Rz. 57

Das Erstattungsverfahren ist in § 50c Abs. 3 S. 2 – 4 EStG sowie, zusammen mit dem Verfahren für den Freistellungsantrag, in § 50c Abs. 5 geregelt; zu § 50c Abs. 5 EStG vgl. Rz. 65. Das Erstattungsverfahren ist unabhängig von dem Steuerabzugsverfahren. Das bedeutet, dass für die Durchführung der Erstattung der Steuerbescheid, der nach § 168 AO in der Steueranmeldung liegt, nicht aufgehoben werden muss. Das Gleiche gilt, wenn eine Freistellungsbescheinigung über einen reduzierten Steuerabzug ausgestellt worden ist. Auch dann kann für den abgezogenen Betrag ein Erstattungsantrag gestellt werden, ohne dass die in der Freistellungsbescheinigung liegende Entscheidung aufgehoben werden muss. In dem Steuerabzugsverfahren (d. h. durch Anfechtung der Steueranmeldung) können nur Fragen geklärt werden, die mit diesem Regelungsbereich, also dem Steuerabzugsverfahren, zusammenhängen. Im Steuerabzugsverfahren kann daher nur darüber entschieden werden, ob der Vergütungsschuldner zum Steuerabzug verpflichtet war, und in welcher Höhe dies der Fall war. Nicht entschieden werden kann im Steuerabzugsverfahren, ob der Vergütungsgläubiger die Steuer tatsächlich schuldet, oder ob ihm eine Erstattung zusteht.[1] Für das Erstattungsverfahren ist es daher ohne Bedeutung, ob die Bescheide im Steuerabzugsverfahren (Steueranmeldung nach § 168 AO, Haftungs-, Nachforderungsbescheid) von dem Vergütungsgläubiger und/oder dem Steuerabzugsverpflichteten angefochten bzw. diese Bescheide aufgehoben worden sind.

 

Rz. 58

Grundlage der Erstattung ist nach § 50c Abs. 3 S. 1 EStG der Freistellungsbescheid, der die Entscheidung darüber enthält, ob die Steuer ermäßigt wird oder 0 beträgt. Der Erlass des Freistellungsbescheids ist von einem Antrag des Vergütungsgläubigers abhängig, der fristgerecht gestellt werden muss. Die Antragsfrist beträgt nach § 50c Abs. 3 S. 2 EStG 4 Jahre und beginnt mit Ablauf des Kj., in dem die Kapitalerträge oder Vergütungen zugeflossen sind. § 50c Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 EStG enthält eine Ablaufhemmung für die Antragsfrist. Die Frist endet nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Zeitpunkt, zu dem die Steuer entrichtet worden ist. Diese Regelung hängt damit zusammen, dass der Erstattungsanspruch nur besteht, wenn die Steuer tatsächlich entrichtet worden ist. Es wird damit sichergestellt, dass der Berechtigte zumindest 1 Jahr Zeit hat, den Erstattungsantrag zu stellen. Diese Ablaufhemmung ist bedeutsam für die Fälle, in denen der Steuerabzug nicht vorgenommen worden ist und der Vergütungsschuldner daher haftet. Dann hatte der beschr. Stpfl. keinen Anlass, vor der Zahlung der Steuer einen Freistellungsbescheid zu beantragen und damit das Erstattungsverfahren einzuleiten. Da die Abzugsteuer tatsächlich nicht bezahlt worden ist, bestand auch rechtlich gar keine Möglichkeit, ein Erstattungsverfahren einzuleiten (Rz. 47). Eine weitere Ablaufhemmung knüpft an eine weitergehende Regelung in dem DBA an. Die Frist endet daher nicht vor Ablauf einer in dem DBA vorgesehenen längeren Frist. Enthält das DBA eine andere Frist als die 4 Jahre des § 50c Abs. 3 S. 2 EStG gilt damit die jeweils längere Frist. Daneben gelten auch die Tatbestände der Ablaufhemmung nach § 171 AO, insbesondere § 171 Abs. 3, 3a und 4 AO. Werden die genannten Fristen nicht eingehalten, erlischt der Erstattungsanspruch. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) kann von der Finanzbehörde nicht gewährt werden, da der Tatbestand dieser Vorschrift nicht vorliegen wird. Die Antrags- bzw. Festsetzungsfrist ist keine Frist, die der Stpfl. "einzuhalten" hat. Diese Fristen sind vielmehr von der Finanzbehörde von Amts wegen zu beachten und unterliegen nicht ihrer Dispositionsbefugnis.[2]

 

Rz. 59

Hinsichtlich der Festsetzungsverjährung für den Freistellungsbescheid stellt die Bestimmung der Antragsfrist eine besondere Regelung dar, welche die Vorschriften der §§ 169, 170 AO verdrängt.[3] Dagegen bleibt § 171 AO anwendbar. Es wird keine Verjährungsfrist für den Freistellungsbescheid bestimmt, sondern eine Frist für die Stellung des Antrags. Da dieser Erstattungsantrag der Sache nach ein Antrag auf Erlass eines Freistellungsbescheids (Steuerfestsetzung) ist, hemmt er nach § 171 Abs. 3 AO die Festsetzungsfrist für den Freistellungsbescheid. Im Ergebnis ist daher die Verjährung nur von der Stellung des Erstattungsantrags abhängig. Mit dieser Regelung ist die Rspr. des BFH[4] gegenstandslos geworden, wonach die Festsetzungsfrist sich nach dem Freistellungsbescheid richtet und daher bei Nichtabgabe einer Steueranmeldung die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO greift. Nach der jetzt geltenden Regelung besteht keine Anlaufhemmung. Vielmehr hängt der Beginn der Frist von dem Beziehen der Erträge oder Vergütungen ab.

 

Rz. 60

§ 50c Abs. 3 S. 3 EStG regelt, dass der Freistellungsbescheid von der Vorlage bestimmter Bescheinigungen abhängig ist. Zusätzlich ist eine Ansässigkeitsbescheinigung vorzulegen (hierzu Rz. 46). Die Vorlage dieser Bescheinigungen ist materielle Vorausset...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge