinnvoll, die GWG-Regelung anzuwenden, zumal ihre Inanspruchnahme aufgrund der durch das BilMoG weggefallenen umgekehrten Maßgeblichkeit nicht in der Handelsbilanz nachzuvollziehen ist und jene folglich unbeeinflusst lässt.[6] Dieser autonomen Steuerbilanzpolitik stehen Aufzeichnungspflichten entgegen, wonach Wirtschaftsgüter mit einem Zugangswert von mehr als 250 EUR netto in ein besonderes und laufend zu führendes Verzeichnis aufzunehmen sind, falls die dortigen verpflichtenden Angaben nicht bereits aus der Buchführung ersichtlich sind.

 

Rz. 57

Die Bildung eines Sammelpostens i. S. v. § 6 Abs. 2a EStG[7] ist bei Wirtschaftsgütern mit denselben Voraussetzungen wie bei den GWG möglich, falls die Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. der Einlagewert größer als 250 EUR netto sind/ist, jedoch max. 1.000 EUR netto betragen/beträgt. Der Sammelposten ist typisierend über 5 Wirtschaftsjahre (inkl. dem Wirtschaftsjahr seiner Bildung) linear abzuschreiben, wobei ein Ausscheiden (durch Entnahme, Veräußerung, Verschrottung) mindestens eines im Sammelposten enthaltenen Wirtschaftsguts keine Auswirkungen auf diesen besitzt, um den gesetzlich intendierten Vereinfachungseffekt nicht zu konterkarieren (§ 6 Abs. 2a Sätze 2–3 EStG). Hinsichtlich des Sammelpostens existieren weder Aufzeichnungspflichten noch die Aufnahme in ein Inventar.[8]

 

Rz. 57a

Digitale Wirtschaftsgüter wie insbesondere Computerhardware (z. B. Computer, Desktop-Computer, Notebooks, Dockingstations, externe Speicher, Peripheriegeräte) sowie die für die Dateneingabe und -verarbeitung erforderliche Betriebs- und Anwendersoftware (z. B. Standardanwendungen, Individualsoftware) unterliegen einem rasanten technisch bedingten Wandel, verbunden mit einer schnelleren wirtschaftlichen Entwertung, weswegen die Finanzverwaltung die bislang seit dem Jahr 2000 bestehende betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von generell 3 Jahren[9] bzw. 5 Jahren bei Vorliegen eines ERP-Softwaresystems[10] anpasste. Seit Wirtschaftsjahren, die nach dem 31.12.2020 enden, besteht für den Steuerpflichtigen das Wahlrecht, die in Rede stehenden Wirtschaftsgüter über eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr oder über ihre (längere) betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzuschreiben, was in ersterem Fall einer Sofortabschreibung gleicht.[11]

Da ein rein steuerliches Wahlrecht vorliegt, ist jenes nicht in der Handelsbilanz nachzuvollziehen, so dass sich insofern eine autonome Steuerbilanzpolitik betreiben lässt. Diametral zur GWG-Regelung (Rz. 56) fällt auf, dass das Kriterium der "selbstständigen Nutzungsfähigkeit" hier nicht gefordert wird. Folglich sind z. B. klassische Peripheriegeräte eines Computers nicht dazu geeignet, alleine der GWG-Regelung zu unterliegen (R 6.13 Abs. 1 Satz 3 EStR 2012), wohl aber der Sofortabschreibung für digitale Wirtschaftsgüter,[12] weswegen sich hierauf berufen werden sollte.

Fragwürdig bleibt, auf wieviele Jahre sich die längere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer belaufen soll, da die vormals typisierten Werte von 3 Jahren laut AfA-Tabelle sowie von 5 Jahren bei ERP-Softwaresystemen formal nicht mehr anwendbar sind.[13] M.E. sollte es materiell dennoch möglich sein, die handelsrechtlich gewählte Nutzungsdauer, welche sich regelmäßig an steuerlichen Vorgaben orientiert, steuerbilanziell zu übernehmen.

 

Rz. 58

Wie obige Ausführungen verdeutlichen, sind die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der GWG-Regelung, des Sammelpostens und der Sofortabschreibung für digitale Wirtschaftsgüter nicht disjunkt. Tabelle 4 verdeutlicht die jeweiligen im Kontext der Steuerbilanzpolitik zu unterscheidenden Fallgruppen – primär in Abhängigkeit der Höhe des Zugangswerts, sekundär in Abhängigkeit der Art des Wirtschaftsguts.

 
  Aktivierung sofortige Betriebsausgabe Sammelposten
Zugangswert ≤ 250 EUR X X
250 EUR < Zugangswert ≤ 800 EUR X X X
800 EUR < Zugangswert ≤ 1.000 EUR X (X)[14] X
Zugangswert > 1.000 EUR X ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge