Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwillige Beitragszahlungen an wegen Lockdown geschlossenes Fitnessstudio als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 36/22)

 

Leitsatz (amtlich)

Die freiwillige Fortzahlung von Beiträgen, die von Mitgliedern im Rahmen eines in der Vergangenheit gelebten - und fortbestehenden - Dauerschuldverhältnisses an ein Fitnessstudio erbracht werden, welches vorübergehend pandemiebedingt schließen muss und auf die Erbringung von Ersatzleistungen verwiesen ist, steht in einem umsatzsteuerlich relevanten Zusammenhang mit den im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses erbrachten Leistungen. Dies umfasst einerseits die bereits vor der Schließung bezogenen Leistungen und andererseits die während der Schließzeit erbrachten Ersatzleistungen (Anschluss an den Beschluss des Senats zur Sache 4 V 17/21 vom 14.2.2022).

Der Monatsbeitrag, welchen die Mitglieder des Fitnessstudios leisten, stellt damit ein Entgelt i.S.d. § 10 UStG dar, obgleich das Fitnessstudio in dem fraglichen Monat aufgrund einer behördlichen Anordnung zur Eindämmung der Coronapandemie geschlossen ("Lockdown") und somit von seiner vertraglich geschuldeten Primärleistung befreit ist (§ 275 BGB). Die sonach freiwillig erbrachten Beiträge (Entgelte) stellen keinen - nicht steuerbaren - echten Zuschuss dar.

 

Normenkette

UStG §§ 1, 10

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beitragszahlungen an ein Fitnesscenter auch dann als steuerpflichtige Entgelte anzusehen sind, wenn das Fitnesscenter aufgrund einer vorübergehenden, pandemiebedingten Schließung keine Nutzung seiner Räumlichkeiten anbieten kann.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen in Gestalt eines Fitnessstudios. Sie berechnet die Umsatzsteuer gem. § 20 UStG nach vereinnahmten Entgelten ("Ist-Versteuerung). Ausweislich einiger aktenkundiger "Mitgliedsvereinbarungen" schloss die Klägerin mit ihren Kunden Verträge über befristete Mitgliedschaften (12 oder 24 Monate) ab, die von beiden Teilen mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende der jeweils vereinbarten Laufzeit kündbar waren. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung blieb dabei unberührt. Gem. Abs. 2 der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin waren die Mitglieder zur gemeinschaftlichen Mitbenutzung sämtlicher Einrichtungen der Räume berechtigt. Die Beiträge umfassten dabei die Mitbenutzung der Trainingsanlage und, wenn vorgesehen, die Teilnahme an Gymnastikstunden, die Mitbenutzung der Erholungs- und Clubräume und die Teilnahme an sportlichen und geselligen Aktivitäten.

Gemäß der Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS- COV 2 in Schleswig-Holstein vom 17. März 2020 und vom 1. Mai 2020 musste die Klägerin ihr Fitnessstudio vom 17. März bis zum 17. Mai schließen. Die Klägerin reagierte auf die Schließung nach Aktenlage mit verschiedenen Ankündigungen. In den sozialen Medien teilte sie u.a. mit:

  • "Wir bleiben leider bis mindestens 3. Mai geschlossen. Unsere Mitglieder erhalten: 3 Gratismonate, 3 x 1 Gratismonat zum Verschenken, 1 x Personaltraining. Nichtmitglieder erhalten: 3 Gratismonate über das Angebot (…). Weitere Infos per Telefon/Email."
  • "Wichtige Coronamitteilung Telefonhotline: täglich 10-14 Uhr oder 24/7 über Email-social Media. 100 Les Mills-Kurse. Jetzt gratis: (…). Online-Live-Kurse täglich 10 Uhr, Weltneuheit: 3 D-Körperscan kostenlos; geschenkt: 6 x 1 Monat - Gratisgut-schein. Jeder Schließungsmonat wird ersetzt. 6 - Monats - Gratis-Paket. Hier klicken."
  • "Liebe Mitglieder, aufgrund einer flächendeckenden behördlich angeordneten Schließung wegen des Coronavirus müssen wir unsere Studios vorübergehend schließen. Wir werden jedoch auch weiterhin für euch da sein.

    1. Exklusive Les Mills Onlinekurse. Wir freuen uns sehr, euch ab sofort und für die gesamte Dauer der Epidemie die neuen Online-Kurse von Les Mills kostenfrei in euer Wohnzimmer, auf euer Handy, Monitor oder Home-TV senden zu dürfen (…)

    2. Online Kurse um 18 Uhr in deinem Wohnzimmer. Werktags um 18 Uhr senden wir live auf unseren Social-Media-Kanälen einen Onlinekurs direkt aus unserem Kursraum

    3. Persönlicher Onlineservice. In Kürze stellen wir dir Trainingspläne für Zuhause zur Verfügung. Dazu haben wir von 10 - 14 Uhr eine Hotline eingerichtet, über die du uns Fragen zu deinem Training stellen kannst.

    4. Finanzieller Ausgleich. Den Zeitraum, den ihr nicht bei uns trainieren könnt, bekommt ihr, neben vielfältiger Alternativangebote, am Ende eurer Mitgliedschaft beitragsfrei erstattet" (…)

  • "18. März: Ein ganz herzliches Dankeschön (…). Wir werden euch natürlich über Social Media auf dem Laufenden halten und unterstützen euch auch weiterhin dabei, gesund und fit zu bleiben. Wir können euch versichern, dass wir euch den ausgefallenen Zeitraum vollständig ersetzen werden. Seid euch sicher: Die Leistung, die ihr bezahlt, werdet ihr von uns auch bekommen, sodass euch definitiv kein Nachteil entstehen wird. Daher noch mal unser ganz herzliches Dankeschön für euren to...

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