Rz. 6

Definition der Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG

Der Tatbestand der "Funktionsverlagerung" wird in § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG abschließend behandelt. Hiernach liegt eine Funktionsverlagerung vor, wenn "eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile verlagert" wird. Diese vermeintliche Begriffsdefinition erschöpft sich allerdings in einer tautologischen Aussage, da der Begriff "Funktionsverlagerung" als "Verlagerung einer Funktion" umschrieben wird.[1] Die bestehenden Unschärfen gehen letztlich auf eine Vermengung des Funktionsbegriffs mit demjenigen Konglomerat aus Funktion, zugehörenden Chancen und Risiken, übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen zurück, die der Gesetzgeber als "Transferpaket"[2] (Rz. 26 ff.) bezeichnet. Im Schrifttum wird angesichts dieser Gesetzesformulierung vorgeschlagen, zwischen einer Funktion i. e. S. und einer solchen i. w. S. zu unterscheiden.[3] M. E. besteht jedoch zwischen einer Funktion i. w. S. und dem Transaktionsobjekt "Transferpaket" nahezu Deckungsgleichheit, sodass der Mangel eines gesetzlich letztlich nicht definierten Tatbestands verbleibt.[4] Mithin bedürfen beide Begriffsbestandteile – "Funktion" einerseits und "Verlagerung" andererseits – begrifflicher Definitionen, die § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG allerdings nicht bereitstellt.

 

Rz. 7

Definition der Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 2 FVerlV

Demgegenüber enthält § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV eine konkrete Definition der Funktionsverlagerung. Danach liegt eine Funktionsverlagerung i. S. v. § 1 Abs. 3b AStG vor, "wenn eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile ganz oder teilweise übertragen oder überlassen wird, so dass das übernehmende Unternehmen diese Funktion ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten kann."[5] Eine Funktionsverlagerung setzt folglich voraus, dass

  • eine Funktion als Verlagerungsgegenstand vorliegt (Rz. 8 ff.),
  • diese Funktion übertragen oder überlassen wird, sodass das übernehmende Unternehmen diese Funktion ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten kann (sog. Verlagerung der Funktion, Rz. 14 ff.) und
  • Wirtschaftsgüter oder[6] sonstige Vorteile, die der Funktionsausübung zugrunde liegen, sowie die dazugehörigen Chancen und Risiken mit übertragen oder zur Nutzung überlassen werden (Rz. 15).

Gegenüber der gesetzlichen Definition in § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG und der vorhergehenden Fassung des § 1 Abs. 2 FVerlV unterscheidet sich diese Definition in folgenden Punkten:

[7]

  • nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV soll es für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung hinreichen, dass die Übertragung oder Überlassung „ganz oder teilweise“ erfolgt, womit zum einen die bereits in der Entstehungsgeschichte der Erstfassung der FVerlV relevante Unterscheidung zwischen einer kompletten Funktionsverlagerung und einer teilweisen Funktionsverlagerung und damit das Thema der Teilverlagerungen als funktionsverlagerungsqualifizierende Verlagerungsvorgänge, die für die Erstfassung der FVerlV[8] nicht durchgesetzt werden konnten,[9] relevant wird; zum anderen soll die entsprechende Verwaltungsauffassung in Rz. 16 VWG-Funktionsverlagerung zum produkt- und marktbezogenen Begriffsverständnis des Funktionsbegriffs neuerlich mit einer Rechtsgrundlage in der FVerlV ausgestattet werden, die sich im Gesetzgebungsverfahren zum AbzStEntModG und der Neufassung der Regelungen zu Funktionsverlagerungen in § 1 Abs. 3b AStG so nicht niedergeschlagen hat;
  • nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV sollen nicht nur Verlagerungsvorgänge, die das übernehmende Unternehmen erstmals in die Lage versetzen, die betreffende Funktion auszuüben, als Funktionsverlagerung qualifizieren, sondern auch solche, durch die das übernehmende Unternehmen „eine bestehende Funktion ausweiten kann“;
  • § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV stellt nicht mehr auf das verlagernde Unternehmen ab, erfordert mithin nicht mehr, dass die Ausübung der nämlichen Funktion infolge der Verlagerung „durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird“; mit § 1 Abs. 5 FVerlV bleibt allerdings die bisherige Regelung zu Funktionsverdopplungen (§ 1 Abs. 6 FVerlV a. F.) erhalten, sodass materiell-rechtlich weiterhin erforderlich ist, dass die betreffende Funktion beim verlagernden Unternehmen eingestellt oder zumindest eingeschränkt wird;
  • § 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV a. F. regelte bisher, dass eine Funktionsverlagerung auch vorliegen kann, wenn das übernehmende Unternehmen diese Funktion nur zeitweise übernimmt; auf diese „Klarstellung“ wurde in § 1 Abs. 2 FVerlV ersatzlos verzichtet, ohne dass hiermit bezogen auf temporäre Verlagerungsvorgänge – mangels zeitlicher Anforderungen an die Funktionsausübung durch das übernehmende Unternehmen bezogen auf die Verwirklichung des Tatbestands der Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 3b AStG (bzw. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG a. F.) und §...

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