Rz. 106i

Aufgrund der EU-Richtlinie v. 5.4.2022[1] werden bisher geltende Regelungen teilweise fortgeführt, aber auch Regelungen geändert bzw. neue Regelungen eingeführt. So beträgt der Mindestsatz beim Normalsteuersatz weiterhin 15 % (Rz. 97). Wie bislang auch können die EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich maximal zwei ermäßigte Steuersätze anwenden, welche mindestens 5 % betragen müssen (Rz. 98). Die wesentlichen Änderungen gegenüber den bisherigen Regelungen ergeben sich aus folgender Übersicht:

  1. Die Struktur der Begünstigungstatbestände wird geändert. Entgegen dem gescheiterten Vorschlag der EU-Kommission v. 18.1.2018 (Rz. 106f.) wird die Positivliste der zulässigen Begünstigungen in Anhang III MwStSystRL zwar im Grundsatz beibehalten. Die Mitgliedstaaten können jedoch ab dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie v. 5.4.2022 (dies ist der 6.4.2022) für die dort vorgesehenen Tatbestände auch stark ermäßigte Steuersätze von weniger als 5 % oder sogar echte Steuerbefreiungen mit Vorsteuerabzugsrecht (sog. Nullsteuersätze) vorsehen. Um jedoch eine starke Zunahme der Steuerermäßigungen zu verhindern, dürfen die EU-Mitgliedstaaten ermäßigte Steuersätze nur noch auf 24 Positionen (Lieferungen und sonstige Leistungen) der neu gefassten Anlage III MwStSystRL anwenden. Stark ermäßigte Steuersätze von weniger als 5 % und Nullsteuersätze dürfen nur auf bestimmte Positionen des neu gefassten Anhangs III MwStSystRL angewendet werden und sind auf 7 dieser Positionen beschränkt.
  2. Die Liste der Ermäßigungsmöglichkeiten laut Anhang III MwStSystRL wird geändert und auch erheblich erweitert. Einige Steuerermäßigungstatbestände für umweltschädliche Produkte werden schrittweise abgeschafft. Umgekehrt wird die Liste um einige Tatbestände erweitert. Zudem werden bestimmte Tatbestände, die bisher nur einzelnen EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung standen (Ausnahmen von den grundsätzlichen Regelungen für einzelne EU-Mitgliedstaaten nach Art. 102ff. MwStSystRL i. d. F. bis 5.4.2022), in die Liste in Anhang III MwStSystRL aufgenommen. Somit können alle EU-Mitgliedstaaten ab dem 6.4.2022 von diesen Begünstigungsmöglichkeiten Gebrauch machen.
  3. Die länderspezifischen Tatbestände – auch soweit sie nun nicht in Anhang III MwStSystRL verschoben sind – werden bis auf wenige Ausnahmen gestrichen. Allerdings werden zahlreiche dieser Tatbestände auf alle EU-Mitgliedstaaten erstreckt. Dadurch soll eine Gleichbehandlung der EU-Mitgliedstaaten erreicht werden.
 

Rz. 106j

Nach dem durch die EU-Richtlinie v. 5.4.2022 (a. a. O.) neu gefassten Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL können die EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich wie bislang höchstens zwei ermäßigte MwSt-Sätze anwenden. Diese ermäßigten MwSt-Sätze werden wie bisher als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festgesetzt, der mindestens 5 % betragen muss und der nur auf die im neu gefassten Anhang III MwStSystRL aufgeführten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen angewandt werden darf. Die EU-Mitgliedstaaten dürfen die ermäßigten MwSt-Sätze jedoch nur auf höchstens 24 Nummern des neu gefassten Anhangs III MwStSystRL anwenden. Zusätzlich können die EU-Mitgliedstaaten nach dem durch die EU-Richtlinie v. 5.4.2022 (a. a. O.) neu gefassten Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL zusätzlich zu den vorstehend bezeichneten zwei genannten ermäßigten MwSt-Sätzen auf höchstens 7 Nummern des neu gefassten Anhangs III MwStSystRL fallende Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen einen ermäßigten Steuersatz anwenden, der unter dem Mindestsatz von 5 % liegt (sog. stark ermäßigter Steuersatz) oder sogar eine Steuerbefreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug (sog. Nullsteuersatz) anwenden. Der stark ermäßigte Steuersatz und der Nullsteuersatz dürfen nur auf Lieferungen und Dienstleistungen angewendet werden, die in folgenden Nummern des Anhangs III MwStSystRL aufgeführt sind:

  • Nummern 1 bis 6 und Nummer 10c,
  • jeder weiteren Nummer des Anhangs III MwStSystRL, die unter die in Art. 105 Abs. 1 MwStSystRL vorgesehenen Möglichkeiten fällt, wobei insoweit die in Art. 105a Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL genannten Umsätze in Bezug auf Wohnungen in einem nicht sozialpolitischen Kontext als unter Anhang III Nr. 10 MwStSystRL fallend angesehen werden.

Die EU-Mitgliedstaaten, die am Stichtag 1.1.2021 auf mehr als 7 Nummern des in Anhang III MwStSystRL aufgeführte Lieferungen und Dienstleistungen stark ermäßigte Steuersätze oder Nullsteuersätze angewendet haben, müssen diese Steuerermäßigungen dahin gehend einschränken, dass sie der Beschränkung auf höchstens 7 Nummern des neu gefassten Anhangs III MwStSystRL bis zum 1.1.2032 oder bis zur Einführung des in Art. 402 MwStSystRL genannten endgültigen MwSt-Systems (Rz. 92) nachkommen, je nachdem, welcher Zeitpunkt der frühere ist. Die davon betroffenen EU-Mitgliedstaaten – zu denen Deutschland nicht gehört – können selbst festlegen, bei welchen Lieferungen und Dienstleistungen sie die stark ermäßigten Steuersätze oder Nullsteuersätze weiterhin anwenden wollen.

Nach dem neuen Art. 98 Abs. 3 MwStSystRL sind die...

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