Leitsatz (amtlich)

Einkommensteuerrechtlich sind die in ein Umlegungsverfahren (Flurbereinigungsverfahren) eingebrachten und die daraus im Zuteilungswege erlangten Grundstücke grundsätzlich als wirtschaftlich identisch zu werten. Demgemäß tritt keine Gewinnrealisierung ein; die etwaige Betriebsvermögenseigenschaft der eingebrachten Grundstücke setzt sich an den erlangten Grundstücken unverändert fort.

 

Normenkette

EStG §§ 4-5, 13

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Rechtsanwalt und Notar. Er wird mit seiner Ehefrau für die Streitjahre 1976 und 1977 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger und seine Ehefrau leben im Güterstand der Gütergemeinschaft. Zum Gesamtgut der Eheleute gehören mehrere Grundstücke, auf denen der Kläger seit vielen Jahren Weinbau betreibt. Die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft (Weinbaubetrieb) werden durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben nach § 4 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. In den Einkommensteuererklärungen des Klägers und seiner Ehefrau sind sie als Einkünfte des Klägers ausgewiesen.

Von den Grundstücken, die dem Weinbaubetrieb dienten, wurde eine Fläche von 3 793 qm in ein Flurbereinigungsverfahren einbezogen. Die Eheleute erhielten anstelle dieser in die Flurbereinigung eingebrachten Flächen drei als Weingarten bezeichnete Flurstücke in X im Ausmaß von zusammen 2 770 qm und das ebenfalls in X belegene Grundstück "Flur 98 Flurstück 21 Bauplatz und Weingarten" (im folgenden Grundstück J) mit einer Fläche von 553 qm zugeteilt. Die Eheleute wurden 1973 als Eigentümer des Grundstücks J in das Grundbuch eingetragen. Das Grundstück J gehört zu einem Gebiet, das seit 1969 als Baugebiet ausgewiesen ist.

Am 7.Juni 1977 veräußerten die Eheleute das Grundstück J zum Preise von 26 000 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Klägers und seiner Ehefrau für die Streitjahre 1976 und 1977 die Auffassung, das Grundstück J sei im Zeitpunkt der Veräußerung Betriebsgrundstück des Weinbaubetriebs gewesen. Demgemäß habe der Kläger im Wirtschaftsjahr 1976/77 einen bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu erfassenden Gewinn aus der Grundstücksveräußerung erzielt, der je zur Hälfte bei den Veranlagungen für 1976 und 1977 zu erfassen sei. Den Gewinn aus Veräußerung des Grundstücks J ermittelte das FA als Differenz zwischen dem Veräußerungserlös von 26 000 DM und einem fiktiven Buchwert nach § 55 Abs.1 und 2 EStG von 3 157,50 DM mit 22 842,50 DM.

Mit der Klage beantragte der Kläger, die Einkommensteuerbescheide 1976 und 1977 insoweit zu ändern, als darin im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ein Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks J angesetzt ist. Das FG wies die Klage ab. Das Grundstück J habe bei der Veräußerung zum Betriebsvermögen des Weinbaubetriebs gehört, weil eine frühere Entnahme nicht habe festgestellt werden können.

Mit der Revision beantragt der Kläger, unter Abänderung des angefochtenen Urteils der Klage stattzugeben. Der Kläger rügt Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zutreffend hat das Finanzgericht (FG) entschieden, daß das Grundstück J im Zeitpunkt der Veräußerung am 7.Juni 1977 noch Betriebsvermögen des Weinbaubetriebs war.

1. Der Kläger und seine Ehefrau haben von den Grundstücken, die dem Weinbaubetrieb dienten und demgemäß notwendiges Betriebsvermögen dieses Weinbaubetriebs waren, eine Teilfläche in das Flurbereinigungsverfahren eingebracht und auf diese Weise formalrechtlich das Eigentum an diesen Grundstücken verloren. Gleichzeitig haben der Kläger und seine Ehefrau in 1973 im Wege der Zuteilung aus dem Flurbereinigungsverfahren das Eigentum an vier anderen Flurstücken, darunter dem streitigen Grundstück J, erworben.

Das Flurbereinigungsverfahren ist wie jedes Umlegungsverfahren ein "gesetzlich geregeltes Grundstücksaustauschverfahren" (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18.September 1985 II R 131/83, BFHE 144, 470, 472, BStBl II 1985, 713). Einkommensteuerrechtlich ist der "Austausch" von Grundstücken im Rahmen eines Umlegungsverfahrens aber nicht nach den für den (freiwilligen) Tausch von Wirtschaftsgütern maßgeblichen Grundsätzen zu beurteilen (vgl. zu diesem z.B. BFH-Urteil vom 14.Dezember 1982 VIII R 53/81, BFHE 137, 339, BStBl II 1983, 303, m.w.N.). Vielmehr sind der in das Umlegungsverfahren eingebrachte Grundbesitz und der daraus im Zuteilungswege erlangte Grundbesitz, soweit insgesamt wertgleich, als wirtschaftlich identisch zu werten; die einkommensteuerrechtliche Folge ist, daß zum einen keine Gewinnrealisierung nach Tauschgrundsätzen eintritt und zum anderen sich die etwaige Betriebsvermögenseigenschaft des eingebrachten Grundbesitzes an den erlangten Grundstücken unverändert fortsetzt, bis diese nach den dafür allgemein maßgeblichen Grundsätzen entfällt.

Diese einkommensteuerrechtliche Wertung gewinnt der Senat daraus, daß eine Umlegung (Flurbereinigung) "ihrem Wesen nach eine ungebrochene Fortsetzung des Eigentums an einem verwandelten Grundstück" bedeutet und demgemäß eine Umlegung grundsätzlich keine Enteignung ist, "weil dem Eigentümer bei Anlegung einer vernünftigen wirtschaftlichen Betrachtungsweise sein Eigentum nicht genommen wird, sondern in veränderter Gestalt erhalten bleibt" (Beschluß des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 13.Februar 1969 III ZR 123/68, BGHZ 51, 341, 344). Die zugeteilten Grundstücke sind "Surrogat" der eingebrachten Grundstücke (BGH-Urteil vom 19.September 1974 III ZR 12/73, BGHZ 63, 81, 84). Hiervon geht auch das BFH-Urteil vom 15.Januar 1974 VIII R 63/68 (BFHE 112, 31, BStBl II 1974, 606) aus.

Für den Streitfall bedeutet dies, daß das Grundstück J im Hinblick auf seine wirtschaftliche Teilidentität mit dem in die Flurbereinigung eingebrachten Grundstücksflächen von Anfang an in gleicher Weise Betriebsvermögen des Weinbaubetriebs war wie die in die Flurbereinigung eingebrachten Flächen, ohne daß es dazu etwa einer besonderen Einlagehandlung des Klägers und seiner Ehefrau bedurfte.

2. Die damit vorgegebene Eigenschaft als Betriebsvermögen hat das Grundstück J vor seiner Veräußerung am 7.Juni 1977 weder dadurch verloren, daß es zu keiner Zeit tatsächlich zum Zwecke des Weinbaus genutzt worden ist, sondern stets nur brach gelegen hat, noch dadurch, daß dem Kläger, wie dieser geltend macht und der Senat zu dessen Gunsten unterstellt, rechtlich die Bepflanzung des Grundstücks mit Weinreben verwehrt gewesen ist.

Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (grundlegend BFH-Urteil vom 4.November 1982 IV R 159/79, BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448; ferner z.B. BFH-Urteil vom 30.Januar 1986 IV R 270/84, BFHE 146, 378, BStBl II 1986, 516), bleiben Grundstücke, die zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehören, auch bei nicht buchführenden Landwirten so lange Betriebsvermögen, bis sie durch eine eindeutige Entnahmehandlung ins Privatvermögen überführt werden. Dafür reicht es im Regelfall aber nicht aus, daß der Grundbesitz nicht (mehr) landwirtschaftlich genutzt wird. Vielmehr führt eine Änderung der Nutzung nur dann zu einem Ausscheiden des Grundstücks aus dem land- und fortwirtschaftlichen Betriebsvermögen, wenn die Nutzungsänderung derart ist, daß das Grundstück damit zu notwendigem Privatvermögen wird.

Im Streitfall ist die Tatsache, daß das Grundstück J, das der Kläger und seine Ehefrau aus dem Flurbereinigungsverfahren an Stelle der eingebrachten landwirtschaftlich genutzten Grundstücke erlangten, seit dem Eigentumserwerb des Klägers und seiner Ehefrau stets brach gelegen hat, wie eine Änderung in der Nutzung der in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachten Grundstücke zu beurteilen. Die danach anzunehmende Nutzungsänderung (Brachland statt Rebland) war aber nicht derart, daß dadurch das Grundstück J die Eigenschaft als notwendiges Privatvermögen erlangte. Denn Brachland ist seinem Wesen nach für die Zuordnung zum Betriebs- oder Privatvermögen indifferent.

Auch die Tatsache, daß das Grundstück, wie der Kläger geltend macht, nicht mit Weinreben bepflanzt werden durfte, kann nicht rechtfertigen, das Grundstück dem notwendigen Privatvermögen des Klägers und seiner Ehefrau zuzurechnen. Dem steht bereits entgegen, daß, wie die Vorentscheidung zu Recht betont, ein Grundstück für die betrieblichen Zwecke eines Weinbaubetriebs nicht nur durch Bepflanzung mit Weinreben, sondern auch in vielfältiger anderer Weise genutzt werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61461

BStBl II 1986, 711

BFHE 146, 538

BFHE 1986, 538

BB 1986, 1630-1631 (ST)

DB 1986, 2109-2110 (ST)

DStR 1986, 620-620 (ST)

HFR 1986, 568-569 (ST)

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