4.4.1 Aufschub des Gewinnausweises trotz Realisation

 

Rz. 148

Die einkommensteuerlichen Vorschriften enthalten eine Reihe von Bestimmungen, nach denen der Gewinnausweis, und damit die Versteuerung, trotz Realisation des Gewinns durch ein (entgeltliches) Umsatzgeschäft aufgeschoben wird. Der Grund für solche Ausnahmen liegt häufig in wirtschaftspolitischen Überlegungen. Das Vermögen soll weiterhin, ohne steuerliche Belastung, dem Unternehmen dienen können.

 

Rz. 149

Der Tausch von Wirtschaftsgütern führt grundsätzlich zur Gewinnrealisierung bei beiden Partnern des Tauschs; während der hingegebene Gegenstand zum Buchwert aus dem Betriebsvermögen ausscheidet, ist der erworbene Gegenstand mit den Anschaffungskosten einzubuchen. Die Anschaffungskosten bestehen in dem gemeinen Wert (nicht: dem Buchwert) des hingegebenen Wirtschaftsguts (§ 6 Abs. 6 EStG)[1], in Höhe der Differenz zwischen Buchwert und gemeinem Wert tritt also Gewinnrealisierung ein (Rz. 100). Dadurch ist das Tauschgutachten des BFH v. 16.12.1958, I D 1/57 S, BStBl III 1959, 30 ersetzt worden, wonach bei Kapitalanteilen eine Gewinnrealisierung bei Wert-, Art- und Funktionsgleichheit vermieden werden konnte. Zur Rechtslage bis zum Inkrafttreten des § 6 Abs. 6 EStG vgl. BMF v. 9.2.1998, IV B 2 – S 1909 – 5/98, BStBl I 1998, 163; Blumers/Schmidt, DB 1998, 392; Rödder, DStR 1998, 474. Einzelheiten zum Tausch vgl. § 6 EStG Rz. 525.

 

Rz. 150

Dagegen hat die Reinvestitionsrücklage (§ 6b) die Funktion, eine durch die Besteuerung nicht beeinträchtigte Neuorganisation der betrieblichen Investitionsmittel zu ermöglichen. Vgl. Erl. zu § 6b EStG.

 

Rz. 151

Aus dem gleichen Gedanken heraus regelt R 6.6 Abs. 4 EStR mit der Rücklage für Ersatzbeschaffung einen Sonderfall. Wenn ein Wirtschaftsgut gegen den Willen des Stpfl. (z. B. durch höhere Gewalt, staatlichen Eingriff) aus dem Betriebsvermögen gegen Entschädigung ausscheidet, soll diese Entschädigung nicht besteuert werden, damit sie in vollem Umfang für die Anschaffung eines funktionsgleichen Wirtschaftsguts zur Verfügung steht. Die durch die Entschädigung aufgedeckten stillen Reserven erhöhen die Leistungsfähigkeit des Stpfl. nicht, wenn und soweit die Entschädigung zur Anschaffung eines funktionsgleichen Ersatzwirtschaftsguts verwandt wird. Vgl. Rz. 268ff.

 

Rz. 152

Schließlich ermöglichen die verschiedenen Tatbestände des UmwStG in gewissem Rahmen eine Neuorganisation ganzer Unternehmen durch Umwandlung oder Verschmelzung ohne Gewinnrealisierung.

 

Rz. 153

Auf einem ähnlichen Grundgedanken beruht § 6 Abs. 3. Diese Vorschrift ermöglicht die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils ohne Gewinnrealisierung. Ihr liegt die Vorstellung zugrunde, dass eine Aufdeckung der stillen Reserven nicht erforderlich ist, wenn der betriebliche Zusammenhang trotz der Übertragung erhalten bleibt und damit eine spätere Versteuerung der stillen Reserven, wenn auch bei einer anderen Person, dem Erwerber, sichergestellt ist. Konsequent ordnet daher § 6 Abs. 4 bei der unentgeltlichen Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter die Gewinnrealisierung an, weil hier der betriebliche Zusammenhang nicht gewahrt ist, das einzelne Wirtschaftsgut stattdessen aus einem Betriebsvermögen ausscheidet und in ein anderes überführt wird.

4.4.2 Gewinnausweis ohne Gewinnrealisation

 

Rz. 154

Neben die Fälle, in denen trotz Gewinnrealisierung nach dem Realisationsprinzip der Gewinnausweis unterbleibt, treten die Fälle, in denen ein Gewinn auszuweisen ist, obwohl eine Realisierung nach dem Realisationsprinzip nicht eingetreten ist. Zugrunde liegt diesen Regelungen der Gedanke, dass alle betrieblichen Wirtschaftsgüter in einer bestimmten steuerrechtlichen Verstrickung stehen, um die Erfassung der stillen Reserven sicherzustellen. Endet diese Steuerverstrickung (Entstrickung), müssen diese stillen Reserven aufgedeckt und steuerlich erfasst werden.[1]

Dieses Prinzip der Steuerentstrickung liegt mehreren einzelnen gesetzlichen Regelungen zugrunde, es ist jedoch gesetzlich nirgends als umfassendes Regelungsprinzip ausgeprägt.[2] Was (steuerpflichtiger) Gewinn ist, lässt sich daher nicht einem kodifizierten allgemeinen Prinzip entnehmen, sondern nur den positivrechtlichen Regelungen der §§ 4 bis 7e EStG und einiger Bestimmungen der ertragsteuerlichen Nebengesetze.

 

Rz. 155

Die grundlegende Norm, die einen Gewinnausweis ohne Realisationsakt vorsieht, ist die Vorschrift über Entnahmen in § 4 Abs. 1 S. 2 EStG. Dabei handelt es sich nicht in erster Linie um eine Vorschrift über die Gewinnrealisierung; sie steht systematisch in einem anderen Zusammenhang. Wenn der Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt wird, besteht die Gefahr, dass dieser Gewinn verfälscht wird, wenn er nicht um außerbetriebliche Vermögenszu- und Vermögensabflüsse korrigiert wird. Das ist die Funktion der Entnahme, die, ebenso wie ihr Gegenstück, die Einlage, die durch die außerbetrieblichen Vermögensänderungen erforderlich werdenden Korrekturen vornehmen soll. D...

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