Rz. 124

Der Begriff "Veräußerung" i. S. d. § 17 EStG setzt notwendig Entgeltlichkeit voraus; unentgeltliche Vorgänge fallen grundsätzlich nicht unter § 17 EStG.[1] Dies ergibt sich aus dem Gesetz, da § 17 Abs. 2 EStG vom "Veräußerungsgewinn" und "Veräußerungspreis" spricht, also ersichtlich entgeltliche Vorgänge im Auge hat.[2] Außerdem enthält § 17 Abs. 1 S. 4 EStG eine besondere Regelung für unentgeltliche Vorgänge; hieraus ist zu schließen, dass § 17 EStG, von dieser Sonderregelung abgesehen, nur auf entgeltliche Vorgänge anzuwenden ist.

 

Rz. 124a

Für den Regelfall führt auch die Auffassung, eine Veräußerung sei eine entgeltliche Änderung der Herrschaftsmacht, zu angemessenen Ergebnissen, sodass ihr insoweit gefolgt werden kann. In Sonderfällen (verdeckte Einlage; gemischte Schenkung) gilt dies jedoch nicht; hier muss der Begriff der Veräußerung insoweit korrigiert werden (Rz. 146).

 

Rz. 124b

Eine Veräußerung liegt daher nur vor, wenn sie ihrem Wesen nach entgeltlich, d. h. keine Schenkung ist. Nur dann kann nämlich ein Veräußerungsgewinn oder -verlust ermittelt werden. Das Entgelt muss angemessen sein, d. h., Leistung und Gegenleistung müssen kaufmännisch gegeneinander abgewogen sein.[3] Die Höhe der Gegenleistung im konkreten Fall ist demgegenüber unbeachtlich; sie kann, wenn der Vorgang nur dem Wesen nach entgeltlich ist, auch 0 EUR betragen, wenn die Beteiligung wertlos ist (Rz. 129).

 

Rz. 124c

Sieht ein vorab erstelltes Konzept vor, dass der vereinbarte Kaufpreis ganz oder teilweise unmittelbar als Schenkung von dem Veräußerer an den Erwerber zurückfließt, liegt in Höhe des zurück geschenkten Betrags keine entgeltliche Übertragung vor.[4]

 

Rz. 125

Die Auffassung von der Veräußerung als entgeltlichem Vorgang führt dazu, dass der Übertragungsakt nicht isoliert betrachtet werden kann. Die Übertragung des wirtschaftlichen (rechtlichen) Eigentums ist, vom Entgeltbegriff her betrachtet, immer neutral. Ob der Vorgang entgeltlich oder unentgeltlich ist, lässt sich erst beurteilen, wenn das zugrunde liegende Kausalgeschäft (Kauf, Schenkung usw.) einbezogen wird. Konsequenterweise spricht der BFH daher nicht isoliert von "Übertragung", sondern von "kaufweiser Übertragung", "tauschweiser Übertragung" usw.[5]

 

Rz. 126

Wird die Veräußerung nur als entgeltliche Veräußerung aufgefasst, ist der Begriff des Entgelts zu bestimmen. "Entgelt" ist danach jede Gegenleistung, die für die Übertragung der (wirtschaftlichen) Herrschaftsmacht an den Anteilen erbracht wird. Wesentlich ist dabei, dass zwischen Leistung (Übertragung der wirtschaftlichen Herrschaftsmacht) und Gegenleistung (Entgelt) eine innere Verknüpfung i. S. e. gegenseitigen Vertrags besteht. Die Leistung muss zur Erlangung der Gegenleistung, die Gegenleistung zur Erlangung der Leistung erbracht werden. Soweit diese Verknüpfung nicht besteht, liegt kein "Entgelt" vor.

 

Rz. 127

Kein Entgelt liegt vor, wenn bei der Übertragung der Anteile bestimmte Rechte zurückbehalten bzw. die Anteile nur mit einer Belastung übertragen werden. Das ist z. B. bei der Übertragung unter Vorbehalt des Nießbrauchs der Fall. Es wird dann von vornherein der Anteil belastet mit dem Nießbrauch übertragen, nicht etwa ein unbelasteter Anteil, an dem dann als Gegenleistung für die Übertragung ein Nießbrauch bestellt wird.[6] Dies gilt auch dann, wenn der Nießbrauch später abgelöst wird.[7] In diesem Fall ist zuerst zu prüfen, ob das wirtschaftliche Eigentum übergegangen ist. Wird ein Nießbrauch an den Anteilen vorbehalten, kann das wirtschaftliche Eigentum bei dem Nießbraucher verbleiben. Das ist der Fall, wenn alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Vermögens- und Verwaltungsrechte dem Nießbraucher zustehen und er diese im Konfliktsfall effektiv durchsetzen kann.[8]  In diesem Fall liegt keine Übertragung, auch keine unentgeltliche Übertragung, vor.

 

Rz. 127a

Wird die Belastung bzw. das Nießbrauchsrecht später abgelöst, ist zu unterscheiden. War das wirtschaftliche Eigentum noch nicht auf den Nießbrauchsverpflichteten übergegangen, erfolgt jetzt dieser Übergang, wobei die Ablösezahlung Entgelt für den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen ist.[9]. War das wirtschaftliche Eigentum trotz der zurückbehaltenen Rechte auf den Verpflichteten übergegangen, ist die Ablösezahlung nur dann ein rückwirkend erbrachtes Entgelt, wenn die Ablösung im sachlichen Zusammenhang mit der Übertragung der Anteile steht. Das ist nur der Fall, wenn der Rechtsgrund für die Ablösung der Belastung bereits in dem Geschäft zur Übertragung der Anteile angelegt ist. Die Ablösung ist dagegen kein rückwirkendes Entgelt (Rz. 180), wenn sie auf einem neuen Geschäft und einer neuen Entwicklung der Verhältnisse beruht.

 

Rz. 128

Eine unentgeltliche Übertragung ist somit grundsätzlich keine "Veräußerung", sodass § 17 EStG nicht anwendbar ist. Es ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn ein Stpfl., bei dem die Anteile der Bindung nach § 17 EStG unterliegen, diese an verschiedene Personen verschenkt und diese ...

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