Rz. 7

Eine zusätzliche Voraussetzung für die Anwendung des § 6 Abs. 2 EStG ist das Merkmal der selbstständigen Nutzungsfähigkeit, welche in § 6 Abs. 2 Satz 2 EStG negativ definiert wird. Demzufolge ist ein Wirtschaftsgut nicht zur selbstständigen Nutzung fähig, wenn die folgenden Merkmale kumulativ erfüllt sind:

  • Das Wirtschaftsgut kann nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens genutzt werden und
  • die in den Nutzungszusammenhang eingefügten Wirtschaftsgüter sind technisch aufeinander abgestimmt.

Ob die selbstständige Nutzungsfähigkeit vorliegt, ist somit von der individuellen Zweckbestimmung im Betrieb des Steuerpflichtigen abhängig. Kann das Wirtschaftsgut allein genutzt werden, liegt die selbstständige Nutzungsfähigkeit vor.[1]

Nach H 6.13 EStR 2021 ist die selbstständige Nutzungsfähigkeit verbundener oder gemeinsam genutzter Wirtschaftsgüter kein Kriterium bei der Beurteilung der selbstständigen Bewertbarkeit: "Ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut liegt vor, wenn es in seiner Einzelheit von Bedeutung und bei einer Veräußerung greifbar ist. Ob es auch selbständig genutzt werden kann, hängt neben dem Zweck, den 2 oder mehrere bewegliche Sachen gemeinsam zu erfüllen haben, vor allem vom Grad der Festigkeit einer eventuell vorgenommenen Verbindung (§ 93 BGB), dem Zeitraum, auf den eine eventuelle Verbindung oder die gemeinsame Nutzung angelegt sind, sowie dem äußeren Erscheinungsbild ab. Erscheinen die beweglichen Gegenstände danach für sich genommen unvollständig oder erhält ein Gegenstand ohne den oder die anderen gar ein negatives Gepräge, ist regelmäßig von einem einheitlichen Wirtschaftsgut auszugehen; Entsprechendes gilt für Sachen, die in einen unbeweglichen Gegenstand eingebaut werden (BFH, Urteil v. 5.9.2002 – BStBl II S. 877)."[2]

 

Rz. 8

Das Tatbestandsmerkmal des § 6 Abs. 2 Satz 2 EStG wird demnach nur erfüllt, wenn die einzelnen Wirtschaftsgüter in einem Nutzungszusammenhang betrachtet werden, d. h. die Wirtschaftsgüter folglich technisch bzw. körperlich miteinander verbunden sind und nur mit dem anderen Wirtschaftsgut zusammen genutzt werden können. Verliert ein Wirtschaftsgut seine Nutzungsfähigkeit, wenn es von anderen getrennt wird, ist dies ebenfalls ein Hinweis auf einen Nutzungszusammenhang. Ein Nutzungszusammenhang wird somit nicht durch einen wirtschaftlichen Zusammenhang begründet, sondern wenn die Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt sind. Technisch aufeinander abgestimmt sind Wirtschaftsgüter in der Regel, wenn ihre technischen Eigenschaften auf ein Zusammenwirken miteinander angelegt sind. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Gegenstand ohne den anderen die Standfestigkeit verlieren würde (z. B. bei Büroeinrichtungsgegenständen).[3]

 

Rz. 9

Ergänzend gilt nach § 6 Abs. 2 Satz 3 ein Wirtschaftsgut auch dann als nicht selbstständig nutzbar, wenn ein Wirtschaftsgut i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 2 EStG aus dem betrieblichen Nutzungszusammenhang gelöst und in einen anderen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügt werden kann, wie zum Beispiel aus der Rechtsprechung bei Computeranlagen bestehend aus Computer, Monitor und Drucker.[4] Dabei käme es auf die Frage an, ob eine jederzeitige Trennbarkeit ohne Verlust der selbstständigen Nutzungsfähigkeit auch nur eines Teils im Betrieb möglich ist.[5] Dabei ist es auch unerheblich, ob ein neuer Nutzungszusammenhang im Betrieb des Steuerpflichtigen oder auch im Betrieb eines Dritten möglich ist.[6]

Diese Regelung von der selbstständigen Bewertbarkeit auszugehen und eine Zusammenziehung von Wirtschaftsgütern in einen Nutzungszusammenhang vorzunehmen, erscheint wenig überzeugend und ist sehr anfällig für Einschätzungsspielräume, wie auch die unterschiedliche Rechtsprechung hierzu verdeutlicht (s. GWG-ABC). So sollen Stahlregale nachvollziehbarer Weise selbstständig nutzbare Wirtschaftsgüter sein, auch wenn sie mit anderen zusammengefügt werden sollen, solange sie ohne wesentliche Veränderung aus ihrem bisherigen Zusammenhang herausgenommen und in einen anderen Nutzungszusammenhang gestellt werden können.[7] Auch einzelne, miteinander nicht fest verbundene, zusammen als Schreibarbeitsplatz genutzte Teile einer Schreibtischkombination oder Autotelefone sind nach Rechtsprechung ohne Nutzungszusammenhang selbstständig nutzungsfähig[8]- ein Drucker dagegen nicht, bzw. nur, falls er netzwerkfähig ist oder eine Kopierfunktion hat? Für die IT-Problematik gibt es aber über eine Verwaltungsanweisung inzwischen auch die Möglichkeit zur Sofortabschreibung (Rz. 23).

Zu weiteren den Einzelfällen s. "Geringwertige Wirtschaftsgüter-ABC".

[1] Vgl. BFH, Beschluss v. 11.9.2007, III B 70/06, BFH/NV 07 S. 2352; BFH, Beschluss v. 9.5.2012, III B 198/11, BFH/NV 12 S. 1433; Krumm, in Brandis/Heuermann, EStG, § 6 Rz. 1623 ff., Stand: 8/2023.
[2] H 6.13 EStR 2021.
[3] Vgl. Krumm, in Brandis/Heuermann, EStG, § 6 Rz. 1628 ff., Stand: 8/2023; BFH, Urteil v. 25.8.89, III R 125/84, BStBl II 90 S. 82; BFH, Besc...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge