3.8.1 Echte Vermietung von Fotovoltaikanlagen

 

Rz. 63

Der Nullsteuersatz kann nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG nur auf die Lieferung bzw. die Werklieferung von Fotovoltaikanlagen und deren Komponenten angewendet werden. Die echte Vermietung von Fotovoltaikanlagen stellt keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung dar. Diese Vermietungsleistung des Vermieters an den Betreiber (Mieter der Anlage) unterliegt damit als sonstige Leistung in voller Höhe dem allgemeinen Steuersatz von 19 %. Da es sich bei der Vermietung von Fotovoltaikanlagen – auch wenn sie auf dem Dach eines Gebäudes installiert werden – nicht um die Vermietung von Grundstücken handelt, scheidet die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG aus.

 

Rz. 64

Dass die Anwendung des Nullsteuersatzes auf echte Vermietung und echtes Leasing von Fotovoltaikanlagen ausgeschlossen ist, steht in einem gewissen Widerspruch zu dem 14. Erwägungsgrund der EU-Richtlinie v. 5.4.2023.[1]

Der 14. Erwägungsgrund der EU-Richtlinie v. 5.4.2022 hält es im Zusammenhang mit sozialpolitischen Zielen für notwendig, zur Durchsetzung des Grundsatzes der Neutralität der MwSt eine Gleichbehandlung von Vermietung und Leasing mit der Lieferung von Gegenständen herzustellen. Warum diese Gleichbehandlung bei den umwelt- und energiepolitischen Zielen nicht gelten soll, bleibt unklar.[2]

Nach Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL i. V. m. Anhang III Nr. 10 Buchst. c MwStSystRL i. d. F. der EU-Richtlinie v. 5.4.2022 (Rz. 9) kann allerdings nur bei einer Lieferung der dort genannten Gegenstände der Nullsteuersatz gewährt werden. Dem deutschen Gesetzgeber bliebe daher selbst bei entsprechendem Willen zur Gleichbehandlung von Vermietung und Lieferung kein Raum, den Nullsteuersatz auch auf Vermietungsleistungen auszudehnen, ohne ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 und 259 AEUV zu riskieren.[3]

 

Rz. 65

Die Lieferung bzw. Werklieferung der zur Vermietung vorgesehenen Fotovoltaikanlage vom Händler oder Handwerker an den Vermieter unterliegt ebenfalls in voller Höhe dem allgemeinen Steuersatz von 19 %, weil der Abnehmer (Vermieter) nicht als Betreiber der Anlage anzusehen ist. Betreiber der Anlage ist nämlich der Mieter (Rz. 50). Somit kommt die Anwendung des Nullsteuersatzes in diesem Fall nicht in Betracht. Allerdings kann der Vermieter der Fotovoltaikanlage wegen seiner steuerpflichtigen Vermietungsumsätze die ihm in Rechnung gestellte USt unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG in voller Höhe als Vorsteuer abziehen. Hierfür muss er ggf. auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 2 UStG verzichten (Option zur Regelbesteuerung).

[1] Richtlinie (EU) des Rates v. 5.4.2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/12/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze, ABl EU 2022 Nr. L 107, 1.
[2] Widmann, MwStR 2023, 3, 7.
[3] Zugmaier/Mateev, DStR 2022, 2337, 2341.

3.8.2 Leasing- und Mietkaufverträge

 

Rz. 66

Leasing- und Mietkaufverträge können je nach konkreter Ausgestaltung entweder als (begünstigte) Lieferung oder als (nicht begünstigte) sonstige Leistung anzusehen sein. Maßgeblich für die Abgrenzung sind die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien. Hierzu verweist Abschn. 12.18 Abs. 1 S. 10 UStAE auf die allgemeinen Grundsätze in Abschn. 3.5 Abs. 5 UStAE. Danach liegt eine Lieferung vor, wenn

  1. der Vertrag ausdrücklich eine Klausel zum Übergang des Eigentums an diesem Gegenstand vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer enthält und
  2. aus den – zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung und objektiv zu beurteilenden – Vertragsbedingungen deutlich hervorgeht, dass das Eigentum am Gegenstand automatisch auf den Leasingnehmer übergehen soll, wenn der Vertrag bis zum Vertragsablauf planmäßig ausgeführt wird.

Zur Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei Leasing- und Mietkaufverträgen sind weiterhin Laufzeit des Vertrags, Zahlungsbedingungen und mögliche Kombination mit anderen Leistungselementen u.ä. zu berücksichtigen.[1]

 

Rz. 67

Die Annahme einer Lieferung der Fotovoltaikanlage nach den vorstehenden Grundsätzen setzt voraus, dass die Verfügungsmacht bei dem Unternehmer liegt, der die Fotovoltaikanlage überlässt. In den Fällen, in denen der Überlassung der Fotovoltaikanlage eine zivilrechtliche Eigentumsübertragung vom späteren Nutzenden (Mieter, Leasingnehmer) an den überlassenden Unternehmer (Vermieter, Leasinggeber) vorausgeht, ist daher zu prüfen, ob die Verfügungsmacht an der Fotovoltaikanlage sowohl im Rahmen der Eigentumsübertragung als auch im Rahmen der nachfolgenden Nutzungsübertragung jeweils tatsächlich übertragen wird. Insbesondere beim sog. "sale-and-lease-back" ist zu untersuchen, ob eine Hin- und Rücklieferung stattfindet oder, ob dem der Nutzung vorangehenden Übergang des zivilrechtlichen Eigentums an der Fotovoltaikanlage vielmehr eine bloße Sicherungs- und Finanzierungsfunktion zukommt, sodass insgesamt eine Kreditgewährung vorliegt.[2]

 

Rz. 68

Die Prüfung, ob bei "sale-and-lease-back" oder vergleichbaren Modellen eine tatsächliche Hin- und Rücklieferung stattfindet, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse...

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