Rz. 381

Während die Bewertung der Rückstellung für eine Geldzahlungsverpflichtung mit dem (evtl. abgezinsten) Nennbetrag als Erfüllungsbetrag relativ einfach ist, ist dies bei Sachleistungsverpflichtungen nicht der Fall. Eine Sachleistungsverpflichtung liegt vor, wenn die Verbindlichkeit des Stpfl. nicht auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet ist, sondern auf die Lieferung einer Sache, Herstellung eines Werks oder eines Erfolgs, Erbringung einer Dienstleistung o. Ä. Sachleistungsverpflichtungen sind Garantie- und Gewährleistungsverpflichtungen, Wiederherstellungs-, Abbruch- und Rekultivierungsverpflichtungen, Verpflichtungen zur Rechnungslegung, Kundendienstverpflichtungen, Inventarerneuerungs- und Instandhaltungspflichten und ähnliche Verpflichtungen. Diese Verpflichtungen haben keinen Nennbetrag als Erfüllungsbetrag, sondern müssen bewertet werden, um den Erfüllungsbetrag zu ermitteln.

 

Rz. 382

Die Rückstellung für Sachleistungsverpflichtung ist handelsrechtlich mit dem Betrag zu bewerten, den der Kaufmann aufwenden muss, um die Sachleistungsverpflichtung erfüllen zu können. Es sind dies grundsätzlich die Vollkosten der Sachleistung. Dazu gehören neben den Einzelkosten auch die Fixkosten; kalkulatorische Kosten und Unternehmergewinn dürfen jedoch nicht einbezogen werden (Jacobs, DStR 1988, 238, 242; Eifler, HdJ, Abt. III/5, Rz. 92, 93; Küting/Kessler, DStR 1989, 693; vgl. auch FG München v. 29.5.1990, 7 K 5158/88, EFG 1991, 68).

Der Ansatz der Vollkosten einschl. Fixkosten gilt auch, wenn der Kaufmann die Verbindlichkeit mit eigenem Personal erfüllt. Anzusetzen sind die Vollkosten des einzusetzenden Personals, also fixe und variable Kosten und die vollen Gemeinkosten; dem Kaufmann steht insoweit kein Wahlrecht zu.[1] Zu BFH v. 24.11.1983, IV R 22/81, BStBl II 1984, 301, wonach Gemeinkosten nicht angesetzt werden dürfen und die Obergrenze der Rückstellungsbildung die Kosten der Fremderstellung seien, äußert der VIII. Senat Zweifel, hält es jedenfalls nur in dem entschiedenen Sonderfall (Betriebssteuererklärungen; vgl. Rz. 458 "Steuererklärungen") für anwendbar.

 

Rz. 383

Durch den durch Gesetz v. 24.3.1999[2] eingeführten § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b ist für das Steuerrecht insoweit eine Änderung eingetreten. Danach sind Sachleistungsverpflichtungen höchstens mit den Einzelkosten und angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten. Vgl. Stobbe/Loose, FR 1999, 405.

Das Steuerrecht weicht insoweit vom Handelsrecht ab; die Vorschrift enthält eine Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes.

Die Neuregelung gilt nur für Verpflichtungsrückstellungen, nicht für Aufwandsrückstellungen, da Sachleistungsverpflichtungen immer "Schuldcharakter" haben.

Die Neuregelung, die regelmäßig zu niedrigeren Rückstellungen führt, ist erstmals ab Vz 1999 anzuwenden, d. h. erstmals in der Schlussbilanz desjenigen Wirtschaftsjahrs, das nach dem 31.12.1998 endet (Wirtschaftsjahr 1999 oder abweichendes Wirtschaftsjahr 1998/99). Dies gilt auch für Rückstellungen, die in einem vor dem 1.1.1999 endenden Wirtschaftsjahr gebildet worden sind; die "Altrückstellungen" sind also auf den Schluss des ersten im Jahr 1999 endenden Wirtschaftsjahrs neu zu bewerten (§ 52 Abs. 16 S. 8). Ist dabei ein Teil der Rückstellung aufzulösen, kann der Auflösungsbetrag i. H. v. 9/10 in eine gewinnmindernde Rücklage eingestellt werden, die in den folgenden neun Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens 1/9 gewinnerhöhend aufzulösen ist (§ 52 Abs. 16 S. 10 i. V. m. S. 7); eine schnellere Auflösung ist zulässig. Die steuerliche Bildung dieser Rücklage (Sonderposten mit Rücklageanteil) ist nach § 5 Abs. 1 S. 2 ("umgekehrte Maßgeblichkeit", vgl. Rz. 53ff.) davon abhängig, dass sie auch in der Handelsbilanz gebildet wird; dies ist nach §§ 247 Abs. 3, 273 HGB zulässig. Scheidet die Sachleistungsverpflichtung, für die die Rückstellung und demgemäß für den Auflösungsbetrag der Sonderposten mit Rücklageanteil gebildet worden ist, aus dem Betriebsvermögen aus, bevor der Sonderposten vollständig aufgelöst worden ist, ist der Sonderposten mit Rücklageanteil zum Ende des Wirtschaftsjahrs, in dem die Verpflichtung ausgeschieden ist, aufzulösen.

 

Rz. 384

Steuerlich anzusetzen sind danach ab Vz 1999 nur noch die Einzelkosten und ein angemessener Teil der notwendigen Gemeinkosten.

Einzelkosten sind die Materialkosten, die Fertigungskosten (Fertigungslöhne) und die Sonderkosten der Fertigung (vgl. § 6 Rz. 243ff.).

Unklar ist, in welchem Umfang Gemeinkosten einbezogen werden sollen. Der ursprüngliche Gesetzentwurf[3] sah nur den Ansatz der variablen Kosten ("Einzel- und variable Gemeinkosten") vor. Nach der Begründung sollten alle Fixkosten als zeitraumbezogen ausgeschieden werden, wohl deshalb, weil sie auch ohne die konkrete einzelne Sachleistungsverpflichtung entstehen und es daher an einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang fehlt. Diese Gesetzesfassung wurde als mehrdeutig erkannt, weil z. B. Fertigungslöhne, zumindest auf mittlere Frist gesehen, ebenfalls fix und zeitr...

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