Rz. 525

Wird ein einzelnes Wirtschaftsgut im Wege des Tausches übertragen, so bemessen sich die Anschaffungskosten nach § 6 Abs. 6 S. 1 EStG nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts. Dieser Realisierungstatbestand beinhaltet im Prinzip nichts Neues. Der Tausch ist schon bisher als Veräußerungsvorgang bzw. als Anschaffungsgeschäft beurteilt worden, das zu einer Realisierung der stillen Reserven führt (vgl. Rz. 162ff.). Die Anschaffungskosten des eingetauschten Wirtschaftsguts bemessen sich nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts. Dies folgte bereits bisher aus § 9 BewG.[1]

 

Rz. 525a

Einen tauschähnlichen Vorgang stellt die Einbringung von Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft im Wege der offenen Sacheinlage gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten dar. Auf der Ebene der Kapitalgesellschaft führt er zu Anschaffungskosten des eingelegten Wirtschaftsguts, auf der Ebene des Gesellschafters zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft.[2] Der I. Senat des BFH hat sich damit der Rspr. des VIII. Senats[3] zur Einbringung von Wirtschaftsgütern in eine Personengesellschaft im Tausch gegen Gesellschaftsrechte angeschlossen. Bei der Einbringung eines Betriebs zum Teilwert oder einem Zwischenwert ist daher insbesondere auch ein Geschäftswert anzusetzen. Ebenso hat der BFH[4] einen tauschähnlichen Vorgang angenommen, wenn eine Sacheinlage teils unter Anrechnung auf die Stammeinlage und teils unter Ausweis in der Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB gebucht wird.

 

Rz. 526

§ 6 Abs. 6 S. 1 EStG bewirkt, dass der Tausch nunmehr ausnahmslos ein Realisationstatbestand ist. In der Vergangenheit führte der Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach dem Tauschgutachten des BFH[5] nicht zu einer Gewinnverwirklichung, wenn die hingegebenen und die erhaltenen Anteile bei wirtschaftlicher Betrachtung wert-, art- und funktionsgleich sind. Der Gesetzgeber wollte einen steuerneutralen Tausch von im Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften "mit Rücksicht auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung" ausschließen.[6] Dies mag im Prinzip gerechtfertigt sein. Es werden jedoch Umstrukturierungen im Konzern erschwert.

 

Rz. 527

Mitunternehmeranteile an Personengesellschaften konnten schon bisher grundsätzlich nicht gewinnneutral getauscht werden.[7] Die Grundsätze des Tauschgutachtens waren hierauf nicht anwendbar. Ein Tausch von Mitunternehmeranteilen muss jedoch ausnahmsweise gewinnneutral im Rahmen einer Realteilung nach § 16 Abs. 3 S. 2 EStG möglich sein, wenn der Tausch im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Aufteilung des Gesellschaftsvermögens erfolgt und die Gesellschafter sich vorher zum Tausch verpflichtet haben. Beispielsweise werden zu diesem Zweck die zu tauschenden Anteile in eine neu gegründete Personengesellschaft eingebracht. Diese Gesellschaft wird sodann im Wege des Tauschs der Anteile real geteilt.[8] Als Realteilung dürfte es anzusehen sein, wenn Anteile an zwei gesellschafteridentischen Personengesellschaften getauscht werden, um deren Betriebe nach dem Tausch als Einzelunternehmen fortzuführen.[9] Denn auch dieser Vorgang dient der Realteilung einer jeden der beiden Personengesellschaften.

 

Rz. 528

Ein Tausch von Grundstücken im Umlegungs- oder Flurbereinigungsverfahren erscheint nach wie vor nicht als ein gewinnrealisierender Vorgang. Grund ist der Zwangscharakter des Vorgangs. Der BFH (v. 13.3.1986, IV R 1/84, BStBl II 1986, 711) hat den in das Umlegungsverfahren eingebrachten Grundbesitz und den daraus im Zuteilungsweg erlangten Grundbesitz als wirtschaftlich identisch gewertet, soweit die Grundstücke wertgleich sind, also keine Ausgleichszahlung geleistet worden ist. Das zugeteilte Grundstück ist ein Surrogat des eingebrachten Grundstücks. Infolgedessen kann hierin kein Realisierungstatbestand i. S. v. § 6 Abs. 6 S. 1 EStG liegen.[10]

[1] So BFH v. 19.10.1998, VIII R 69/95, BFH/NV 1999, 849, für die offene Sacheinlage einzelner Wirtschaftsgüter in eine Personen- oder Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten.
[2] BFH v. 5.6.2002, I R 6/01, BFH/NV 2003, 88; kritisch hierzu Schmidt/Hageböke, DStR 2003, 1813.
[6] BT-Drs. 14/23, 174.
[8] Wacker, in Schmidt, EStG, 2022, § 16 EStG Rz. 475.
[9] Zweifelnd aber Wacker, in Schmidt, EStG, 2022, § 16 EStG Rz. 475.
[10] Jäschke, DStR 2006, 1349.

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