Rz. 8

Mit der erstmaligen Einführung eines Nullsteuersatzes in das deutsche USt-Recht macht Deutschland von den neuen Möglichkeiten Gebrauch, die das Unionsrecht den EU-Mitgliedstaaten ab dem 6.4.2022 aufgrund der EU-Richtlinie v. 5.4.2022[1] einräumt (vgl. im Einzelnen § 12 UStG Rz. 106i f.). Nach Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL i. V. m. Anhang III Nr. 10 Buchst. c MwStSystRL i. d. F. der EU-Richtlinie v. 5.4.2022 können die EU-Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz, darunter auch einen Nullsteuersatz vorsehen für die "Lieferung und Installation von Solarpaneelen auf und in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden". Die grundsätzliche Erlaubnis zur Anwendung eines Nullsteuersatzes ergibt sich aus Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a MwStSystRL i. d. F. der EU-Richtlinie v. 5.4.2022.

 

Rz. 9

Voraussetzung für die Anwendung des Nullsteuersatzes nach § 12 Abs. 3 UStG ist, dass die Fotovoltaikanlage auf und in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen oder anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Der deutsche Gesetzgeber hat sich damit an den Wortlaut des Anhangs III Nr. 10 Buchst. c MwStSystRL gehalten (Rz. 8). In der Begründung im Regierungsentwurf eines JStG 2022[2] führt die Bundesregierung hierzu aus, durch die Übernahme der EU-Richtlinienregelung sei sichergestellt, dass das nationale Recht den maximalen Spielraum ausnützt, den die EU-Richtlinie bei der Anwendung eines Nullsteuersatzes für Fotovoltaikanlagen den EU-Mitgliedstaaten zugesteht.

Möglicherweise ist der deutsche Gesetzgeber aber mit der Begünstigung der Stromspeicher (Batteriespeicher) über das Unionsrecht hinausgeschossen, weil Anhang III Nr. 10 Buchst. c MwStSystRL die Speicher nicht ausdrücklich nennt (Rz. 8). Der 7. Erwägungsgrund der EU-RL v. 5.4.2022 lautet hierzu wie folgt:

"Es ist angebracht, Solarpaneele unter die sieben Nummern aufzunehmen, die mit den umweltspezifischen Verpflichtungen der Union im Bereich der Dekarbonisierung und mit dem europäischen grünen Deal im Einklang stehen, sowie ferner den Mitgliedstaaten die Möglichkeit anzubieten, die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen auch mittels ermäßigter MwSt-Sätze zu fördern. Zur Unterstützung des Übergangs zur Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Förderung der Autarkie der Union in Bezug auf Energie ist es notwendig, den Mitgliedstaaten zu gestatten, dem Endverbraucher einen besseren Zugang zu umweltfreundlichen Energiequellen zu verschaffen."

Widmann[3] vertritt hinsichtlich der Begünstigung der Speicher im deutschen USt-Recht die Auffassung, es lasse sich sicher argumentieren, dass auch die Speicher dem besseren Zugang zu umweltfreundlichen Energiequellen dienen, denn sie ermöglichten den Verbrauch der umweltfreundlich erzeugten Energie auch zu Zeiten, in denen die Erzeugung witterungs- und tageszeitbedingt nicht möglich sei. Andere Stimmen in der Literatur warnen davor, durch das bewusste oder unbewusste Abweichen von den Vorgaben der MwStSystRL setze sich die Bundesrepublik Deutschland dem Risiko eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258, 259 AEUV aus.[4]

[1] Richtlinie (EU) des Rates v. 5.4.2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/12/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze, ABl EU 2022 Nr. L 107, 1.
[2] BT-Drs. 20/3879, 112, 113.
[3] Vgl. Widmann, MwStR 2023, 3, 7.
[4] Zugmaier/Mateev, DStR 2022, 2337, 2340; Prätzler, StuB 2023, 119.

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