1 Allgemeines

1.1 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde durch das JStG 1996 im Zusammenhang mit der Umgestaltung des bisherigen Familienlastenausgleichs zum sog. Familienleistungsausgleich mit Geltung ab Vz 1996 eingefügt (zur Rechtsentwicklung s. § 31 EStG Rz. 1ff.). § 65 Abs. 1 S. 3 EStG wurde durch das 1. SGB III-ÄndG v. 16.12.1997[1] redaktionell an das SGB III (Arbeitsförderung, Geltung ab 1998) angepasst. Durch das StEuglG v. 19.12.2000[2] wurde der Betrag von 10 DM in Abs. 2 durch 5 EUR ersetzt. Durch das Dritte Gesetz über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde Abs. 1 S. 3 an das geänderte SGB III redaktionell angepasst ("Bundesagentur" statt "Bundesanstalt").

Eine weitere redaktionelle Anpassung erfolgte durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013[3] ("Europäische Union" statt "EG").

[1] BGBl I 1997, 2970.
[2] BStBl I 2001, 3.
[3] BGBl I 2013, 1809.

1.2 Bedeutung

 

Rz. 2

Die Regelung entspricht § 8 BKKG a. F.[1] Sie deckt sich bis auf Abs. 1 S. 2[2] mit § 4 BKGG n. F. Wie § 64 EStG bezweckt die Vorschrift die Vermeidung von ungerechtfertigten Doppelleistungen (Kumulierungsverbot).[3] Für die Kind bedingten Entlastungen soll nur einmal ein Ausgleich gewährt werden. § 65 EStG regelt die Anspruchskonkurrenz zwischen Kindergeld und vergleichbaren Kind bezogenen Leistungen (innerstaatliche und ausl. Kind bezogene Leistungen) i. d. S., dass der Kindergeldanspruch grundsätzlich bereits dann ausgeschlossen ist, wenn für das Kind irgendeiner Person – nicht unbedingt dem Kindergeldberechtigten – ein Anspruch auf die in Abs. 1 S. 1 abschließend aufgeführten Leistungen zusteht (Subsidiarität des Kindergeldanspruchs).[4] Die tatsächliche Zahlung der anderen Kind bezogenen Leistungen ist nicht erforderlich. Entscheidend ist, ob ein Rechtsanspruch darauf besteht, ohne dass es auf die entsprechende Antragstellung ankommt.[5]

Abs. 2 regelt das sog. Teilkindergeld, das gezahlt wird, wenn die anderen Leistungen nicht die Höhe des Kindergelds nach § 66 EStG erreichen. Abs. 2 betrifft dem Wortlaut nach nur niedrigere Zulagen und Zuschüsse nach Abs. 1 S. 1 Nr. 1[6], gilt aber auch in den Fällen der Ausschlusstatbestände von § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 EStG; siehe auch Rz. 7.[7].

Ausl. Kind bezogene Leistungen schließen den Kindergeldanspruch daher auch dann aus, wenn sie niedriger sind als das deutsche Kindergeld.

1.3 Vorrang von EU- und Abkommensrecht

 

Rz. 3

Für Kinder in EU-/EWR-Staaten und in Staaten, mit denen ein Abkommen über soziale Sicherheit besteht (Abkommensstaaten), gelten die Ausschlussregelungen des Abs. 1 jedoch nicht. Doppelansprüche werden durch die über- und zwischenstaatlichen Prioritätsregelungen ausgeschlossen (Rz. 9). Für Kinder in EU-/EWR-Staaten und in der Schweiz kann danach ein Anspruch auf einen Unterschiedsbetrag als Teilkindergeld bestehen, s. Rz. 15.

 

Rz. 3a

Das Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht und Abkommen über soziale Sicherheit[1]) verdrängt die in § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG geregelte Anrechnung von den im Ausland gewährten, dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen.[2] Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Anwendungsbereich der jeweiligen Verordnung eröffnet ist.[3] Demzufolge findet die Vorschrift nur dann Anwendung, soweit sie nicht durch zwischen- oder überstaatliches Recht verdrängt wird.[4]

In ersten Entscheidungen hat der BFH noch die Auffassung vertreten, dass der gemeinschaftsrechtlich geregelte Vorrang zu einem vollständigen Ausschluss des Anspruchs auf Kindergeld führen könne.[5]

Die Anwendung des § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG darf aufgrund der Bestimmungen der Art. 45ff. AEUV zur Arbeitnehmer-Freizügigkeit jedoch nicht zum Ausschluss, sondern nur zu einer Kürzung des deutschen Kindergelds um die Höhe des Betrags der in dem anderen Staat gewährten vergleichbaren Leistung führen[6] – so der EuGH[7] in einem Fall, bei dem der persönliche Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet und Deutschland nach Art. 14 Nr. 1 Buchst. a VO Nr. 1408/71 der unzuständige Mitgliedstaat war. In einer weiteren Entscheidung hat der EuGH auf das Vorabentscheidungsersuchen des BFH[8] festgestellt, dass die in Art. 60 Abs. 1 S. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 vorgesehene Fiktion auch dazu führen könne, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist.[9] Der BFH hat in seiner weiteren Rspr. die EuGH-Entscheidung umgesetzt: Die Fiktion des Art. 60 Abs. 1 S. 2 VO ...

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