Rz. 43

Zum besseren Verständnis des Tatbestandes des § 26a Abs. 1 UStG bedarf es eines Blicks auf die Hintergründe der Schaffung dieses Ordnungswidrigkeitentatbestandes. Die zum 30.6.2021 aufgehobene Vorgängerregelung des § 26a Abs. 1 UStG in § 26b UStG erforderte als weiteres Tatbestandsmerkmal der "in einer Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer". Der Hintergrund dieses Tatbestandsmerkmals war nun Folgender: Wenn eine den Anforderungen des § 14 Abs. 1 und 4 UStG entsprechende Rechnung in den Verkehr gebracht wird, dann berechtigt sie den Leistungsempfänger grundsätzlich zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG; das Vorliegen einer (ordnungsgemäßen) Rechnung ist eine materielle Voraussetzung der Geltendmachung des Vorsteueranspruchs und die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG obliegt grundsätzlich dem Unternehmer, der die Vorsteuer geltend macht.[1] Dies war zugleich der wesentliche Anlass der Schaffung des § 26b UStG, denn die in solchen Rechnungen ausgewiesene USt kann von dem Rechnungsempfänger gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 UStG als Vorsteuer abgezogen werden, ohne dass dafür die tatsächliche Zahlung der Steuer durch den Rechnungsaussteller rechtlich erforderlich ist.[2] Insoweit entsteht bei Nichtzahlung der Steuer durch den Leistenden immer ein Steuerausfall, weil dem Vorsteueranspruch keine entsprechende Umsatzsteuerzahllast entgegensteht. Wenn nun der Leistende als abrechnender Unternehmer die (unbezahlte) Steuer ordnungsgemäß in einer Steuererklärung anmeldet, dann tritt trotz Steuerausfall (mangels falscher Angaben) i. d. R. keine Strafbarkeit dieses Unternehmers nach § 370 AO ein. Diese Nichtzahlung einer Steuer war bis zur Einführung der § 26b UStG, § 26c UStG nicht sanktionsfähig[3] und das war gerade in bestimmten Fällen des missing traders-Betrugs ein Problem.

 

Rz. 44

Diese "Schwachstelle" des geltenden Systems der USt-Besteuerung sollte nun mithilfe der § 26b und § 26c UStG geschützt werden, in dem bereits diese bloße "Nichtzahlung" als Ordnungswidrigkeit oder Straftat geahndet werden konnte. Der tatbestandsmäßige Erfolg war daher bereits eingetreten, wenn die geschuldete und angemeldete Steuer zu dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt nicht bezahlt worden ist, auch wenn ein Steuerschaden in Wirklichkeit erst eintrat, wenn der Leistungsempfänger erfolgreich die Vorsteuer aus dieser Rechnung geltend machte. Der Tatbestand trennte damit die tatsächliche Schadensverwirklichung von der Tatbegehung, allein die Herausgabe der Rechnung wurde im Zusammenhang mit der Anmeldung der Steuer zur "Gefährdung"[4]

 

Rz. 45

Die entscheidende Frage für die Anwendung des § 26b UStG war allerdings, welche inhaltlichen Anforderungen an Rechnungen zu stellen waren, damit dessen Tatbestand zur Anwendung kommen konnte. Nach der überwiegenden Auffassung in der Literatur zu der alten Regelung musste eine Rechnung für den Anwendungsbereich des § 26b UStG jedenfalls wenigstens die Mindeststandards aufweisen, die zu einem Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG berechtigen[5]; für diese Sichtweise sprach auch die höchstrichterliche Rechtsprechung. So hatte der BFH in diesem Zusammenhang zu dem – vom Gesetzeszweck dem § 26b UStG ähnlichen – § 14c UStG[6] entschieden[7], dass eine Rechnung für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift nicht alle der in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Pflichtangaben enthalten muss. Für die Anwendbarkeit des § 14c Abs. 2 UStG sollte es danach ausreichen, dass das Dokument den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung, das Entgelt und die gesondert ausgewiesene USt ausweist.[8] M.E. waren das die Mindestanforderungen, die auch bei § 26b UStG zu fordern waren. Deshalb waren solche Abrechnungsdokumente, die in keiner Weise zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs berechtigten (z. B. bei fehlenden Angaben zum Rechnungsaussteller), nicht ausreichend zur Begründung des Tatbestands des § 26b UStG.

 

Rz. 46

Der Tatbestand des aufgehobenen § 26b UStG mit dem Merkmal der in einer Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer ließ sich daher mit der vorgenannten Eingrenzung durchaus handhaben. In tatsächlichen Umsatzsteuerbetrugsfällen existierten ohnehin immer Rechnungen, die den formalen Rechnungsanforderungen weitgehend entsprachen. Das erklärt sich daraus, dass die Erlangung des Vorsteuerabzugs durch den Leistungsempfänger schließlich das Ziel der Betrugshandlungen war, sodass natürlich immer darauf genau geachtet wurde, formal ordnungsgemäße Rechnungen zu erstellen. Die Regelung war schon von ihrer Entstehungsgeschichte (Rz. 1ff.) her eindeutig auf die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs gerichtet, diese Ausrichtung ist aber nunmehr durch den Verzicht dieses Tatbestandsmerkmals weitgehend verlorengegangen. Auch wenn die Gesetzesbegründung des § 26a Abs. 1 UStG[9] dieses nicht erkennen lässt und als Hintergrund des Bußgeldtatbestands weiter die Bekämpfung von Steuerverkürzungen bei der Umsatzsteuer nennt, so...

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