Es genügt, dass die Anhaltspunkte vorliegen, also in den Herrschaftsbereich des Unternehmens gelangt sind, sodass sie ohne Weiteres zur Kenntnis genommen werden können. Hierzu zählen zum Beispiel:

  • Meldungen über den Beschwerdemechanismus,
  • die Handreichungen des BAFA, die gesetzlich vorgesehen sind (vgl. § 20 LkSG) und von denen erwartet wird, dass der*die jeweilige Menschenrechtsbeauftragte deren Veröffentlichung zur Kenntnis nimmt,
  • Medienberichte, Berichte von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Meldungen im Internet, wenn sie

    • offenkundig sind, weil sie branchenweit bekannt sind, oder
    • dem Unternehmen übermittelt werden.

Bei Handreichungen, Falllisten und Datenbanken von Multistakeholder- oder Brancheninitiativen ist umso eher von einer substantiierten Kenntnis im Sinne des § 9 Abs. 3 LkSG auszugehen, je mehr die Informationen branchenweit verbreitet sind.

Der Möglichkeitsgrad der substantiierten Kenntnis bestimmt sich anhand folgender Leitplanken:

  • Die Verletzung muss nicht offenkundig, sicher, naheliegend oder auch nur wahrscheinlich sein. "Möglich" sind auch Ereignisse, deren Eintrittswahrscheinlichkeit unter 50 Prozent liegt.
  • Die vorliegenden Informationen müssen nicht bereits an sich die Verortung der Verletzung bei einem Zulieferer erkennen lassen.
  • Die Verortung des Risikos in der eigenen Lieferkette muss anhand in der Branche anerkannter Methoden mit zumutbaren Bemühungen zumindest möglich sein. Die Zumutbarkeit bemisst sich nach den Gesamtumständen, insbesondere nach dem Grundsatz der Angemessenheit. Je mehr sich ein Verdacht konkretisiert hat, desto höher ist der Aufwand, der bei der weiteren Verortung zumutbar ist.
  • Auch der Diskussionsstand innerhalb von Branchen kann eine Indizwirkung haben: Erkenntnisse innerhalb der Branche, die sich verfestigt haben, etwa Warnmeldungen, sind Bestandteil der substantiierten Kenntnis.
  • Es kommt auf den objektiv-normativen Verständnishorizont Folgende Leitfrage ist zu beantworten:
  • Würde ein oder eine mit den Sorgfaltspflichten betrauter oder betraute und durchschnittlich erfahrener oder erfahrene und verständiger Mitarbeiter oder verständige Mitarbeiterin, in deren oder dessen Unternehmen das Risikomanagement entsprechend den gesetzlichen Vorgaben organisiert ist, eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende Verletzung in der Lieferkette für möglich halten?

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