Rz. 22

Die objektive Tathandlung der Ordnungswidrigkeit des § 26b UStG wird dadurch beschrieben, dass die in einer Rechnung i. S. d. § 14 UStG ausgewiesene USt bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet wird. Diese Verweisung auf § 14 UStG erscheint eindeutig, denn zur Erfüllung des ersten Teils des Tatbestands bedarf es lediglich der in einer Rechnung ausgewiesenen USt. Fest steht damit zunächst, dass hier nicht jede geschuldete USt erfasst ist, sondern nur solche Beträge, die zuvor in Rechnungen ausgewiesen wurden[1]; den Nachweis dafür hat die Finanzbehörde zu führen. Demnach kann für solche Leistungen, bei denen keine Rechnung erstellt wurde, die Rechtsfolge des § 26b UStG – auch beim Vorliegen der weiteren Voraussetzungen, der Anmeldung und der Nichtzahlung – nicht eintreten, unabhängig davon, dass die Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung bestand. Das Merkmal "der in einer Rechnung ausgewiesenen Steuer" wirft nun weitere Fragen auf (Rz. 30ff.), deren Lösung den Anwendungsbereich der Vorschrift erheblich einschränkt.

 

Rz. 23

Zu beachten ist zunächst, dass die Anforderungen an den Inhalt von Rechnungen in § 14 UStG durch das StÄndG 2003[2] zum 1.1.2004 neu gefasst und deutlich verschärft wurden, insbesondere wurde die bisherige Definition des Abs. 4 a. F. in § 14 Abs. 1 UStG verschoben und der notwendige Inhalt einer Rechnung im (neuen) § 14 Abs. 4 UStG kodifiziert.[3]

 

Rz. 24

Der Hintergrund dieses Tatbestandsmerkmals ist folgender: Wenn eine den Anforderungen des § 14 Abs. 1 und 4 UStG entsprechende Rechnung in den Verkehr gebracht wird, dann berechtigt sie den Leistungsempfänger grundsätzlich zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG; die Rechnung ist eine materielle Voraussetzung der Geltendmachung des Vorsteueranspruchs und die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG obliegt dem Unternehmer, der die Vorsteuer geltend macht.[4] Dies ist zugleich der wesentliche Anlass der Schaffung des § 26b UStG, denn die in solchen Rechnungen ausgewiesene USt kann von dem Rechnungsempfänger gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG als Vorsteuer abgezogen werden, ohne dass die tatsächliche Zahlung der Steuer durch den Rechnungsaussteller erforderlich ist.[5] Insoweit entsteht bei Nichtzahlung der Steuer durch den Leistenden immer ein Steuerausfall, weil dem Vorsteueranspruch keine entsprechende Umsatzsteuerzahllast entgegensteht. Wenn nun der Leistende als abrechnender Unternehmer die (unbezahlte) Steuer ordnungsgemäß in einer Steuererklärung anmeldet, dann tritt trotz Steuerausfall (mangels falscher Angaben) i. d. R. keine Strafbarkeit dieses Unternehmers nach § 370 AO ein. Diese Nichtzahlung einer Steuer war bis zur Einführung der § 26b UStG, § 26c UStG nicht sanktionsfähig.[6]

 

Rz. 25

Anschaulicher lässt sich auch sagen, dass eine Rechnung durchaus mit einem "auf das FA ausgestellten Verrechnungsscheck" vergleichbar ist. Eine Rechnung stellt einen grundsätzlich feststehenden Anspruch gegen den Fiskus auf Auszahlung der ausgewiesenen USt (= Vorsteuer) oder auf die Möglichkeit der Verrechnung mit anderer geschuldeter USt dar. Die Folge der Nichtzahlung ist deshalb immer ein Steuerschaden, der entweder lediglich befristet ist[7] oder aber – was zumeist bei Umsatzsteuerkarussellen und Insolvenzfällen zutrifft – auf Dauer eintritt, sofern nicht der geltend gemachte Vorsteueranspruch im Einzelfall versagt werden kann.

 

Rz. 26

Diese bereits in den einführenden Bemerkungen (Rz. 7ff.) erläuterte "Schwachstelle" des geltenden Systems der USt-Besteuerung soll nun mithilfe der § 26b und § 26c UStG geschützt werden, in dem bereits diese bloße "Nichtzahlung" als Ordnungswidrigkeit oder Straftat geahndet werden kann. Der tatbestandsmäßige Erfolg ist daher bereits eingetreten, wenn die geschuldete und angemeldete Steuer zu dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt nicht bezahlt worden ist[8], auch wenn ein Steuerschaden in Wirklichkeit erst eintritt, wenn der Leistungsempfänger erfolgreich die Vorsteuer aus dieser Rechnung geltend macht. Der Tatbestand trennt damit die tatsächliche Schadensverwirklichung von der Tatbegehung, allein die Herausgabe der Rechnung wird im Zusammenhang mit der Anmeldung der Steuer zur "Gefährdung"[9].

Rz. 27–29 einstweilen frei

[1] So auch Küffner/Hofmann, in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 26b UStG Rz. 16.
[2] BGBl I 2003, 2645.
[3] Vgl. zu Einzelheiten der obligatorischen Rechnungsangaben hier Widmann, § 14 UStG Rz. 66ff.
[4] Vgl. hier Widmann, § 14 UStG Rz. 258 und z. B. BFH v. 19.7.2007, V R 48/04, BStBl II 2009, 315.
[5] Was auch eine systemgerechte Folge der geltenden Soll-Versteuerung im Umsatzsteuerrecht ist.
[6] Natürlich entstanden Zinsen im Rahmen der gesetzlichen Regelung.
[7] Wenn die geschuldete Steuer nur zu spät gezahlt wird, entsteht allenfalls ein Zinsschaden.
[8] Vgl. aber zum Problem der Zahlungsunfähigkeit hier in Rz. 60ff.
[9] Es handelt sich aber bei dem Tatbestand strafrechtlich um kein abstraktes Gefährdungsdelikt; vgl. ...

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